Vor allem im Schwarm schwer auseinanderzuhalten: Zwerg-, Bläss-, Saat- und Graugänse. - Foto: Rainer Mönke/www.naturgucker.de
Jagdstopp für Saatgänse in Brandenburg
Nun muss Mecklenburg-Vorpommern nachziehen
02. Oktober 2019 - Tausende nordische Gänse kommen zurzeit wie in jedem Herbst im Nordosten Deutschlands an, um hier zu überwintern oder auf ihrem weiten Weg in den Süden eine Rast einzulegen. Für diejenigen, die in Brandenburg ankommen, gibt es gute Nachrichten: Seit Juli 2019 gilt hier eine ganzjährige Schonzeit für Saatgänse. Die ebenfalls aus dem hohen Norden stammende Blässgans darf immerhin nicht mehr mit Schrot, sondern nur noch mit Büchsenmunition geschossen werden. Diese überfällige Regelung bedeutet einen Hoffnungsschimmer für die hochbedrohten Populationen der Waldsaatgans und der Zwerggans.
Grund zu uneingeschränkter Freude ist das allerdings nicht: Der Großteil der Waldsaatgänse überwintert in Mecklenburg-Vorpommern – und ausgerechnet dort dürfen Saatgänse weiterhin legal bejagt werden.
Unterscheidung der Gänsearten nicht leicht
Bereits die Unterscheidung der grauen Gänsearten in Graugänse, Blässgänse und Saatgänse fällt vielen Vogelbeobachtern schwer. Jäger*innen geht es sicherlich nicht besser, insbesondere da sie die verschiedenen Arten blitzschnell im Flug und meist in der Dämmerung auseinanderhalten müssen. Dass die großen Trupps der Saatgänse, die von Oktober bis März in Norddeutschland überwintern, noch dazu aus zwei unterschiedlichen Unterarten bestehen, ist den meisten jedoch unbekannt. In der offiziellen Liste der Vogelarten Deutschlands werden sie inzwischen sogar als getrennte Arten betrachtet.
Der Großteil der fast 400.000 in Deutschland überwinternden Saatgänse sind Tundrasaatgänse, die im gleichnamigen Lebensraum im Norden Europas und Westsibiriens brüten. Nur etwa 11.500 von ihnen gehören zu den hochbedrohten Waldsaatgänsen, die in den Mooren der südlich davon befindlichen Taiga brüten. Fast der gesamte Waldsaatgans-Bestand Sibiriens überwintert ausschließlich in Mecklenburg-Vorpommern, im Norden Brandenburgs und im Nordwesten Polens. Deren Zahl hat seit 1980 um 83 Prozent abgenommen, seit 2004 um 70 Prozent. Waldsaatgänse sind etwas größer und langhalsiger als Tundrasaatgänse. Das wichtigste Kennzeichen ist jedoch ein längerer, schlankerer Schnabel mit einer weiter ausgedehnten Orangefärbung auf dunklem Grund.
Jagd auf zum Verwechseln ähnliche Gänse sollte nicht erlaubt sein
Seit 2015 gibt es für die hochbedrohte Waldsaatgans einen Internationalen Artenschutzplan des Afrikanisch-Eurasischen Wasservogelabkommens (AEWA), der angesichts der abnehmenden Bestände die vollständige Einstellung der Jagd auf Saatgänse im deutschen Überwinterungsgebiet von Waldsaatgänsen vorsieht . Auch Deutschland hatte diesen Plan mit unterzeichnet, aber bis heute nicht umgesetzt. Zeitgleich wurde unter AEWA – unter Zustimmung Deutschlands – eine Regel verabschiedet, die besagt, dass im Vorkommensgebiet einer bedrohten Vogelpopulation keine Jagd auf zum Verwechseln ähnliche Vogelarten erlaubt werden darf.
Dass ausgerechnet die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, in denen die seltenen Waldsaatgänse überwintern, weiterhin die Jagd auf Saatgänse zuließen, steht in krassem Widerspruch zu dieser Übereinkunft und trägt neben der anhaltenden Bejagung auf dem Durchzug in Russland und Weißrussland zum starken Rückgang der Population bei.
Bemühungen des NABU Brandenburg zahlen sich aus
Der NABU-Landesverband in Brandenburg hatte sich daher seit Jahren für ein Ende der Bejagung von Saatgänsen eingesetzt und begrüßt die neue Brandenburger Jagddurchführungsverordnung mit dem darin festgelegten Stopp der Jagd auf Saatgänse. „Wir hoffen, dass sich nun der Bestand der seltenen Waldsaatgans wieder etwas erholt“, freut sich Manuela Brecht, Naturschutzreferentin beim NABU Brandenburg. „Und wer eine Saatgans nicht von einer Graugans unterscheiden kann, sollte in Zukunft den Finger am Abzug gerade lassen“, rät Brecht.
Auch die Zwerggans, eine kleinere Version der Blässgans und dieser zum Verwechseln ähnlich, profitiert von der neuen Verordnung. Diese in Europa bis auf wenige Dutzend Brutpaare im Norden Skandinaviens und Russlands fast komplett ausgestorbene Gänseart wird durch teure Naturschutzprojekte aufwändig geschützt. Auf dem Zug in die Winterquartiere in den Niederlanden und Griechenland tauchen diese Vögel alljährlich auch in Deutschland auf. Verluste durch Verwechslungen bei der Jagd auf Blässgänse wiegen bei dieser Art besonders schwer. Eigentlich müsste die Jagd auf Blässgänse in Deutschland daher komplett eingestellt werden. Die Beschränkung auf Büchsenmunition in Brandenburg ist zumindest ein Schritt in die richtige Richtung und reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Schrotschuss auf Blässgänse auch eine Zwerggans getroffen werden könnte.
Deutliche Kritik am bisher geltenden Jagdrecht übt der NABU-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern. In diesem Bundesland ist die Bejagung von Saat- und Blässgänsen weiterhin erlaubt – eine Obergrenze für geschossene Vögel gibt es dabei nicht. NABU-Landesvorsitzender Stefan Schwill mahnt: „Solange wir die Jagd auf Saatgänse bei uns nicht beenden, haben wir kein moralisches Recht, gegen die Bejagung von Feldlerchen und Kiebitzen in Frankreich oder den Massenfang von Zugvögeln in Ägypten zu wettern. Von unserem Bundesland hängt die Zukunft der sibirischen Waldsaatgänse ab. Fast drei Viertel von ihnen überwintern bei uns.“
Neben den genannten Bundesländern ist die Jagd auf Saat- und Blässgänse auch in Bremen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Bayern weiterhin erlaubt. Dort treten diese Arten jedoch nur in geringen Zahlen auf.
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