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Jetzt NABU-Mitglied werden!Ein Appell zum Tag des Meeres
Meeresschutzgebiete - nicht nur auf dem Papier!
08. Juni 2018 - Meeresschutzgebiete gelten gemeinhin als die Eckpfeiler des Arten- und Habitatschutzes und damit als wirksames Mittel, um den Verlust der Biodiversität in unseren Meeren zu stoppen. Das Artensterben aufzuhalten ist das übergeordnete Ziel vieler internationaler Konventionen und Abkommen. Es ist zentraler Bestandteil des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) und fest in den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDG) verankert. Auch bedeutende Regionalabkommen wie OSPAR und HELCOM haben es sich zur Aufgabe gemacht, den Biodiversitätsverlust zu stoppen.
So ist es aus Sicht des Naturschutzes auch erfreulich, dass heute mehr als sieben Prozent der Ozeane als Schutzgebiete anerkannt sind – dies entspricht einer Fläche von 26 Millionen Quadratkilometern. Neun der zehn weltweit größten Schutzgebiete liegen im Meer. Werfen wir einen Blick auf Europa und insbesondere Deutschland, so sieht die Situation sogar noch besser aus: 29 Prozent der europäischen Küstengewässer und 45 Prozent der Fläche der deutschen Meeresgebiete (Küstengewässer und Ausschließliche Wirtschaftszone) sind unter Schutz gestellt. Das von der CBD vorgegebene Ziel, bis 2020 zehn Prozent der Meeresfläche als Meeresschutzgebiete auszuweisen, ist also schon deutlich übertroffen.
Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien in weiter Ferne
Doch es steht um die Meeresumwelt nicht gut und auch die Meeresschutzgebiete sind weit davon entfernt, ihre Aufgabe erfüllen zu können und die Schutzziele zu erreichen. Das liegt unter anderem an der starken Unterfinanzierung des Naturschutzes in Deutschland, Europa und der Welt. Es fehlt das Geld, um ein räumlich und zeitlich sinnvolles Monitoring zu ermöglichen; es fehlt an Personal, sowohl auf Ebene der Behörden und der Verwaltungen, als auch bei Gebietsmanagern und Meeresrangern. So fehlen in Deutschland allein für die Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien, also die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie und die Vogelschutzrichtlinie, rund 900 Millionen Euro. Und eine Änderung ist nicht in Sicht!
Zudem sind bisher nur für wenige Gebiete – national und international – Managementpläne erstellt und umgesetzt worden. Die Meeresschutzgebiete sind damit für (fast) alle Formen der Nutzung, wie Fischerei, Pipelinebau und Extraktionsvorhaben, offen. Auch bei den beiden Regionalabkommen zum Schutz der Nordsee und des Nordostatlantiks (OSPAR) sowie der Ostsee (HELCOM) ist noch Platz nach oben. So liegen laut einer Zwischenbewertung (Intermediate Assessment 2017) zwar für 61 Prozent der OSPAR-Gebiete Managementpläne vor, allerdings wurden bisher nur bei etwa zwölf Prozent der OSPAR-Schutzgebiete die Maßnahmen vollständig umgesetzt. Bei HELCOM haben immerhin schon 72 Prozent einen Managementplan – wie viele davon vollständig umgesetzt wurden, ist nicht bekannt.
Der politische Wille fehlt
Ein weiteres Problem der Schutzgebiete ist der unzureichende Schutz vor großen Infrastrukturvorhaben (Kabelverlegung), Vorhaben zur Energiegewinnung (Windparks), militärischen Übungen sowie Ressourcennutzungen (Kies- und Sandabbau, Fischerei). Zwar sind die Auswirkungen beispielsweise der Fischerei auf die Bestände der Fische und Meeressäugetiere, das Problem des ungewollten Beifangs und auch die Zerstörung von sensiblen Lebensräumen durch etwa bodenberührende Schleppnetze bekannt, und hat das Ausbleiben von Fischerei nachweislich einen positiven Effekt auf die Meeresumwelt. Dennoch findet eine Regulierung der Fischerei in den Meeresschutzgebieten nicht oder kaum statt.
So sind in manchen Meeresschutzgebieten die Fischerei-Aktivitäten höher als außerhalb dieser Gebiete. Auch OSPAR und HELCOM haben kein Mandat, Fischerei zu beschränken. Dies hat leider auch politische Gründe: So wird in Europa die Fischerei durch die Gemeinsame Fischereipolitik der EU (GFP) geregelt und die Nationalstaaten können nur mit Einvernehmen der anderen Staaten nationale Maßnahmen erlassen (Art. 11 GFP, mehr dazu hier).
Fehlende Managementpläne – einhergehend mit einer gravierenden Unterfinanzierung – und der politische Ansatz, wirtschaftlichen Interessen noch immer einen höheren Stellenwert einzuräumen als den Naturschutzinteressen, führen leider dazu, dass viele unserer Schutzgebiete nur sogenannte Paper Parks sind, also Schutzgebiete, die nur auf dem Papier stehen.
Zum Tag des Meeres fordert der NABU deshalb:
- Meeresschutzgebiete – Regeneration statt Extraktion!
- Fischereiausschlussgebiete – für eine nachhaltige Zukunft!
- Entwicklung und Förderung alternativer Fanggeräte – für eine ressourcenfreundlichere Fischerei!
- Bessere Finanzierung des (Meeres-)Naturschutzes – damit Schutzgebiete auch wirklich schützen!
- Eigene Meeresbehörde – für eine Zukunft unserer Meere!
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