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Pläne zu ElektroG und Wertstoffgesetz lassen Ressourcenschutzstrategie vermissen
29. Juni 2015 Wer hoffte, dass sich die Bundesregierung mit der Umsetzung der europäischen Richtlinie für Elektroaltgeräte (WEEE2) so viel Zeit nahm, um ein besonders ambitioniertes umweltfreundliches Gesetz auf den Weg zu bringen, der wurde durch die politischen Ereignisse in den letzten Monaten bitter enttäuscht. Es gibt nicht mehr viele Mitgliedsstaaten, welche die WEEE2-Richtlinie noch nicht in nationales Recht umgesetzt haben. Deutschland ist neben Slowenien, Polen, Ungarn und drei weiteren Ländern gesetzgeberisches Schlusslicht. Und wenn der Bundestag am 2. Juli über den Regierungsentwurf für die Gesetzesnovelle berät, wird das Thema Ressourcenschonung durch Abfallvermeidung und die Vorbereitung zur Wiederverwendung wohl nur ein Nischenrolle einnehmen.
Das neue ElektroG steht für unwirksame Rücknahmesysteme und die Schwächung von Maßnahmen zur Wiederverwendung
Handel, Hersteller und Kommunen sprachen sich aus unterschiedlichen Gründen gegen eine Erweiterung der Rücknahmepflichten auf den Handel aus. Aufgrund des Drucks der Verbände bekommen wir nun wohl ein Rücknahmesystem, dass die Verbraucher nicht verstehen. Wer dann in Zukunft das Recht in Anspruch nehmen will, beim großen Elektrohändler sein altes Gerät abzugeben, ohne ein Neues zu kaufen, muss erst einmal Maßnehmen, ob die Kantenlänge des Geräts nicht länger als 25 Zentimeter ist. Denn diese sogenannte 0:1-Rückgabe gilt nur für Kleingeräte. Das Ziel höherer Erfassungsmengen lässt sich so sicher nicht erreichen und es werden weiterhin viele Geräte über die Restmülltonne in der Verbrennnung landen oder in andere illegale Ströme gehen. Warum gleichzeitig die Lebensmittelhändler, die zunehmend auch Elektrogeräte vom Laptop bis zum Fön in ihrem großen Sortiment anbieten, von jedweder Rücknahmeverantwortung ausgenommen sind, bleibt ein Rätsel.
Aus Umweltsicht ist es besonders enttäuschend zu sehen, dass die Vorbereitung zur Wiederverwendung durch das neue Gesetz sogar zusätzlich erschwert wird. Es wird wohl ein Separierungsverbot an der Sammelstelle geben. Das heißt, es ist nicht möglich, funktionstüchtige Altgeräte, die als Second-Hand-Geräte genutzt werden können, vom Abfallstrom zu trennen. Auf Anfrage verwies das Umweltministerium zwar darauf, dass Kommunen schließlich die Geräte optieren können und dann auch entscheiden, ob sie die Geräte als Re-Use-Produkt verkaufen wollen oder lieber recyceln und dass eine Vorbereitung zur Wiederverwendung auch beim so genannten Erstbehandler möglich wäre. Nun ist aber für die meisten Gemeinden das Recyclinggeschäft wesentlich einträglicher als der Aufbau von Reparatur-/Wiederverwendungseinrichtungen oder die Zusammenarbeit mit selbstständigen und sozialen Wiederverwendungsbetrieben.
Andererseits konnte sich jeder Bürger schon einmal auf dem Wertstoffhof überzeugen, wie Altgeräte in die oft nicht regengeschützten offenen Container geworfen und dort zerquetscht werden. Beim Transport werden sie dann weiter zerquetscht und durchgerüttelt. Danach besteht keine Hoffnung mehr auf Vorbereitung zur Wiederverwendung durch den Erstbehandler. Dies müssen sich die Parlamentarier vor Augen halten und sich für einen Paragrafen im ElektroG einsetzen, der die Vorbereitung zur Wiederverwendung klar stärkt, der Ausnahmen vom Separierungsverbot zulässt und die Zusammenarbeit zwischen Wiederverwendern und Kommunen sowie dem Handel klar regelt. Dafür setzte sich der NABU gemeinsam mit vielen weiteren Organisationen aus der Zivilgesellschaft bei den politischen Entscheidungsträgern ein (Link zum Offenen Brief auf www.NABU.de/elektroG).
Das ElektroG entspricht also bei weitem nicht dem Leitbild der Ressourcenschonung. Im schlimmsten Fall kommt die Verzögerung beim Gesetzesverfahren dem Bürger nicht nur ökologisch, sondern auch finanziell teuer zu stehen: Der europäische Gerichtshof entscheidet im Moment über eine Klage der EU-Kommission. Wird ihr stattgegeben, muss Deutschland 210.000 Euro pro Tag zahlen, bis das Gesetz endlich in Kraft ist.
Langes Warten auch beim Wertstoffgesetz
Zum Wertstoffgesetz haben sich die Große Koalition und das Umweltministerium auf eine Linie bei der Organisationsverantwortung einigen können und wollen nun endlich das Ministerium einen Gesetzestext verfassen lassen. Das wird über den Sommer die wirklichen Probleme zu Tage fördern: Wie formuliert man ein Gesetz, dass nicht nur schlupflochfrei ist sondern auch noch ökologisch lenkt? Hier brauchen wir dringend eine Debatte darüber wie Lizenzentgelte gestaltet werden können, welche Hersteller von leicht recycelbaren und recycelten Kunststoffen weniger belasten als die Produzenten von Waren aus Mischkunststoffen und Verbundmaterialien. Und findet die Politik nicht endlich Antworten auf das seit langer Zeit bekannte Problem der Überkapazitäten bei der Müllverbrennung, werden die Recycler auch in Zukunft Probleme haben mit den Verbrennern um die Rohstoffe zu konkurrieren und große und qualitativ hochwertige Kunststoffmengen zu erhalten.
Stichwort Erfassungsmenge: Die geplante koordinierende und zum Teil auch kontrollierende zentrale Stelle darf nicht von Herstellern oder Kommunen dominiert sein, da dann Erfassungs- und Verwertungsmengen tendenziell gering bleiben. Ein Negativbeispiel hierfür bietet die Stiftung EAR bei den erwähnten Elektroaltgeräten. Die Zivilgesellschaft benötigt also Einfluss auf die zentrale Stelle. Denn wenn Hersteller/Handel und Entsorger, Länder und Kommunen die Stelle allein beeinflussen, ist die Gefahr zu groß, dass rein wirtschaftliche und nicht unbedingt ressourcenschonende Entscheidungen gefällt werden. Damit würden wir die Stillstandssituation der letzten sechs Jahre (so lange warten wir bereits auf das Wertstoffgesetz) bloß verstetigen.
Trotz gesetzlicher Vorgaben steckt das Recycling von haushaltsähnlichen Gewerbeabfällen in den Kinderschuhen. Grund hierfür sind unter anderem fehlende Anreize und Kontrollen. Die Folgen sind Müllverbrennung und fragwürdige Entsorgungspraktiken. Mehr →