8 Hektar junger Eichenwald stehen am Tollensesee zum Verkauf. Genau jetzt zum Fest. Wenn wir sie gemeinsam erwerben, kann er sich zum für alle Zeit ungestörten, artenreichen Urwald entwickeln.
Jetzt spenden!„Ich freue mich jeden Tag daran“
Familie Drodofsky hat ihren Milchviehbetrieb auf bio umgestellt – unterstützt von NABU und Alnatura
In manchen Situationen sollte man Leute nicht um ein Interview bitten: Wenn ein Arzt gerade operiert, ein Musiker ein Konzert gibt und ein Pilot sein Flugzeug landet. Oder wenn ein Landwirt die Ernte einbringt. Und doch stehe ich zu genau dieser Zeit auf dem Sonnenhof der Familie Drodofsky, damit mir Juniorchef Andreas den Betrieb zeigt.
Es ist Anfang Juli. Wegen der Trockenheit ist die Wintergerste notreif. Die Ernte beginnt früher. Als wir unseren Termin vereinbart haben, war das nicht absehbar. Noch vor einer Woche hatte Andreas Drodofsky seinen Eltern, mit denen er gemeinsam den Hof bewirtschaftet, am Telefon gesagt, sie könnten ihren Urlaub ruhig verlängern. Pech. Jetzt muss er mit den zwei Angestellten allein klarkommen.
Die Drodofskys bewirtschaften den Sonnenhof in Mönsheim zwischen Stuttgart und Karlsruhe. 200 Milchkühe stehen hier im Stall, dazu noch 150 Jungtiere. Die Kleinsten sind gerade mal eine Woche alt.
Finanzieller Kraftakt
Auch wenn Andreas Drodofsky eine freundliche Ruhe und Zufriedenheit ausstrahlt: Er steht unter Druck – nicht nur wegen der Ernte. 2015 hat die Familie den Schritt gewagt und den Hof auf bio umgestellt. Auf die Frage, wie die Umstellung war, antwortet er zunächst nur mit einem Wort: teuer. Dann lacht er. „Wir mussten Weiden und Auslaufflächen bauen. Wir mussten Ladewagen, Striegel und Hacke kaufen. Und das Kraftfutter kostet nicht mehr 200, sondern 550 Euro pro Tonne. Da kommen schnell sechsstellige Mehrkosten zusammen.“
Auf der anderen Seite konnte er die Milch während der Umstellung noch nicht zum höheren Biopreis verkaufen. Der steht heute bei 50 Cent pro Liter. Für konventionelle Milch zahlt die Molkerei aber nur 35 Cent – während der Umstellung fiel der Preis sogar auf 24 Cent. Bei rund einer Million produzierten Litern Milch pro Jahr macht das einen gewaltigen Unterschied.
Noch sind dem 37-Jährigen deshalb aber keine grauen Haare gewachsen. Dazu hat auch der NABU beigetragen, indem er 2016 den Sonnenhof im Rahmen seines Projektes „Gemeinsam Boden gut machen“ ausgezeichnet hat. Der Clou dabei: Die Auszeichnung ist mit einer finanziellen Förderung verbunden. 2016 wurden bundesweit über 430.000 Euro an 14 Betriebe ausgeschüttet. Unterstützt wird das Projekt von der Alnatura Bio-Bauern-Initiative.
„Ganz klar: Es war der richtige Schritt“
Wer glaubt, angesichts all dieser Herausforderungen hätten sich Zweifel an der Biostrategie eingeschlichen, der irrt. „Ich weiß gar nicht, warum wir nicht schon früher umgestellt haben. Dabei haben wir vorher schon fast nur bio gegessen“, sagt Drodofsky. „Was ich heute tue, ist viel mehr das, was ich mit meinem Beruf als Landwirt verbinde. Ich freue mich jeden Tag daran.“
Als Schlüsselmoment bezeichnet der studierte Landwirt einen Zwischenfall, der ihm vor Jahren auf seinem Maisacker widerfahren ist: Der Schlauch der Feldspritze platzt. Drodofsky bekommt eine volle Ladung Herbizide ab. „Es war wie eine Dusche“, sagt er. Hat es Sinn, den Boden mit diesem Gift zu überziehen? Drodofskys Antwort: Nein, das hat keinen Sinn. Es musste sich etwas ändern.
Inzwischen ist die Umstellung nach Bioland-Richtlinien fast abgeschlossen. Lediglich der Winterweizen gilt noch nicht als Bioware, da die Übergangsfrist noch nicht abgelaufen ist.
Mit GPS und Melkroboter
Angst vor Innovation kann man den Drodofskys nicht nachsagen. Seitdem der Großvater 1965 den Hof am heutigen Standort gegründet hat, hat sich die Ackerfläche auf 167 Hektar verzehnfacht. Der Viehbestand ist dreißigmal so groß. Die Schlepper navigieren mit GPS. Die Kühe können sich jederzeit melken lassen – von drei Melkrobotern, die die Milch sofort analysieren und pro Tag 300 Daten zu jeder Kuh erfassen.
Ein Teil des Betriebs liegt im 60 Kilometer entfernten Metzingen. „Da stammt meine Mutter her, und daher haben wir dort Flächen – keine Tiere, aber Äcker und Grünland“, erklärt der Juniorchef. „Mit dem Traktor ist man eine Stunde und zwanzig Minuten unterwegs – für eine Strecke.“ Auch daran zeigt sich, dass zu Andreas Drodofskys Kernkompetenzen zwangsläufig auch die Logistik gehört. Schließlich werden einige Tausend Tonnen Material pro Jahr bewegt: Gras, Stroh, Gülle und vieles mehr. Und zwar nicht mit der Schubkarre, sondern mit schwerem Gerät. Da müssen die Abläufe stimmen.
Und noch eine Kompetenz ist wichtig: Organisieren – bevorzugt viele Dinge gleichzeitig. Während unseres zweistündigen Gesprächs klingelt mindestens viermal das Handy, ein riesiger LKW liefert Strohballen, die der Chef schnell abladen muss, und parallel hat er ein Auge auf seinen vierjährigen Sohn Samuel, für den der Hof der Kindergarten ist. Außerdem war gestern eine Schulklasse zu Besuch – der Sonnenhof ist ausgewiesener „Lernort Bauernhof“. Und dann gibt es da noch das hofeigene Yogastudio, das seine Frau Karoline betreibt. Die muss jetzt allerdings los, um Tochter Jade abzuholen.
Trotz der Betriebsamkeit liegt während meines Besuchs eine wohltuende Ruhe über dem Hof und den Menschen. Hektik? Habe ich hier nicht erlebt.
Hannes Huber