Am Unteren Niederrhein ist ein wichtiges Brutgebiet für den stark gefährdeten Kiebitz – doch auch hier lauern viele Gefahren. Bitte helfen Sie dabei, die Kinderstuben des kleinen Vogels zu schützen!
Jetzt spenden!Stillt „Bio“ den Hunger der Welt?
Damit die wachsende Weltbevölkerung satt wird, muss die Landwirtschaft nachhaltiger werden
Erde, Wasser, Sonne, Luft – mehr braucht es nicht, damit Pflanzen wachsen und gedeihen. Für Ernten, wie sie die moderne Intensivlandwirtschaft einfährt, sind vier Elemente jedoch zu wenig. Konventionell wirtschaftende Bauern steigern den Ertrag ihrer Äcker mit Kunstdünger und schützen ihre Pflanzen mit Pestiziden vor Pilz- und Insektenbefall. Eine Wirtschaftsweise, die auf Dauer Böden, Grundwasser und Artenvielfalt schädigt. Biobauern, die auf die Hilfsmittel der Agrarindustrie verzichten, wirtschaften zwar mit der Natur, ernten dafür aber weniger. Welche Landwirtschaft ist besser geeignet, alle Menschen satt zu machen: die intensive oder die nachhaltige? Eine Frage, die angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung immer drängender der Antwort harrt.
Aller Voraussicht nach werden im Jahre 2050 neun Milliarden Menschen auf dem Planeten Erde leben – eineinhalb Milliarden mehr als heute und etwa dreimal so viele wie 1950. Gegenwärtig leiden knapp 800 Millionen Menschen Hunger. Das heißt aber nicht, dass die Ernten zu gering wären; die Gründe sind vielmehr Armut, Krieg und schlechte Regierungen. Immerhin hat sich die Zahl der Hungernden von 1990 bis heute um rund 300 Millionen Menschen verringert. Doch mit weiter wachsender Weltbevölkerung werden Ertragssteigerungen in der Landwirtschaft immer wichtiger, um alle Menschen satt zu bekommen. Denn die weltweit verfügbare Agrarfläche ist begrenzt.
Massenernten und Bodenfruchtbarkeit
Bislang konnten die landwirtschaftlichen Erträge immer Schritt halten mit dem Wachstum der Weltbevölkerung. Im 19. Jahrhundert revolutionierte eine Kombination aus Agrochemie und systematischer Pflanzenzucht die Landwirtschaft und vervielfachte die Ernten. In den Jahrzehnten nach dem Krieg ermöglichten massiver Kunstdüngereinsatz und auf Hochleistung getrimmte Reis-, Mais- und Weizensorten Massenernten, wie sie bis dahin undenkbar waren. Deshalb setzt die konventionelle Landwirtschaft auch heute auf Saatgutforschung, Pflanzenschutz und die Entwicklung immer neuer Technologien. Gegen Wassermangel und Krankheiten resistente Sorten sollen die Erträge weiter steigern. Doch kann das immer so weitergehen?
„Wirtschaften wir weiter wie bisher, zerstören wir die Ressourcen, von denen die Menschheit lebt“, sagt Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstandsvorsitzender des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft. „Die Art und Weise, wie heute Nahrungsmittel produziert werden, schädigt die Funktionsfähigkeit unserer Ökosysteme.“ Kunstdünger und einseitige Fruchtfolgen führten zu Humusabbau, und die Fähigkeit des Bodens, Wasser zu speichern, werde vermindert. Biobauern, denen es verwehrt sei, das Pflanzenwachstum mit künstlichem Stickstoff anzuheizen, müssten dagegen stets die Bodenfruchtbarkeit im Blick haben. Deshalb ist Löwenstein davon überzeugt, dass es zu einer Welternährung nach den Prinzipien des Biolandbaus keine Alternative gibt.
Landwirtschaft am Tropf
Monokulturen mit Reis, Mais, Soja und Weizen, die das Fundament der industriellen Landwirtschaft bilden, hängen am Tropf, denn Kunstdünger und Pestizide, die Garanten für Massenernten, werden aus Erdöl hergestellt – ein Stoff, der eines Tages zur Neige geht. Im Vergleich kommen ökologische Anbauformen mit einer um ein Drittel bis zur Hälfte geringeren Nährstoffzufuhr aus als der konventionelle Ackerbau. Das hat ein Langzeitexperiment über 21 Jahre in der Schweiz gezeigt. Zwar lagen die Hektarerträge um durchschnittlich ein Fünftel niedriger, doch unterm Strich fiel die Energiebilanz zugunsten der ökologischen Landwirtschaft aus. Fakt ist aber auch, dass konventionell wirtschaftende Bauern in der Regel mehr ernten.
Doch nimmt man statt der Erträge die Anbauverfahren als Vergleichsmaßstab, zeigt sich, das Biolandbau ähnlich produktiv sein kann wie die konventionelle Landwirtschaft. Das wiesen Wissenschaftler der University of California in einer Metastudie nach, für die sie 115 Studien mit über 1.000 Datensätzen verglichen. Demnach schrumpft der Abstand zwischen beiden Systemen beim Anbau im Fruchtwechsel oder in Mischkultur auf acht bis neun Prozent. Beim Anbau von Hülsenfrüchten wie Erbsen, Bohnen oder Linsen waren die Erträge sogar vergleichbar. Die Ertragslücke lasse sich durch intensivere Erforschung nachhaltiger Anbauformen reduzieren oder gar schließen, lautet das Fazit von Leitautorin Lauren Ponsio.
Mehr Nahrungsmittel als nötig
Die ökologische Landwirtschaft muss sich weiterentwickeln, davon ist auch Felix Prinz zu Löwenstein überzeugt: Jedoch: „Ertragssteigerung ist nicht die einzige Möglichkeit, um den Kalorienbedarf der wachsenden Menschheit zu decken“, sagt der Agrarwissenschaftler. Eigentlich würden derzeit mehr Nahrungsmittel erzeugt als nötig, doch in den Industrieländern werde vieles davon in den Müll geschmissen. „Fast genauso große Mengen verderben in den Entwicklungsländern, weil dort die Infrastruktur bei Transport und Lagerung mangelhaft ist“, erläutert Löwenstein: „Im besseren Umgang mit dem, was wir erzeugen, liegen große Reserven für die Welternährung.“
Damit ist allerdings noch nicht die Frage beantwortet, ob Bio die Welt ernähren kann. Der US-amerikanische Food-Philosoph und Buchautor Michael Pollan sagte dazu der Tageszeitung „Die Welt“: „Die ehrliche Antwort darauf ist: Wir wissen es nicht. Und zwar, weil wir es noch nicht probiert haben.“ Fakt sei aber auch, dass die Menschheit herausfinden müsse, wie man mehr Nahrung mit weniger Erdöl erzeugen könne: „Nachhaltige Landwirtschaft wäre ein Schritt in diese Richtung.“
Hartmut Netz
verwandte themen
Die fünf ostdeutschen Agrarminister haben ein Thesenpapier zur Landwirtschaftspolitik ab dem Jahr 2020 vorgestellt. Der NABU begrüßt dieses als ersten Schritt in die richtige Richtung, allerdings fehlen konkrete Festlegungen zur Umsetzung. Mehr →