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Die wichtigsten Fragen und Antworten auf einen Blick
Das Königreich Dänemark und die Bundesrepublik Deutschland wollen gemeinsam eine feste Querung zwischen der dänischen Insel Lolland und der deutschen Insel Fehmarn realisieren. Der dänische staatseigene Vorhabenträger Femern A/S, der die Querung selbst bauen und betreiben will, hat seine Unterlagen bei der zuständigen deutschen Landesplanungsbehörde in Kiel eingereicht und seither läuft offiziell das Planfeststellungsverfahren. Wie üblich werden so große, teure und umweltschädliche Vorhaben mit einem besonderen „öffentlichen Interesse“ gerechtfertigt.
Dass Umweltverbände wie der NABU Megaprojekte aus ökologischen Gründen kritisch betrachten und ihren infrastrukturellen Mehrwert oftmals anzweifeln, ist angesichts erheblicher Nachteile für Arten und Lebensräume in den Projektgebieten selbstverständlich. Großvorhaben wie „Stuttgart 21“, Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) oder die Hamburger Elbphilharmonie rufen zudem aus finanziellen Gründen den Bundesrechnungshof und den Bund der Steuerzahler auf den Plan. Weil bei großen Verfahren mit erheblichen Auswirkungen auf Natur und Umwelt festgelegte Kompensationsleistungen nicht oder erst Jahre später erbracht werden, haben bei der Frage ausufernder Kosten auch die Umweltverbände eine klare Haltung.
Das Grundproblem vieler großer Verfahren ist oftmals fehlende, falsche oder unzureichende Information. Deswegen finden Sie hier die wichtigsten Fragen und Antworten (FAQ) zum Vorhaben der geplanten „festen Fehmarnbeltquerung“:
Schließt die geplante feste Fehmarnbeltquerung Dänemark endlich an Kontinentaleuropa an?
Der Vorhabenträger suggeriert mit der Formulierung, Dänemark mit einer festen Querung des Fehmarnbeltes „näher an Kontinentaleuropa“ heranbringen zu wollen, dass es bisher keine feste Verbindung ins dänische Königreich geben würde. Fakt ist aber, dass seit 1998 eine Brücken-Tunnelkombination den „Großen Belt“ (Storebelt) überspannt und Festlandsdänemark (Jütland) mit den großen Inseln Fünen und Seeland verbindet. Die gleichnamige „Jütlandroute“ (Hamburg-Flensburg-Kolding-Kopenhagen) ermöglicht also seit über 15 Jahren, dass der Bahngüter- und Personenverkehr „trockenen Fußes“ bis nach Kopenhagen gelangt. Und seit 2001 mit dem Bau der Öresundquerung zwischen Dänemark und Schweden sogar noch darüber hinaus.
Ist eine feste Fehmarnbeltquerung alternativlos?
Deutschland und Dänemark sind der Auffassung, dass mit dem 2008 unterzeichneten Staatsvertrag überhaupt keine alternative Lösung jenseits unterschiedlicher Varianten (Brücke oder Tunnel) mehr untersucht werden muss. Sowohl die Storebeltquerung (1998) als auch die weiterführende „Öresundquerung“ (von Kopenhagen über den Öresund ins schwedische Malmö) stellen einen erheblichen Eingriff in Natur und Umwelt dar. Beide Querungen sind mit europäischem Fördergeld besonders für den Bahngüterverkehr gebaut worden.
Insofern besteht bereits eine noch weiter ausbaufähige Alternative zur geplanten festen Fehmarnbeltquerung. Deswegen missachten Deutschland und Dänemark nach Auffassung der Projektkritiker europäisches Planungsrecht. Denn eine eigentlich übliche Strategische Umweltprüfung (SUP) hätte vorab klären müssen, ob mit zumutbaren Alternativen Umweltschäden verhindert werden können. Darauf hatten beide Länder mit Verweis auf den Staatsvertrag aber verzichtet.
Pacta sunt servanda: Muss der Staatsvertrag zwischen Deutschland und Dänemark auf Gedeih und Verderb eingehalten und umgesetzt werden?
In Absatz 2, Artikel 22 des Staatsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark heißt es wörtlich: „Sollten die Voraussetzungen für das Projekt oder Teile des Projektes sich deutlich anders entwickeln als angenommen und anders, als zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages bekannt, werden die Vertragsstaaten die Lage aufs Neue erörtern. Das gilt unter anderem für wesentliche Kostensteigerungen im Zusammenhang mit dem Projekt ...“
Allein durch die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008 haben sich alle Projektparameter verändert und verschoben. Zudem sind die Kosten sowohl für die Hinterlandanbindungen als auch für die Querung bereits vor dem ersten Spatenstich explodiert. Allein für die deutsche Hinterlandanbindung von 840 Millionen auf rund 2,5 Milliarden Euro. Zudem hat die Reederei Scandlines angekündigt, in Konkurrenz zum Tunnel gehen zu wollen. Das war finanziell vom Vorhabenträger nicht eingeplant. Scandlines betreibt heute ganzjährig und 24/7 die „schwimmende Brücke“ zwischen dem dänischen Rödby und dem deutschen Puttgarden.
Der NABU hat die beiden Vertragsstaaten mehrfach darauf hingewiesen, den geschlossenen Staatsvertrag in diesem Punkt zu erfüllen, Gespräche zu führen und zumindest eine Neubewertung (Kosten, Bedarf, infrastruktureller Nutzen) des Vorhabens vornehmen zu lassen. Bisher immer ohne Erfolg.
Was ist sie und wenn ja, wie viele: Ist die Fehmarnbeltquerung „ein“ Projekt?
Das EU-TEN Projekt (Transeuropäisches Netzwerkprojekt) Nr. 20 „Fehmarnbeltquerung“ ist Teil des Kernnetz-Korridors der Europäischen Union von Stockholm nach Palermo. Zum Projekt Nr. 20 gehören die „Y-Trasse“ (Bahn) Bremen-Hannover-Hamburg sowie die vierstreifige Straßen- und zweigleisig zu elektrifizierten Bahnverbindung von Lübeck bis nach Kopenhagen. Der Staatsvertrag zwischen Deutschland und Dänemark bezieht sich auf die feste Fehmarnbeltquerung selber (bevorzugt: Absenktunnel), sowie den Ausbau der Hinterlandanbindungen Lübeck-Puttgarden auf deutscher und Rödby-Kopenhagen auf dänischer Seite. Anstatt die im Staatsvertrag geregelten Abschnitte des Vorhabens als ein gesamtes Projekt zu behandeln, wurde es in drei Abschnitte geteilt. Das minimiert in den Teilbereichen unzulässig die jeweiligen Projektauswirkungen auf Natur und Umwelt, die selbstverständlich im Zusammenhang mit den anderen Bereichen betrachtet werden müssen.
Laufen die Kosten auch bei der Fehmarnbeltquerung aus dem Ruder?
Von der ersten Kalkulation vor mehr als zehn Jahren haben sich die Kosten für die Querung selbst von anfangs rund 2,5 Milliarden Euro über 4,2 Milliarden Euro (damals: Schrägkabelbrücke), beziehungsweise 5,5 Milliarden Euro für einen Absenktunnel auf 7,2 Milliarden Euro fast verdreifacht, ohne dass auch nur ein Spatenstich getan worden wäre. Allerdings sind die Kostenberechnungen veraltet (2015) und es kann, wie bei Großprojekten üblich, bei einer überfälligen Aktualisierung mit satten Kostensteigerungen gerechnet werden.
Angesichts eines weltweiten Baubooms verteuern sich vor allem die Baumaterialien, aber auch die Arbeitskräfte. Inklusive der Hinterlandanbindungen auf deutscher und dänischer Seite kann nach Schätzungen des NABU mittlerweile von Gesamtkosten von bis zu 14 Milliarden Euro ausgegangen werden, wobei für die prognostizierten 13 000 Fahrzeuge am Tag anderswo in Deutschland noch nicht einmal eine Umgehungsstraße gebaut werden würde. Eine milliardenschwere Kostenverdreifachung liegt übrigens im üblichen Schnitt der Mehrkosten europäischer und mancher deutscher Großprojekte wie Stuttgart 21 oder Flughafen Berlin Brandenburg (BER).
Bekommt Deutschland die eigene kostengünstige Hinterlandanbindung „geschenkt“?
Der ehemalige schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter-Harry Carstensen bezeichnete die ursprünglich kalkulierten 780 Millionen Euro für die deutsche Hinterlandanbindung (vierstreifiger Ausbau BAB 1/ B 207 von Lübeck bis Puttgarden, zweigleisig elektrifizierter Ausbau der Bahn-Bestandsstrecke Lübeck-Puttgarden) plus 60 Millionen Euro für die vierspurigen Straßenausbau als förmlich „geschenkt“. Ob Deutschland dieses selbst zu finanzierende Geschenk annehmen sollte oder es vielleicht doch besser ablehnt, zeigt ein Blick auf absehbare Kostensteigerungen.
Gegen einen die Tourismuswirtschaft schädigenden Bahngüterverkehr durch sensibles Urlaubsgebiet und kleine Küstendörfer Ostholsteins liefen viele Bürgermeister Sturm. Das vom Land Schleswig-Holstein initiierte „Raumordnungsverfahren“ (ROV) hatte zum Ergebnis, dass eine Verlegung der Bahntrasse an die BAB 1 die beste Lösung sei. Auch auf dänischer Seite stiegen die Kosten, denn außerplanmäßig musste bereits die marode Storströmsbrücke erneuert werden (rund eine Milliarde Euro).
Wie vom NABU schon vor Unterzeichnung des Staatsvertrages 2008 prognostiziert, muss auch die kleine Fehmarnsundquerung, welche die Insel Fehmarn seit über 50 Jahren durch eine Brücke mit dem Festland verbindet, ersetzt oder ergänzt werden. Varianten dazu werden aktuell von der Deutschen Bahn geprüft. Wahrscheinlich ist, wie im Fehmarnbelt, ebenfalls ein Absenktunnel. Nur so könnte der prognostizierte Bahngüterverkehr, der zukünftig von der Strecke Hamburg-Flensburg auf die Fehmarnbeltverbindung umgeleitet werden soll, überhaupt sicher abgewickelt werden. Zusatzkosten allein dafür: rund 500 Millionen Euro.
Nach einer Schätzung des Bundesrechnungshofes (BRH) von November 2018 haben sich die Kosten allein für die deutsche Hinterlandanbindung wegen des Neubaus der Bahnstrecke und der Fehmarnsundquerung von ursprünglich 840 Millionen Euro auf 4 Milliarden Euro erhöht. Hinzu kommt der übergesetzliche Lärmschutz entlang der Bahnstrecke, den der BRH auf rund 500 Millionen taxiert.
Ein Gutachten des Europäischen Rechnungshofs (ECA) hat acht große europäische Projekte geprüft, darunter auch die Fehmarnbeltquerung. Alle Projekte überschreiten die ursprünglichen Annahmen um 50 (u. a. Fehmarnbeltquerung) bis zu 100 Prozent.
Wird eine feste Fehmarnbeltquerung die regionale Entwicklung beiderseits des Beltes fördern?
Bisher fördern ausschließlich die günstigeren Preise für Alkohol und andere in Deutschland günstigeren Konsumgüter den kleinen Grenzverkehr von Dänemark nach Deutschland. Allein ein Drittel des Gesamtaufkommens wird von der Reederei Scandlines durch günstige Tickets für dänische Bürger subventioniert. Das Vorhaben Fehmarnbeltquerung soll aber als „Magistrale Nordeuropas“ (so Werner Marnette, ehemaliger schleswig-holsteinischer Wirtschaftsminister) auf dem kürzesten Weg die „Metropolregionen“ Hamburg und Kopenhagen-Malmö verbinden und nicht kleinen Grenzverkehr einseitig fördern.
Ganz egal, ob feste Querung oder „schwimmende Brücke“ mit Fähren – eine Sprach-, Währungs- und Mautbarriere bleibt so oder so bestehen, weil sich der Preis für eine Tunneldurchfahrt am Preis des Fährtickets (hin und zurück heute rund 140 Euro) orientiert. Viele Menschen denken fälschlicherweise an eine kostenfreie Tunneldurchfahrt, das Vorhaben soll jedoch durch die Nutzer finanziert werden.
Geht zukünftig mehr Bahngüterverkehr „From Road to Rail“?
„From Road to Rail“ (von der Straße auf die Schiene) ist das eigentliche und sehr vernünftige Ziel europäischer Verkehrspolitik. Kernanliegen der EU ist, schädliche CO2-Belastungen zu reduzieren und Luftverschmutzung durch gesundheits- und umweltschädliche Stickoxide oder Partikel zu minimieren. Durch die aktuelle Debatte um die Folgen des Klimawandels wird dieser lange vernachlässigte Aspekt angesichts des überalterten Planungsstandes noch viel wichtiger. Eine positivere Wirkung kann auf der Fehmarnbeltquerung nach Auffassung des NABU nur erreicht werden, wenn der Bahnanteil tatsächlich gestärkt wird.
Angesichts der marginalen Verkehrsprognosen sind weder der Straßenanteil noch der Schienenanteil wirklich profitabel. Deswegen ist die Dimension des Vorhabens völlig unangemessen. Der Europäische Rechnungshof warnt bei der Fehmarnmbeltquerung, dass der Schienenverkehrsanteil wirtschaftlich nicht tragfähig sei. Der NABU fordert eine Anpassung: einen reinen Eisenbahntunnel, um tatsächlich den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Das ist zwingend notwendig, weil auch in Zukunft keine Steigerungen der Verkehrsmengen zu erwarten sind. Zudem wurden für die Vergangenheit in einem aktuellen Verkehrsgutachten des NABU bereits Rückgänge nachgewiesen. Das Gutachten, das einen Bedarf für Europas größtes Infrastrukturprojekt ausdrücklich verneint, kann unter https://www.nabu.de/downloads/verkehrsgutachten-ffbq.pdf abgerufen werden.
Rechtfertigen die Verkehrsprognosen Kosten und Umweltauswirkungen des Vorhabens?
Aktuell nutzen täglich durchschnittlich rund 6.000 Fahrzeuge die Fährverbindung zwischen der deutschen Insel Fehmarn und der dänischen Insel. 2030 sollen es etwa 13.000 werden. Allerdings ist in diesen Zahlen das Aufkommen des kleinen Grenzverkehrs enthalten, weswegen sogar mit weit weniger Verkehr gerechnet werden muss, wenn in Dänemark höhere Steuern auf Luxusgüter abgeschafft werden oder in Deutschland die Besteuerung zunimmt. Aber selbst 13.000 Fahrzeuge sind angesichts wahrscheinlicher Projektgesamtkosten (bis zu 14 Milliarden Euro) marginal und in Deutschland werden selbst Ortsumgehungen kleiner Dörfer erst ab täglichen Verkehrsbewegungen von 20.000 Fahrzeugen finanziert. Ein weiterer Vergleich macht die Überdimensionierung des Vorhabens deutlich: Durch den Elbtunnel fahren täglich rund 150.000 Fahrzeuge.
Abgesehen von einer wahrscheinlichen Verdreifachung der Projektkosten auf bis zu 14 Milliarden Euro geht der NABU zudem von erheblichen temporären und nachhaltigen Auswirkungen des Vorhabens auf Natur und Umwelt aus. Denn im 20 Kilometer breiten Fehmarnbelt ist ein durch die europäische Union besonders geschütztes FFH-Meeresgebiet ausgewiesen (Flora-Fauna-Habitat-Gebiet 1332 „Fehmarnbelt“).
Warum unterliegt der Fehmarnbelt diesem hohen Schutzstatus?
Das Schutzgebiet Fehmarnbelt ist Teil eines Verbundes von Natura 2000-Schutzgebieten. Er umfasst 280 Quadratkilometer, ist bis zu 35 Meter tief und knapp 20 Kilometer breit. In ihm finden sich veschiedene Lebensraumtypen und Arten, die für das Ökosystem Ostsee von zentraler Bedeutung sind. Riffe, Sandbänke und sogenannte Megarippel stellen einen einzigartigen Lebensraum für viele verschiedene Pflanzen- und Tierarten dar. Bei allen Großgruppen kommen Arten vor, die Jahre oder Jahrzehnte nicht mehr in der Ostsee festgestellt wurden. Ein Großteil der in der Roten Liste der gefährdeten Arten der deutschen Ostsee aufgeführten Benthosorganismen konnte im Fehmarnbelt nachgewiesen werden.
Durch das Gebiet erfolgt über 70 Prozent des Wasseraustausches zwischen Nord- und Ostsee, damit ist es von entscheidender Bedeutung für das Leben in der Ostsee. Durch die exponierte Lage im Einstrombereich von Nordseewasser stellt der Fehmarnbelt den zentralen Startpunkt und Ausbreitungskorridor für die Besiedlung umliegender Gebiete und die Ausbreitung salztoleranter Arten dar. Zudem ist es von existenzieller Bedeutung als Überwinterungsgebiet für die Entenpopulation der Ostsee.
Sind die ökologischen Auswirkungen des Vorhabens vertretbar?
Wenn ein besonders geschütztes Meeresgebiet (FFH-Gebiet 1332-301 „Fehmarnbelt“) mit einem Vorhaben durchschnitten werden soll, für das ein 100 Meter breiter, über 60 Meter tiefer und 20 Kilometer langer Krater gebaggert werden muss, um wie geplant die Tunnelelemente zu versenken, hat das nach Auffassung des NABU sowohl temporäre als auch nachhaltige Auswirkungen. Unterschiedlichste Arten und Lebensräume im Fehmarnbelt zu Wasser und an Land werden nach Ansicht des NABU und seiner wissenschaftlichen Gutachter betroffen sein.
Durch die Sedimentverdriftung beim Baggern gehen die Schäden nach Auffassung des NABU auch weit über das vom Vorhabenträger Femern A/S untersuchte Gebiet hinaus. Sowohl die 1998 eingeweihte Storebeltquerung als auch die 2001 eröffnete Öresundverbindung waren bereits erhebliche Eingriffe in Natur und Umwelt, deren Langzeitschäden für das größte Binnenmeer der Erde noch gar nicht abzuschätzen sind. Hinzu kommen zahlreiche Windparke, eine nicht unerhebliche Nutzung der Ostsee durch die Fischerei sowie der wirtschaftliche Seegüterverkehr in einer der am dichtesten befahrenen Wasserstraßen der Welt. Insofern müssten alle Einflussfaktoren in ihrem Zusammenwirken bewertet werden. Der NABU lehnt das Vorhaben besonders angesichts der Unsicherheit in Bezug auf mögliche kumulative Auswirkungen und die zumutbare bestehende alternative „Jütlandroute“ ab.
Durch eigene Untersuchungen (Biotopkartierungen unter Wasser durch Taucher) hat der NABU festgestellt, dass streng geschützte Riffstrukturen deutlich stärker in Mitleidenschaft gezogen werden, als vom Vorhabenträger prognostiziert. Die Ausweisung der Größe des FFH-Gebiets 1332-301 muss nach Auffassung des NABU angepasst und die tatsächlichen räumlichen Auswirkungen auf bedrohte Lebensräume völlig neu bewertet werden.
Hat Deutschland genug Mittel für Infrastruktur?
Interessenvertretungen wie die Industrie- und Handelskammern stellen gerne Maximalforderungen auf und möchten nicht nur einwandfrei instand gehaltene Verkehrswege auf Schiene, Wasser oder Straße, sondern am liebsten eine neue, gut ausgebaute und flächendeckende Infrastruktur. Für die nördlichen Bundesländer zeigt ein Blick in die so genannte „Ahrensburger Liste“, dass sich die „Arbeitsgemeinschaft norddeutscher Industrie- und Handelskammern e. V.“ völlig von der Realität verabschiedet hat. Dem Bund fehlen laut „Daehre-Kommission“ jährlich rund sieben Milliarden Euro, nur um den Bestand zu erhalten. Obwohl die Bundesregierung durch sprudelnde Steuermehreinnahmen deutlich mehr Geld auch für Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung stellen, gibt es angesichts eines riesigen Investitionsstaus bei Erhalt und Neu trotzdem erhebliche Verteilungskämpfe.
So wird zum Beispiel jede Infrastrukturforderung der „Ahrensburger Liste“ als gleich wichtig behandelt. Käme die auch von den Nord-IHKs vehement geforderte feste Fehmarnbeltquerung, stünden für weitere Begehrlichkeiten (Straße: unter anderem A 14, 20 West, 21, 26, 39, 281; Schiene: Entlastung der Bahnknoten Hamburg, Bremen, Hannover und diverse weitere Schienenprojekte), die für Norddeutschland teilweise infrastrukturell sinnvoller wären, begrenzt Mittel zu Verfügung. Und das nicht nur, weil der amtierende Bundesverkehrsminister wie sein Vorgänger aus Bayern kommt. Infrastruktur auf Pump zu finanzieren, wird kaum möglich sein. Denn seit 2015 gilt die Schuldenbremse.
Hat der NABU bereits Klage erhoben?
Am 8. Juli 2019 hat der NABU nach zehnwöchiger Frist seine umfangreiche Klagebegründung beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig eingereicht. Weil allein der Planfeststellungsbeschluss über 1000 Seiten lang ist und die Richter mehrere tausend Seiten Gutachten und Stellungnahmen durchsehen müssen, findet die Hauptverhandlung nun vom 22. September bis 1. Oktober 2020 statt.
Zudem unterstützt der NABU mit Umweltaspekten auch eine Klage der Reederei Scandlines vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). In einem ersten Urteil vom Dezember 2018 hatte das Gericht der Europäischen Union (EuG) bereits festgestellt, dass die Europäische Kommission bei wettbewerbsrechtlichen Fragen zum Finanzierungsmodell fehlerhaft gearbeitet hat. Jetzt muss die EU-Kommission erneut klären, ob das auf Staatsbeihilfen basierende Finanzierungsmodell des Vorhabenträgers Femern A/S – ein staatseigenes dänisches Unternehmen – gegenüber der privatwirtschaftlichen Reederei Scandlines tatsächlich wettbewerbskonform ist. Das ist insofern zweifelhaft, weil das gleiche Modell, das von Femern A/S auch an Öresund- und Storebeltbrücke zum Tragen kam, bereits vom Gericht der Europäischen Union im Nachhinein gekippt wurde. Weil die Entscheidung des EuG vom Dezember 2018 in Teilen nicht eindeutig war, liegt das Verfahren zur Revision aktuell beim EuGH.
25 Jahre Planung, Berge von Akten und Gutachten, sieben Verhandlungstage. Im September 2020 beginnt das größte deutsche Umweltrechtsverfahren der Bundesrepublik. Nur das Verfahren zur Elbvertiefung hatte in Deutschland bisher ein vergleichbares Ausmaß. Eine Chronik der Ereignisse. Mehr →