Alles im Rückblick
Der NABU-Blog zur Bundespolitik 2022
Die Ampelregierung ist seit 2021 im Amt. Der NABU begleitet ihre Arbeit, insbesondere mit Blick auf Natur- und Umweltthemen. Der Blog zum Nachlesen. Mehr →
Wie sieht die Arbeit der Ampel-Koalition aus, gerade im Hinblick auf Natur und Umwelt? Der NABU-Blog zur Bundespolitik bietet dazu Analysen und Meinungsbeiträge.
Bau des Offshore-Windparks Baltic 1 - Foto: NABU/Andreas Fußer
NABU zum Nordseegipfel
04.05.2023 - Laut Nordseegipfel in Ostende soll die Nordsee mit einer Kapazität von 300 GW Offshore-Wind bis 2050 das „grüne Kraftwerk Europas“ werden. Doch wie grün kann ein derartiger Ausbau wirklich sein? Der Gipfel sollte die transnationale Zusammenarbeit der Nordsee-Anrainerstaaten verbessern und verstärken. Leider diskutierten die Anrainerstaaten in Ostende ausschließlich technische und logistische Baustellen, um den Ausbau voranzutreiben. Dabei sind die Flächen in der deutschen Nordsee so knapp, dass die Ausbauziele zwangsläufig Konfliktpotenzial mit sich bringen. Dass die Umweltpolitiker*innen nicht geladen waren, zeigt: Die Diskussion hat gefährliche Schlagseite.
Der große Bedarf erneuerbarer Energien ist unstrittig, genauso sollte es die Relevanz der Biodiversitätskrise sein. Klimaschutz darf nicht zu Lasten des Naturschutzes gehen, so ist es im Pariser Klimaabkommen festgehalten. Doch zuletzt wurden Naturschutzstandards beispielsweise durch das WindSeeG und die Notverordnung rigoros beschnitten, obwohl Umweltverträglichkeitsprüfungen den Offshore-Windausbau nicht maßgeblich verzögern. Seitens der Industrie werden vielmehr fehlende Hafen- und Schiffsinfrastruktur als Bremse genannt. Die Industrie selbst hat freiwillige Umweltverträglichkeitsprüfungen vorgeschlagen und fordert Planungssicherheit.
Der ökologische Zustand der Meere ist heute schon schlecht. Deutschland verfehlt die Ziele der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie krachend. Veränderte Strömungsdynamiken, Sauerstoffgehalte und lokal veränderte Produktion des Phytoplanktons, der Basis des gesamten marinen Nahrungsnetzes, sind nur einige Folgen des Offshore-Windausbaus, der dem Meer weiter zusetzen wird.
Hinzu kommen massive Lebensraumverluste für Seevögel durch die weiträumige Meidung von Windenergieanlagen, Kollisionsrisiken von Seevögeln und wandernder Vögel und Fledermäuse sowie die Lärmbelastung durch Bau und Serviceverkehr insbesondere für Schweinswale, die auf Echoortung zur Orientierung und Nahrungssuche angewiesen sind. Die Großbaustelle für das „grüne Kraftwerk Europas“ wird den Druck nochmals deutlich erhöhen. Gänzlich konträr zu einer naturverträglichen Energiewende erscheinen in Ostende präsentierte Planungen, künstliche Energieinseln in der Nordsee aufzuschütten, dessen zusätzliche ökologische Auswirkungen kaum vorherzusehen sind.
..sowie die Energiesicherheit, uns und unsere Lebensgrundlagen
Ein derartiger Glauben an eine Energietechnik auf Kosten der Biodiversität macht nicht nur sprachlos, sondern birgt erhebliche Gefahren für unsere Lebensgrundlagen und die Energiesicherheit. Es ist Zeit, innezuhalten und zu einem ernsthaft ökosystembasierten Ansatz umzuschwenken. Eine vom NABU beauftragte Studie zu einer möglichst naturverträglichen Flächenkulisse für Offshore-Wind zeigt, welche raumplanerischen Rochaden die Politik einleiten müsste, um das Ziel einer naturverträglichen Energiewende zu erreichen. Mit dem Ausbau von Offshore-Wind müssen Maßnahmen einhergehen, endlich den guten ökologischen Zustand der Nordsee zu erreichen, die Biodiversität zu erhalten und zu schützen.
Wo ist das Miteinander erneuerbarer Energien mit dem Biodiversitätsschutz auf dem Meer?
Es braucht ein entschlossenes Gegensteuern der Umweltminister*innen, die daran erinnern, dass Europa sich über die EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, das Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000 und die EU-Biodiversitätsstrategie zum Schutz der Arten und Lebensräume und ihrer Funktionen im Meer verpflichtet hat. Wie das gelingen kann, hat der NABU in seinem 10-Punktepapier für den Meeresschutz zusammengefasst.
Letztlich müssen BMUV und BMWK an einem Strang ziehen: Unter der Voraussetzung einer naturverträglichen Standortwahl für Offshore Windparks muss der Ausbau mit wirksamen Maßnahmen einhergehen, um eine Trendwende im Meer einzuleiten. Die Branche ist gefordert, sich dabei engagiert und konstruktiv einzubringen.
Dominik Auch, Referent für Marine Raumordnung und Offshorewind
04. Mai 2023 - Dem Namen des Verkehrsministers kann man gerade nicht aus dem Weg gehen. Fast täglich überschlagen sich die Nachrichten, die den Verkehrsbereich und damit Volker Wissing direkt betreffen. Aus Klima- und Naturschutzsicht sind es momentan sehr selten gute Nachrichten, die uns erreichen: Wissing blockiert das Verbrenner-Aus 2035, der Verkehrssektor reißt kontinuierlich die Klimaziele, eine neue Studie der DUH ergab, dass Wissings Politik auf eine Klimaerwärmung von drei Grad zusteuert.
Die Alarmglocken, dass sich in der deutschen Verkehrspolitik dringend etwas ändern muss, schrillen laut. Doch zuletzt hat der Koalitionsausschuss Ende März einen großen Stein in die Gegenrichtung ins Rollen gebracht. Mit der Entscheidung fast 150 Autobahnprojekte zur Engpassbeseitigung zu beschleunigen, will die Regierung an das sogenannte Deutschlandtempo anknüpfen. Dieses wurde bereits bei den fragwürdig vielen LNG-Terminals angewandt. Kaum überraschend ist, dass sobald es um Beschleunigung geht, der Naturschutz als erstes unter die Räder gerät.
Nachdem im Koalitionsausschuss die Beschleunigung bereits zwischen den Parteien der Ampel beschlossen wurde, ist dies sehr schnell in einen Referentenentwurf zur Genehmigungsbeschleunigung im Verkehrsbereich geflossen. Als NABU haben wir den Entwurf bewertet und eine Stellungnahme eingereicht.
Autobahnwahn führt zu effektlosem Priorisierungswahn
Grundsätzlich ist festzuhalten: Wer alles priorisiert, priorisiert gar nichts. Deshalb ist unverständlich, wie eine derartig große Zahl an Projekten beschleunigt werden soll. In sehr vielen Fällen bedeutet Engpassbeseitigung den Ausbau von weiteren Fahrstreifen, wobei dabei Flächen versiegelt und die anliegenden Gebiete beeinträchtig werden. Es ist bewiesen, dass mehr Straßen nur zu mehr Autoverkehr führen und somit die Mobilitätswende in weite Ferne rücken lässt. Der NABU setzt sich für eine klima- und naturfreundliche Zukunft der Mobilität ein und lehnt daher jegliche neue Fernstraßenvorhaben ab. Viel wichtiger wäre es angesichts knapper Ressourcen, Finanzmittel und Fachkräfte, Straßen- und Brückensanierungen zu priorisieren, mehr finanzielle Mittel für die Mobilitätswende bereitzustellen und die zuständigen Behörden personell besser auszustatten.
Herbe Abstriche bei der Umweltverträglichkeitsprüfung
Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) in manchen Planfeststellungsverfahren entfallen zu lassen. Das betrifft Brückensanierungen, auch solche mit zusätzlichen Straßenspuren und neue bis zu zehn Kilometer lange Radverkehrswege, die an bestehende Straßen grenzen. Bei unveränderten Ersatzbauten von Brücken kann der Wegfall hingenommen werden. Allerdings sieht es sehr danach aus, als würde der Gesetzentwurf mit dem Wegfall der UVP bei Brückensanierungen auch eine Spurerweiterung durch die Hintertür ermöglichen wollen, was wir entschieden ablehnen. Aber auch Radwege können durch ihre Beleuchtung und der weiteren Zerschneidungen, Lebensräume zerstören, Artenschutz gefährden und bedürfen daher einer UVP.
Erfolg: Projekte können erst nach Prüfung begonnen werden
Bereits im November kursierte ein Gesetzentwurf, der jetzt den Ergebnissen des Ausschusses angepasst wurde. Die Überarbeitung hat auch ein gutes Ergebnis gebracht: Infrastrukturprojekte dürfen nicht, wie im Fall der Flüssiggas-Terminals, vor der Vollendung des Planfeststellungsverfahrens begonnen werden. Wäre dies unverändert durchgegangen, hätte das gewaltige Eingriffe in die Natur mit sich gebracht. Ein Verfahren, das dann nachträglich abgelehnt worden wäre, hätte die Eingriffe nur im Nachgang mit großen Anstrengungen rückgängig machen können.
Nutzung von angrenzenden Flächen für EEG-Anlagen
Ein interessanter Punkt ist die Nutzung von der an Autobahnen angrenzenden Fläche für die Erzeugung erneuerbarer Energien. Bereits versiegelte Fläche kann so sinnvoll genutzt werden und reduziert die Zahl der Eingriffe in Naturräume für die Energiegewinnung. Die anliegenden Windkraft- und Solaranlagen dürfen aber nicht über die notwendige Klimaneutralität der Autobahninfrastruktur hinweggetäuschen, die damit in keinem Fall erreicht wird.
Niedrigschwellige Beteiligung der Bürger*innen ist ein Muss
Zuletzt bleibt zu betonen, dass eine Beteiligung der Umweltverbände in Planfeststellungsverfahren unabdingbar ist. Wir setzen uns zudem dafür ein, dass Beteiligungsprozesse weiterhin in Präsenz ermöglicht werden und nicht ausschließlich digital stattfinden. Außerdem appellieren wir daran, dass Umweltverbände über neue Verfahren direkt informiert werden. Mit diesen Forderungen wollen wir sicherstellen, dass alle Bürger*innen und natürlich gerade NABU-Mitglieder niedrigschwellig, Einblick in die Verfahren bekommen.
Der Gesetzentwurf beinhaltet 145 Projekte, die „von überragendem öffentlichen Interesse“ seien, der öffentlichen Sicherheit dienen und dementsprechend beschleunigt werden müssten. Die Bundesländer sollten ein Mitspracherecht bekommen, welche ihrer Projekte aus dem Pool der 145 sie durch das Gesetz verwirklichen wollen. Zehn Tage hatten die jeweiligen Landesregierungen Zeit, die Projekte zu prüfen und ihre Bedarfe zu melden.
Zunächst gab es Hoffnung, dass gerade die grünen Landesverkehrsminister aus Hessen, Baden-Württemberg (BaWü) und Nordrhein-Westfalen (NRW) nicht allen Projekten zustimmen. Sie hatten die Rückmeldefrist zunächst verstreichen lassen. Am Ende hat NRW, wo fast die Hälfte aller Autobahn-Projekte verortet sind, jedoch allen zugestimmt. Die Begründung von NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer, dass man die Verantwortung beim Bund lassen wolle und sich daher nicht äußere, ist enttäuschend – muss doch die Verantwortung für Verkehr, aber auch für Natur- und Klimaschutz vor allem von der jeweiligen Landesregierung übernommen werden. Damit wurde eine sehr gute Chance bewusst nicht genutzt, naturunverträgliche und flächefressende Projekte zu stoppen und ein Zeichen gegen den Beschleunigungs- und Straßenbauwahn zu setzen. Auch BaWü hat fast allen zugestimmt, Hessen lässt noch auf sich warten, aber auch hier ist nicht der große Wurf für den Naturschutz zu erwarten.
Am Mittwoch, den 3. Mai, ging der Gesetzentwurf ins Regierungskabinett zur Vorbereitung hin zur Abstimmung im Bundestag. Als Verkehrsteam werden wir den Prozess weiter eng begleiten, und uns dafür einsetzen, dass der Naturschutz nicht noch weiter hinten runterfällt.
Und wir appellieren an den Bundesverkehrsminister: Volker Wissing, kommen Sie zur Vernunft und stoppen Sie den Autobahnwahn!
Wer sich noch einmal über besonders kritische Engpassprojekte informieren möchte, kann diese hier nachlesen.
Pauline Schur, Teamleiterin Verkehrspolitik
Das LNG-Terminalschiff Neptune hat bereits Ende Dezember 2022 im Hafen von Lubmin den Betrieb aufgenommen. - Foto: NABU/Volker Gehrmann
30. März 2023 - Mit Sorge blickt der NABU auf die aktuellen Pläne der Bundesregierung für den Bau weiterer LNG-Terminals, etwa in Wilhelmshaven oder Rügen. Denn sie sind teuer und für den Bedarf überdimensioniert. Die laufenden und geplanten Vorhaben haben nicht nur verheerende Auswirkungen auf Natur und Klima, sie widersprechen auch wissenschaftlichen Auswertungen und aktuellen Prognosen für den zukünftigen Gasbedarf.
Die Überkapazitäten bestätigt das Wirtschafts- und Klimaministerium (BMWK) auf Anfrage des Haushaltsausschusses des Bundestages. Der vom Wirtschaftsministerium prognostizierte Gasverbrauch Deutschlands für 2030 beträgt 74 Milliarden Kubikmeter(m³). Die geplante LNG-Infrastruktur schafft laut BMWK eine Überkapazität von 34 Milliarden m³ für das Jahr 2030. Das entspricht einer fast 50-prozentigen Überversorgung.
Hinzu kommt, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck mit viel Sicherheitspuffer und unambitioniert rechnen lässt. Dies ist vor dem Hintergrund zu erreichender Klima- und Energieeffizienzziele nicht vertretbar. Hier alleine mit Sicherheit, etwa vor Sabotage, zu argumentieren, greift zu kurz. Denn es entstehen enorme Risiken durch Umweltschäden und eine neue fossile Infrastruktur, die den Ausstieg aus dem klimaschädlichen Erdgas hinauszögert.
Dabei ist das geplante LNG-Terminal vor Rügen mit bis zu 38 Milliarden m³ Gas in den Zahlen des BMWK noch gar nicht eingerechnet. Würde das zusätzlich realisiert werden, hätten Deutschland und seine europäischen Partnerländer 2030 also doppelt so viel LNG-Importinfrastruktur wie benötigt. Das LNG-Beschleunigungsgesetz (LNGG) darf deswegen keinesfalls um weitere Projekte erweitert werden.
Zahlreiche Studien von DIW, EWI (vom BMWK beauftragt), new climate institute, IEEFA oder zero carbon analytics kommen mit dem BMWK übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass der geplante Ausbau der LNG-Infrastruktur überdimensioniert ist, in Deutschland wie in Europa. Selbst die jetzt vorhandene Infrastruktur ist nicht voll ausgelastet. Auch in pessimistischen Szenarien und bei einer Schaffung von höchstens 30-40 Milliarden m³ LNG-Kapazität ist die Gasversorgung gewährleistet, zeigen die Studien.
Während in den Analysen also davon ausgegangen wird, dass zusätzliche Planungen verworfen werden können, beharrt das BMWK darauf, Überkapazitäten zu schaffen. Dies sollte aufgrund angespannter Haushalte und begrenzter Ressourcen unbedingt vermieden werden. Denn wir brauchen alle verfügbaren Arbeitskräfte, Materialien, Kreativität, Investitionen und die verbleibende Zeit, um die jüngst im Klimabericht angemahnte Energiewende und CO₂-Einsparungen zu schaffen.
Die Gaspreise sind wieder auf Vorkrisenniveau. Die vorhandenen Ressourcen dürfen nicht durch sinnlose weitere Gasprojekte buchstäblich im Meer versenkt werden, wie die Nord-Stream-Pipelines. Erst letzte Woche wurde bekannt, dass die staatlichen Kosten für die LNG-Terminals erneut um 1,6 Milliarden Euro auf nun rund 12 Milliarden Euro steigen werden. Und um die geplante Infrastruktur in der Zukunft für den Import von Wasserstoff zu nutzen, sind noch weitere Investitionen in Milliardenhöhe notwendig.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Energie- und Klimakrise sollte eine sofortige Überprüfung der LNG-Ausbaupläne anhand des tatsächlichen Bedarfs erfolgen. Diese muss zu einer verhältnismäßigen Lösung führen, die den multiplen Herausforderungen gerecht werden. Deswegen müssen überdimensionierte wie in Wilhelmshaven oder Rügen gestoppt werden.
Steffen Laube, Referent für Windenergie, fossile Energien und Wasserstoff.
08. Februar 2023 – Die Bundesregierung hat sich Anfang dieses Jahres in ihrer eigenen Schnelligkeit bei Gesetzgebungsverfahren zur Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien nochmal überboten. Die von deutscher Seite maßgeblich vorangetriebenen „Go-to-Gebiete“ aus der kürzlich beschlossenen EU-Notfallverordnung sollen direkt in das deutsche Recht überführt werden. Ob das tatsächlich zu einem Booster beim Ausbau der erneuerbaren Energien führen wird, ist höchst fraglich, sind doch ganz andere Hindernisse, wie Lieferschwierigkeiten und personelle Engpässe in den Behörden, die großen Bremser. Erneut werden damit Umweltstandards überhastet abgeschwächt sowie Planungs- und Rechtsunsicherheit geschaffen, anstatt kluge Gesamtkonzepte für eine echte Beschleunigung zu entwickeln.
Worum geht es bei den Go-to-Gebieten?
Ende 2022 wurde die EU-Notfallverordnung für einen beschleunigten Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien im Eilverfahren vom Energierat und ohne Beteiligung des Parlaments beschlossen. Die Notfallverordnung enthält neben vielen verpflichtenden Regelungen auch eine Regelung zu Go-to-Gebieten, die optional auf nationaler Ebene eingeführt werden kann. Die Bundesregierung will diese so schnell wie möglich in deutsches Recht überführen, in dem eine entsprechende Änderung in die bereits im Bundestag behandelte Novelle des Raumordnungsgesetzes (ROG) eingefügt werden soll.
Geplant ist, dass in Gebieten, die für Wind Onshore und Offshore, sowie für Stromnetze vorgesehen sind, bei der Genehmigung von Windenergieanlagen oder Netzausbau keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und keine Artenschutzprüfung mehr durchgeführt werden muss. Für eine hinreichende Berücksichtigung des Artenschutzes reicht laut Gesetzesvorschlag künftig eine strategische Umweltprüfung (SUP) aus, die bei der Ausweisung der Gebiete durchgeführt wurde.
Bei potenziellen Verstößen gegen die Verbotstatbestände des Bundesnaturschutzgesetzes sollen die zuständigen Behörden auf Grundlage vorhandener Daten Schutzmaßnahmen anordnen. Liegen bei der Planung keine Daten vor oder sind Schutzmaßnahmen nicht verfügbar, hat der Betreiber stattdessen eine Geldzahlung zu leisten, die in die Umsetzung der Artenhilfsprogramme fließen soll. Hier besteht eine Ausnahme für den Netzausbau, bei dem unabhängig von der Anordnung von Schutzmaßnahmen Geldzahlungen zu erbringen sind.
Voraussetzungen schaffen, Flächen sichern
Was sich in wenigen Sätzen inhaltlich nüchtern darstellen lässt, kommt in seiner geplanten Ausgestaltung einer Abschaffung des Artenschutzes gleich - denn mit der Einführung von Go-to-Gebieten wird die bisherige Prüfmethode grundlegend umgeworfen. Bisher verweist eine SUP meist auf die notwendige UVP und Artenschutzprüfung, um die Gegebenheiten vor Ort hinreichend berücksichtigen zu können. Sollen diese Prüfungen zukünftig entfallen, müssen Vorbereitungen getroffen werden, um die fehlenden Prüfungen abzufangen. Es braucht zunächst eine Verbesserung der Datengrundlage von Umweltdaten, zum Beispiel durch eine zentrale Datenbank und durch den Aufbau eines bundesweiten Monitorings. Außerdem muss die SUP in ihrer Prüftiefe angepasst werden. Zusätzliche zwingende Voraussetzung ist die Etablierung wirksamer Artenhilfsprogramme, da ansonsten die Ersatzgeldzahlung völlig ins Leere läuft.
Bleibt es bei der jetzigen unüberlegten und übereilten Einführung der Go-to-Gebiete, müssen wenigstens Standorte hoher biologischer Bedeutung, zum Beispiel in und um Schutzgebiete, von der Befreiung von der UVP-Pflicht und Artenschutzprüfung ausgeschlossen sein. Einige Maßnahmen müssen verpflichtende Voraussetzung für die Genehmigung sein, beispielsweise die Abschaltung von Windenergieanlagen an Land für Fledermäuse sowie Abschaltautomatiken bei Massenzug auf See.
Grundsätzlich ist eine räumliche Steuerung wichtig und begrüßenswert. Sie muss aber alle Interessen in den Blick nehmen und sich nicht einseitig auf erneuerbare Energien konzentrieren. Daher muss die Festlegung planerischer Vorranggebiete für Kompensation, Wiederherstellung und Schutz der Natur in die jetzige der Novelle des ROG einfließen. Die Flächensicherung für den Naturschutz sollte auch im Interesse der Bundesregierung sein, wenn die Umsetzung der Artenhilfsprogramme und des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz gelingen soll.
Beschleunigung und Artenschutz, geht das zusammen?
Früher mahnte der NABU die fehlenden Fortschritte beim Ausbau der Windenergie an, jetzt häuft sich seine Kritik, dass Gesetzesinitiativen übereilt sind. Ein Widerspruch? Ganz im Gegenteil – für ein tatsächliches Vorankommen bei der Energiewende braucht es gut durchdachte und umfassende Konzepte statt einer hastigen Aneinanderreihung kleinteiliger Maßnahmen, die sich maßgeblich auf die Verringerung der Umweltstandards konzentrieren. Die großen Hebel für die Beschleunigung, wie beispielsweise Verbesserung der Datengrundlagen müssen dringend in Form eines allumfassenden Ansatzes angegangen werden, um eine echte Beschleunigung für Klima- und Naturschutz zu erreichen.
Rebekka Blessenohl Referentin für Erneuerbare Energien und Naturschutz
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