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Die Schäden des Abbaus sind für Mensch und Natur kaum beherrschbar
Das größte Loch Europas klafft 30 Kilometer nordwestlich von Köln im Boden der Kölner Bucht. Ein paar letzte Schritte auf ebenem Grasland, ein steiler Absturz und die Welt, wie man sie kennt, ist jäh zu Ende. Bis zu 250 Meter tief hat sich der riesige Krater des rheinischen Braunkohle-Tagebaus in die Erde gefressen, eine wüste Fläche in Ockergelb, Rostbraun und Silbergrau. Benannt nach einem Ort, den es längst nicht mehr gibt: Garzweiler. Synonym für knapp 85 Quadratkilometer Mondlandschaft, abgebaggert für die Kraftwerke, deren Schlote am Horizont Abgaswolken in den Himmel pumpen.
Überall dort, wo der Mensch Kohle fördert, schlägt er der Natur tiefe Wunden. Im Namen einer sicheren Energieversorgung fräsen sich Schaufelradbagger, über 200 Meter lange und fast 100 Meter hohe Ungetüme, durch die Kulturlandschaft der deutschen Braunkohle-Reviere bei Köln, Cottbus, Leipzig und Helmstedt. Wälder werden abgebaggert, Hügel umgelagert, Feuchtgebiete trockengelegt und ganze Dörfer dem Erdboden gleichgemacht.
Löchrig wie ein Schweizer Emmentaler
Steinkohle dagegen wird bei uns in Bergwerken abgebaut, für die man Schächte und kilometerlange Stollen ins Erdreich trieb. In Ruhrgebiet und Saarland, wo der Steinkohle-Bergbau eine jahrhundertelange Tradition hat, ist der Untergrund löchrig wie ein Schweizer Emmentaler. Manche Gebiete haben sich dadurch großflächig um bis zu 30 Meter abgesenkt. Immer wieder kommt es zu Erdstößen, weil irgendwo untertage Hohlräume einstürzen – Spätschäden des Steinkohle-Abbaus, die sich größtenteils im Verborgenen abspielen.
Um Kohle fördern zu können, muss die Abbaugrube, egal ob über oder unter Tage, trocken bleiben. Kontinuierliches und großflächiges Abpumpen hält den Grundwasserspiegel für die Dauer des Abbaus unter der Grubensole, das Wasser wird in die umliegenden Flüsse und Seen geleitet. Doch das hat Folgen für die Natur: Bäume sterben, Quellen versiegen und Moore trocknen aus. Das Abpumpen, Fachleute sprechen von „Sümpfung“, könne die Artenvielfalt drastisch verringern und, wenn Brunnen trocken fielen, sogar die Trinkwasserversorgung gefährden, heißt es in einer aktuellen Studie der Heinrich-Böll-Stiftung. Bis das Grundwasser den früheren Pegel wieder erreiche, gingen bis zu 100 Jahre ins Land.
In stillgelegten Tagebauen bringt der Wiederanstieg des Grundwassers allerdings neue Probleme mit sich. Denn im abgebaggerten und umgelagerten Erdreich steckt oft Pyrit, ein goldglänzendes Mineral, das an der Luft zu Sulfat und Eisen verwittert. Das steigende Grundwasser schwemmt beide Stoffe in Flüsse und Seen – zum Schaden für Mensch und Natur, wie sich an der Spree exemplarisch zeigt. Der Fluss spült das Sulfat aus den Tagebauen bei Cottbus bis nach Berlin. Die dortigen Wasserbetriebe, die das Trinkwasser für die Hauptstadt vor allem aus Uferfiltrat gewinnen, haben Konzentrationen von 300 Milligramm pro Liter Spreewasser gemessen.
Leichentuch für Tiere und Pflanzen
Sulfat ist zwar ungiftig, kann in hohen Dosen jedoch Durchfall und Erbrechen verursachen. Wird der Trinkwasser-Grenzwert von 250 Milligramm überschritten, muss aufwendig gefiltert werden. Das Eisen wiederum, das aus den Tagebauen in die Spree geschwemmt wird, fällt als ockerfarbener Schlamm aus und legt sich wie ein dickes Leichentuch auf die Tier- und Pflanzenwelt am Gewässergrund. Der Eisenocker in der Spree zerstört Laichplätze, erstickt Wasserpflanzen und verklebt die Kiemen von Fischen bis hinein in den Spreewald.
Doch Kohle zerstört nicht nur die Landschaft und verschmutzt die Gewässer, sie vergiftet auch die Luft. Der vielbeschworenen Energiewende zum Trotz wird Strom in Deutschland noch immer zu 18 Prozent aus Steinkohle und zu 24 Prozent aus Braunkohle gewonnen. Bei Verbrennung von Braunkohle entstehen zwar weniger Giftgase als bei Steinkohle, doch um die gleiche Menge Strom zu erzeugen, ist dreimal mehr Brennstoff nötig. Deshalb gilt Braunkohle als die schmutzigere Kohle. Das größte deutsche Braunkohle-Kraftwerk Neurath im Rheinland hat im Jahre 2012 unter anderem fast 500 Kilo Quecksilber, 400 Tonnen Feinstaub und rund 31 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Über die Schornsteine der Kraftwerke steigen die giftigen Abgase in große Höhen und verwehen über tausende von Kilometern.
Giftig für das Nervensystem
Insgesamt rund sieben Tonnen Quecksilber pusten die deutschen Kohlekraftwerke Jahr für Jahr in die Atmosphäre. Angedockt an feinste Schwebteilchen hält sich das giftige Schwermetall in der Luft bis es bei einem Regenguss ausgewaschen und in Flüsse und Seen gespült wird. Dort reichert es sich im Fettgewebe von Fischen an, insbesondere bei Thunfisch, Hecht, Aal und Barsch. Das Umweltbundesamt (UBA) empfiehlt, Fisch nur in Maßen zu essen: „Das gilt vor allem in der Schwangerschaft“, warnt UBA-Toxikologin Marike Kolossa-Gehring. Quecksilber sei giftig für das Nervensystem und wahrscheinlich auch krebserregend.
Immerhin: Mit modernster Filtertechnik ließe sich der Quecksilber-Ausstoß der Kohlemeiler weitgehend in den Griff bekommen. Mit dem klimaschädlichen Kohlendioxid, das beim Verfeuern von Kohle zwangsläufig entsteht, geht das jedoch nicht. Das ist fatal, denn über ein Viertel der weltweit ausgestoßenen Klimagase geht auf das Konto der Kohle. Soll die globale Erwärmung bei maximal zwei Grad gehalten werden, eine Grenze, die Wissenschaftler für gerade noch beherrschbar halten, müssten 88 Prozent der gesicherten weltweiten Kohlevorräte im Boden bleiben, heißt es in der Böll-Studie.
Hartmut Netz
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Mit dem fast 2.000 Hektar großen Naturparadies Grünhaus ermöglichen wir in der Niederlausitz eine einzigartige Wildnisentwicklung im Zeitraffer. Über 3.000 Arten bietet das ehemalige Tagebaugebiet bereits eine Heimat, darunter Wiedehopf, Wolf und Kreuzkröte. Mehr →
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