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Jetzt spenden!Natürliches Abführmittel aus der Wüste
Die Koloquinte ist „Heilpflanze des Jahres“ 2012
von Maria Vogel, NHV Theophrastus
Der „Verein zur Förderung der naturgemäßen Heilweise nach Theophrastus Bombastus von Hohenheim, gen. Paracelsus“, kurz NHV Theophrastus, hat die Koloquinte zur „Heilpflanze des Jahres 2012“ gewählt. Im Volksmund wird sie auch im Sinne ihrer Eigenschaften benannt: nach dem Aussehen als „Wilder Kürbis“ oder „Ziegenkürbis“, nach ihrem Geschmack als „Bittergurke“ oder „Bitterapfel“ und nach ihrer dominierenden Wirkung als „Purgiergurke“. Purgieren ist ein aus dem Lateinischen entlehnter Begriff für „reinigen“ im Sinne von abführen.
Im Altertum war die Koloquinte weit bekannt, sie geriet aber später wegen häufigen Missbrauchs in Verruf. „Die Koloquinte verdient es, aus ihrem Mauerblümchendasein befreit zu werden, denn die als Drastikum und giftig geschmähte Pflanze kann mehr als nur abführen“, begründete die Jury ihren Beschluss. Außerdem erhofft sie sich perspektivisch Impulse für „neue wissenschaftliche Forschungsansätze“.
Abführend und harntreibend
Die wichtigsten Inhaltsstoffe von Citrullus colocynthis, so der wissenschaftliche Name, sind die Cucurbitacine, die auch für den bitteren Geschmack verantwortlich sind. Die abführende und harntreibende Wirkung der Koloquinte ist seit Jahrhunderten bekannt. In heutiger Zeit jedoch ist diese Nutzung selten geworden. Volksmedizinisch wird ihr außerdem leberschützende, entzündungshemmende, antiallergische und anthelmintische (gegen Würmer) Wirksamkeit zugeschrieben. Daraus ergeben sich Anwendungen bei Leber- und Galleleiden, Asthma, Wassersucht, Hautausschlägen, Rheumatismus und Geschwüren. In der Homöopathie wird Colocynthis bei Krämpfen des Magen-Darm-Traktes, des Gallesystems und der Harnorgane, sowie bei Nervenschmerzen und -entzündungen verwendet.
Die ursprüngliche Heimat der Koloquinte ist ein Gebiet von Nordafrika über Arabien bis nach Südwestasien. Dort wächst sie in Steppen und Halbwüsten, auf lehmigen Böden oder in Wadis – Flussläufe, die nur nach Regenfällen Wasser führen – und kann sogar in einer Höhe von 1200 Metern über dem Meeresspiegel gedeihen.
Wüstenpflanze mit zwei Meter langen Trieben
Die Koloquinte ist ein mehrjähriges Kürbisgewächs. Durch ihre dicke, fleischige Wurzel ist sie in der Lage, Wasser zu speichern und lange Trockenzeiten zu überleben. Im zeitigen Frühjahr beginnt sie auszutreiben. Es wachsen ein bis zwei Meter lange am Boden liegende Triebe. Daran entwickeln sich die für eine Wüstenpflanze untypisch großen herzförmigen Blätter. Sowohl Stängel als auch Blätter sind zum Schutz vor Verdunstung rau behaart. Die heranreifenden Früchte sind zunächst grün, erreichen etwa die Größe eines Apfels, und färben sich mit zunehmender Reife gelb. Dann haben sie saftiges, weißes, bitter schmeckendes Fruchtfleisch mit etwa sechs Millimeter langen Samen. Nicht geerntete Früchte trocknen aus, lösen sich von der Pflanze und werden vom Wüstenwind hin und her getrieben, wodurch sich ihre Samen verbreiten.
Früchte aus den südöstlichen Gebieten Marokkos, die auch nach Deutschland geliefert werden, stammen aus Wildsammlungen. „Wir ernten die Koloquinten in fast oder ganz ausgereiftem Zustand“, sagt Bioprospektor Thomas Friedrich. „Ab Oktober bis in den Februar hinein kann geerntet werden. Die Früchte werden aufgeschnitten, geschält und entkernt. Ideal ist die Trocknung des geschnittenen Fruchtfleisches im heimatlichen Klima nahe der Wüste.“ Die nicht benötigten, ausgereiften Samen bringt der erfahrene Sammler wieder zurück in die Natur, an Stellen, welche gute Voraussetzungen für eine Keimung bieten.
„Wer der Coloquint frißt, der muß zum Stuhl“
Der Handel mit Koloquinten und deren Anwendung scheint bereits im Altertum sehr verbreitet gewesen zu sein. Ein spezielles Rezept war schon den alten Griechen und Römern bekannt: Ein ausgehöhlter Koloquintenapfel wurde mit Wein gefüllt, erwärmt und der Inhalt als Abführmittel getrunken. Auch im Alten Testament wird im Buch der Könige von der Frucht berichtet und die Blätter des wilden Kürbisses waren ein Dekorationsmotiv am Salomonischen Tempel. Der römische Arzt Dioskurides aus dem ersten Jahrhundert nach Christus, der bis ins 16. Jahrhundert hohes Ansehen genoss, benutzte den Saft der frischen Frucht äußerlich gegen Ischias.
Paracelsus (1493–1541) erwähnt die Frucht häufig und formuliert in der damaligen drastischen Sprache: „Wer der Coloquint frißt, der muß zum Stuhl.“ In seinen Schriften warnt er vor falschem Gebrauch von Arzneien und verwendet dabei beispielhaft die in vergangenen Zeiten häufig missbrauchte Koloquinte. Ähnliche Hinweise findet man auch in anderen Kräuterbüchern dieser Zeit.
Die Koloquinte in ihrer Heimat
In ihrer Heimat ist die Koloquinte ein bekanntes Gewächs. Ihr typisch bitterer Geschmack ist in vielen blumigen Redensarten des Morgenlandes zu finden, zum Beispiel „Die Koloquinte schmeckt dem Glücklichen süßer als die Feige dem Unglücklichen.“ Traditionell wird aus Koloquintenkörnern und Datteln ein nahrhaftes Getränk hergestellt und Samen von mitunter eher süßlich schmeckenden Koloquinten werden zu Mehl verarbeitet, welches dann zu Fladen verbacken oder als Brei gegessen wird.
In Kombination mit Gummi arabicum wurde die Koloquinte gegen Lähmungen und Krämpfe verwendet und die pulverisierten Samen waren als Wurm- und Abführmittel bekannt. Noch heute verwendet die einheimische Bevölkerung aufgeschnittene, frische Früchte zur Auflage bei Gelenkschmerzen oder bei Bisswunden durch giftige Tiere. Auch in der Tierheilkunde kommen Samen oder Früchte bei Hautkrankheiten zum Einsatz. Trotz ihres bitteren Geschmacks sind die Früchte oft die letzte Wasserquelle für Gazellen, Ziegen, Esel und andere Tiere. Ihrem Instinkt folgend, fressen sie nur kleine Mengen, welche unschädlich sind.
Kein Mittel zur Selbstmedikation
Die Koloquinte ist ein klassisches Beispiel für den Umgang mit hochwirksamen Heilpflanzen. Paracelsus formulierte: „Alle Dinge sind ein Gift und nichts ist ohne Gift, nur die Dosis bewirkt, dass ein Ding kein Gift ist.“ Das trifft auf die Koloquinte ebenso zu, wie etwa auf den einheimischen Fingerhut (Digitalis), welcher in verschiedenen Präparaten als anerkanntes Herzstärkungsmittel fest etabliert ist.
Fehlanwendungen durch Unwissen sind heute vermeidbar. Es ist ausreichend bekannt, dass überhöhte Dosen der Koloquinte einen zu drastischen Abführ-Effekt mit entsprechend unangenehmen Folgen führen können. Medizinisch sensible Verordnung und die vorschriftsmäßige Einnahme sind Voraussetzungen für die positiven Wirkungen auch dieser Heilpflanze. Deshalb ist die Koloquinte kein einfaches Hausmittel zur Selbstmedikation, sie gehört in die Hände erfahrener Therapeuten.
Quellen:
- Leonhart Fuchs: New Kreuterbuch. – Basel 1543.
- Karl Hammer, Thomas Glasdis & Marina Hethke: Kürbis, Kiwano & Co. – Vom Nutzen der Vielfalt, Band 1. Universität Kassel 2002.
- Rudolf Hänsel & Otto Sticher: Pharmakognosie – Phytopharmazie. – Springer, 9. Aulfage, Heidelberg 2010.
- Mirjam Hirsch: Die Apotheke der Beduinen. – in: Natur & Heilen, 12/2009.
- Gerhard Madaus: Lehrbuch der Biologischen Heilmittel. – Georg Thieme Verlag. Leipzig 1935.
- Hans-Jürgen Maskos: Isolierung und Strukturaufklärung neuer pharmakologisch aktiver Cucurbitacine. – Inaugural-Dissertation, Universität Marburg 1988.
- Paracelsus: Sämtliche Werke. – Hrg. Bernhard Aschner. Verlag Gustav Fischer, Jena 1926–1932.
- Paracelsus: Ander Theil der Bücher und Schrifften des Edlen Hochgelehrten und Bewehrten Philisophi unnd Medici Philippi Theophrasti Bombast von Hohenheim, Paracelsi genannt. – Hrg. Johannes Huser. Basel 1589, S. 127.
- Vernea Schatanek & Hocine Elkharassi: Sahara – Tiere, Pflanzen, Spuren. – Kosmos-Verlag. Stuttgart 2006.
- Helga Venzlaff: Der marokkanische Drogenhändler und seine Ware, Ein Beitrag zu Terminologie und volkstümlichem Gebrauch traditioneller arababischer Materia medica. – Franz Steiner Verlag. Wiesbaden 1977.
- Bruno Vonarburg: Homöotanik, Band 4. Extravagante Exoten. – Karl F. Haug Verlag. Stuttgart 2005.