Ganz schön winzig: Lindenwanzen mit Daumen als Größenvergleich. - Foto: Helge May
An Linden ist gut kuscheln
Ein Einwanderer aus dem Mittelmeerraum erreicht Norddeutschland
Die Lindenwanze stammt ursprünglich aus dem Mittelmeerraum und tritt erst seit einigen Jahren auch nördlich der Alpen auf. Dort sorgt sie bisweilen für leichte Panik, da sie sich im Frühjahr und Herbst in Massen an der Rinde ihres Wirtsbaumes versammelt. Das können Tausende bis Zehntausende Wanzen pro Baum sein, meistens Winterlinden.
Neben Linden nutzt die auch Malvenwanze genannte Lindenwanze (Oxycarenus lavaterae) Haselsträucher und Malvengewächse wie Stockrosen, Hibiskus, Eibisch und Strauchpappeln. Im Herbst sammeln sich die Tiere jedoch fast ausschließlich an Linden, wo sie in Rindenritzen als Kolonien überwintern.
Die Vorliebe für die Kombination Malve/Linde teilt die Art mit der Feuerwanze. Gut möglich, dass die spezielle Nährstoffkombination beider Pflanzen ähnlich ist. Denn auch wenn es sich einmal um Bäume und einmal um Stauden handelt, die auf den ersten Blick nichts gemein haben, sind Linden und Malven botanisch eng verwandt.
In Normalwintern wird vermutet, dass in Mitteleuropa ein Großteil der Lindenwanzen die kalte Jahreszeit nicht übersteht. Im milden Winter 2019/20 dagegen konnte man die Tiere an sonnigen Tagen vielerorts ununterbrochen an den Lindenstämmen sitzen sehen, sie haben sich noch nicht einmal in die Stamm- und Wurzelritzen zurückgezogen.
Nach der Paarung im Frühjahr legen die Weibchen die Eier in Rindenritzen ab. Die Larven und die erwachsenen Tiere wandern in die Baumkrone, sobald der Baum belaubt ist. Dort saugen sie Saft aus den Blättern und nicht verholzten Teilen. Der Wirtsbaum erleidet dabei keinen Schaden. Die Entwicklung von der Larve zur ausgewachsenen Wanze dauert rund einen Monat. Je nach Temperatur sind daher mehrere Generationen pro Jahr möglich, im ursprünglichen Verbreitungsgebiet in Südwesteuropa und Nordafrika drei bis vier.
Lindenwanzen sind vier bis sechs Millimeter groß und schwarz-rot gefärbt. Die Anordnung der dreieckigen schwarzen und roten Farbflächen erinnern an Wappenschilder oder alte Uniformen. Durch die auffallende Färbung und die silbernen schimmernden Flügelmembranen ist die Art leicht zu erkennen und praktisch unverwechselbar. Die Larven haben einen dunkelroten Hinterkörper mit schwarzem Flügelansatz – aber ohne Flügel –, Brustbereich und Kopf.
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Die ebenfalls an Linden vorkommende Feuerwanze ist optisch deutlich unterscheidbar und wesentlich größer als die Lindenwanze. Hier beide Arten zusammen. - Foto: Harald Schnöde/www.naturgucker.de
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Die Gemeine Feuerwanze teilt mit der Lindenwanze die Vorliebe für Linden und Malven. Foto: Helge May
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Larven der Gemeinen Feuerwanze - Foto: Helge May
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Aus der Larvenhaut geschlüpfete Gemeine Feuerwanze, die schwarze Farbe bildet sich erst mit dem Aushärten des Chtinpanzers aus. - Foto: Helge May
Wie die Gemeinen Feuerwanzen, die häufig zusammen mit den Lindenwanzen anzutreffen sind, kann man auch die ausgewachsenen Lindenwanzen oft in Kopulationsstellung beobachten – also an den hinteren Körperöffnungen zusammengekoppelt und mit den Köpfen in entgegengesetzter Richtung schauend.
15 Jahre nach dem ersten Nachweis am Oberrhein ist die Lindenwanze mehr oder minder flächendeckend bis zu einer Linie Münsterland-Hannover-Berlin vorgedrungen, die nördlichsten Naturgucker-Sichtungen stammen aus Anklam und von der Insel Usedom (Stand 1. März 2022, siehe Karte in der oberen Bildergalerie). Weitere Beobachtungsmeldungen sind sehr erwünscht, denn sicher hat sich die Art bereits noch weiter verbreitet als bekannt.
- Eigene Beobachtungen der Lindenwanze im NABU-Naturgucker online melden
- Infos, Bilder und Verbreitungskarten zur Lindenwanze
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