In diesen Zeiten schöpfen wir besonders viel Kraft in der Natur. Werden Sie NABU-Mitglied und helfen Sie mit, damit wir die Natur auch in Zukunft genießen können.
Jetzt NABU-Mitglied werden!Der Pirol fühlt sich im Osten wohl
Detaillierte Auswertung der „Stunde der Gartenvögel 2008“
Am Pfingstwochenende vom 9.-12. Mai hielten rund 45.000 Vogelfreunde eine Stunde lang Ausschau nach Vögeln, die sie im eigenen Garten oder vom Balkon aus entdecken konnten. Es wurde eifrig gezählt, so dass am Ende die Beobachtungen von fast einer Million Vögeln aus insgesamt 26.371 Gärten ausgewertet werden konnten.
Bei der "Stunde der Gartenvögel" kann jeder mitmachen - eben ganz im Sinne von "Citizen Science"-Projekten, die in England und den USA schon länger großen Anklang finden. Was schaffen die Laien, was Fachleute nicht leisten können? Ihre Stärke liegt darin, mit einfachen Mitteln nahezu flächendeckend Momentaufnahmen über die Vorkommen häufigerer Vogelarten zu liefern. Die Datenmenge ist so groß, dass die relative Häufigkeit solcher Arten landkreisgenau dargestellt werden kann.
Die häufigsten Arten
Als insgesamt häufigster Vogel in Städten und Dörfern entpuppte sich der Haussperling mit rund 135.000 Sichtungen. Durchschnittlich fünf Spatzen wurden pro Garten gezählt. Sein Verbreitungsschwerpunkt liegt nach Auswertung dieser Zahlen in der östlichen Hälfte Deutschlands, vor allem in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Den Großstadtrekord verzeichnete Berlin mit mehr als sieben Spatzen pro Garten. In den Ballungszentren von Nordrhein-Westfalen hingegen verwies die Amsel den Haussperling auf Platz zwei. Auch in den meisten westdeutschen Großstädten wie Hamburg, Frankfurt oder Stuttgart wurden mehr Amseln als Spatzen gezählt, in München reichte es dem Haussperling sogar nur für den fünften Platz. Hier wurden durchschnittlich nur noch 1,5 Spatzen pro Garten gezählt.
Auf den Plätzen drei bis fünf folgten bundesweit die Kohlmeise, der Star und die Blaumeise und damit weitere klassische Vertreter der Vogelwelt rund um Haus und Garten. Überraschend und erfreulich platzierte sich bereits im Anschluss die Mehlschwalbe bundesweit erstmals an sechster Stelle. Nachdem ihre Zahlen in vielen Teilen Europas schon seit längerem zurückgehen, befinden sich die bevorzugt in Kolonien siedelnden "Hausschwalben" möglicherweise bei uns wieder im Aufwind. Am weitesten hatten die Mehlschwalben in Hessen und Rheinland-Pfalz die Schnäbel vorn: Hier erreichten sie sogar Platz drei. Auf den bundesweiten Plätzen sieben bis zehn folgten schließlich Elster, Mauersegler, Grün- und Buchfink.
Beinahe drei Viertel aller Beobachtungen entfielen auf die zehn häufigsten Arten. Unterhalb der "Top Ten" sind die selteneren Besucher unserer Dörfer und Städte anzutreffen. Doch wurden auch Rotkehlchen oder Hausrotschwanz (Platz 11 und 12) durchschnittlich immerhin einmal pro Garten gesichtet oder gehört.
Räumliche Verteilung der Gartenvögel
Je mehr Daten bundesweit vorliegen, desto aussagekräftiger sind auch Verbreitungskarten, die die Individuenzahlen pro Landkreis zeigen. Auch häufigere Vogelarten haben zum Teil ganz markante räumliche Schwerpunkte. Zu den Arten, die sich besonders auf den Nordwesten Deutschlands konzentrieren, zählen Buchfink, Heckenbraunelle, Zaunkönig und Singdrossel. Auch Ringeltauben wurden nirgendwo sonst so häufig gemeldet wie im Norden und Westen von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Umgekehrt wurden nicht nur Haussperlinge, sondern auch Star, Bluthänfling, Feldsperling oder Pirol im Osten häufiger angetroffen. Auch Rauchschwalben sind demnach im (Nord-)Osten sowie in Teilen Schleswig-Holsteins zahlreicher vertreten als in den übrigen Teilen Deutschlands. Der Gartenrotschwanz erreichte seine Spitzenwerte innerhalb eines geschlossenen Areals, das sich über Mecklenburg-Vorpommern und das nördliche Brandenburg erstreckt. Auch der Kuckuck - Vogel des Jahres 2008 - scheint östlich einer Linie zwischen Lindau und Bremen geeignete Lebensbedingungen öfter vorzufinden. Girlitze wurden vor allem entlang eines Gürtels von Südwestdeutschland bis nach Sachsen gemeldet. Die hier entstandene Verbreitungskarte passt recht gut zur Ausbreitungsgeschichte der Art und anschließenden Rückzugstendenzen, wie sie aus atlantisch geprägten Regionen bereits dokumentiert worden sind.
Viele dieser regionalen Unterschiede und Besonderheiten sind während der vierjährigen Laufzeit der "Stunde der Gartenvögel" konstant geblieben. Man wird diese Übereinstimmung auch als Hinweis auf die Datenqualität werten dürfen.
Der Blick über den Garten hinaus
Nicht wenige Vogelfreunde, die sich an der Aktion beteiligten, schauten auch über die Baumwipfel ihrer Gärten hinaus und entdeckten dabei etliche "Überflieger", die zwar kaum zu den "Gartenvögeln" zählten, aber dennoch interessante Hinweise lieferten. So wurden unter anderem 1731 Rotmilane gemeldet, deren Herkunft die Kerngebiete des gabelschwänzigen Greifvogels zeigt, die im Süden der Magdeburger Börde, in Hessen, in Rheinland-Pfalz und am westlichen Bodensee liegen.
Die "Exoten"
Bei einer Aktion wie der "Stunde der Gartenvögel" ist natürlich auch mit einigen Raritäten zu rechnen, die aber keineswegs gleich auf Fehlbestimmungen zurückgehen müssen. Der entflogene Kanarienvogel gehört hier ebenso dazu wie die Beobachtung exotischer Halsbandsittiche. Bekanntlich fühlen sich Halsbandsittiche schon seit Ende der 60er Jahre entlang des Rheins zu Hause, sowohl von Bonn über Köln bis Düsseldorf wie auch im Raum Mainz-Wiesbaden. Weitere Meldungen stammen aus der Umgebung von Heidelberg und Mannheim. Die Karte mit exakt 200 Sichtungen zeigt recht genau die wenigen Stellen, auf die sich die inzwischen wild lebenden Vorkommen der Halsbandsittiche in Deutschland heute konzentrieren.
Trends über die Jahre
Die Aktion läuft seit 2005. Gemessen an der durchschnittlichen Anzahl gemeldeter Individuen pro Garten deuten sich bei mehreren Vogelarten Zu- oder Abnahmen an. Zu den Arten, die im Laufe der vier Jahre häufiger gemeldet wurden, zählen unter anderem Rauch- und Mehlschwalbe, Rotkehlchen, Zaunkönig, Ringel- und Türkentaube, Dohle und Zilpzalp. Rückläufige Zahlen wurden dagegen beim Haussperling, bei Kohl- und Blaumeise, bei der Singdrossel und beim Buntspecht festgestellt.
Die ebenso populäre wie hilfreiche Aktion soll auch im nächsten Jahr fortgesetzt werden. NABU und LBV hoffen, dann von vielleicht noch mehr Teilnehmern Gartenvogelmeldungen zu erhalten. Denn nicht zuletzt liegt in der Menge eingesendeter Beobachtungen auch der Schlüssel zur Genauigkeit der Ergebnisse. So kann die "Stunde der Gartenvögel" dazu beitragen, dass sich das Bild von der Vogelwelt in unseren Städten und Dörfern von Jahr zu Jahr weiter vervollständigt. Mindestens ebenso hoch zu bewerten ist aber, wie viele Menschen mit dieser Aktion auf die Natur in ihrer eigenen Umgebung aufmerksam gemacht werden, und wie viel Interesse und Begeisterung sich damit wecken lässt. Sollte sich auch die Zahl naturnah gestalteter Gärten in den kommenden Jahren erhöhen, wäre letztlich auch das vielleicht wichtigste Ziel der Aktion erreicht.