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Die Globalisierung der Wirtschaft beeinträchtigt auch den Naturschutz
Der Wind hat sich gedreht. Im sechsten Amtsjahr der rot-grünen Bundesregierung ist vom ökologischen Umbau der Industriegesellschaft nicht mehr viel zu spüren. Nur noch ein Ziel steht im Mittelpunkt der Politik: Deutschland im internationalen Wettbewerb fit zu machen. Dabei beschränkt und verhindert dieser immer härtere internationale Wettbewerb und der stärkere wirtschaftliche Austausch über Grenzen hinweg Umwelt- und Naturschutz gleich in mehrfacher Hinsicht.
Zunächst einmal ist mit mehr Welthandel mehr Verkehr verbunden und das steigert auch den Energieverbrauch. Neun Prozent des menschengemachten Treibhauseffektes sind inzwischen auf den Flugverkehr zurückzuführen. Der Lärm und die Verstopfung der Straßen mit LKWs macht das Problem auch bei uns sichtbar. Weniger offensichtlich sind die Auswirkungen der internationalen Wirtschaftsinstitutionen wie Welthandelsorganisation (WTO), Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF).
Regenwaldzerstörung zum Schuldenabbau
Beispiel Internationaler Währungsfonds: Der IWF macht mit seinen so genannten Strukturanpassungsmaßnahmen Druck auf die insgesamt 80 hoch verschuldeten Staaten, ihre Exporterlöse zu erhöhen. Seit der großen Finanzkrise in Süd-Ostasien etwa holzt Indonesien seinen Regenwald viel schneller ab. Ähnlich läuft es in den verschuldeten Ländern Zentralafrikas. Die Folge: Unwiederbringlich gehen Tausende von Tier- und Pflanzenarten verloren.
Unter dem gleichen Druck sprießen in vielen Ländern Tourismusprojekte aus dem Boden, die zusätzliche Deviseneinnahmen bringen sollen. Dabei wird auf ökologische Fragen wenig Rücksicht genommen. So wächst der Golftourismus rasant an und es entstehen riesige Golfplätze. Besonders in trockenen Regionen kommt es zu Ressourcenkonflikten, da der Zugang zu Wasser, Strom und Land nicht mehr gewährleistet ist. Der Betrieb eines 18-Loch-Golfplatzes in Trockengebieten braucht 1.500 bis 2.000 Kubikmeter Wasser am Tag. Unter den zwanzig Staaten mit der geringsten Wasserverfügbarkeit finden sich viele beliebte Urlaubsländer wie Malta, Singapur, Barbados, die Anrainerstaaten am Roten Meer, die Kapverdischen Inseln und Kenia.
Im Jahr 1850 waren weltweit noch 33.000 Kubikmeter Trinkwasser pro Jahr und Person verfügbar, 1990 waren es nur noch 8.500 Kubikmeter. Dieser Trend setzt sich fort. In vielen Ländern wird die Trinkwasserversorgung privatisiert. Argument hierfür ist die angeblich höhere Effektivität privater Unternehmen. So verlieren Regierungen an Einfluss auf die Wasserversorgung der Bevölkerung. Hinzu kommt, dass Bau und Betrieb der Tourismusanlagen meist nicht an die regionalen Wirtschaft sondern an internationale Konzerne übergeben wird. Besonders in Billig-Ferienzielen profitiert die Bevölkerung kaum vom Tourismus und bleibt auf Müll und Umweltzerstörung sitzen.
Umkehr der Beweislast
Beispiel WTO: Die Welthandelsorganisation hat sich zum Ziel gesetzt, alle Schranken im Welthandel zu beseitigen. Dabei kommt es regelmäßig zu Konflikten mit ökologischen Zielen und sogar internationalen Umweltabkommen. Ein aktuelles Beispiel betrifft die Gentechnik. Im Cartagena-Protokoll der Vereinten Nationen wird ausdrücklich das Vorsorgeprinzip festgeschrieben: Der Exporteur von gentechnisch verändertem Material muss vor der Zulassung die Ungefährlichkeit nachweisen. Die WTO aber fordert in ihren Abkommen das Gegenteil: Hier muss das Empfängerland die Gefährlichkeit beweisen, sonst hat es kein Recht, die Einfuhr von gentechnisch veränderten Organismen zu verbieten. Wer dem nicht gehorcht, kann durch das "Streitschlichtungspanel" der WTO zu hohen Strafzöllen auf die eigenen Produkte verurteilt werden. So zahlen europäische Exporteure nach einer solchen Panelentscheidung derzeit kräftig Strafzölle wegen der Weigerung der EU, Rindfleisch mit Rinderwachstumshormonen aus den USA zu importieren.
Innerhalb der WTO wird derzeit über das GATS-Abkommen zur Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen verhandelt. Wenn es nach dem Bundeswirtschaftsministerium und vielen anderen Freunden der unbeschränkten Globalisierung geht, sollen in Zukunft auch umweltrelevante Bereiche wie Wasser, Energie, Verkehrs und Tourismus dereguliert, privatisiert und dem Freihandel zugänglich gemacht werden. So fordert die EU mit Unterstützung der Bundesregierung von zahlreichen Entwicklungsländern die Marktöffnung bei der Wasser- und Energieversorgung. Die ökologischen Folgen wie auch die Auswirkungen auf die Versorgung weniger zahlungsfähiger Menschen in den armen Ländern wären erheblich.
Naturschutz als Investitionshemmnis
Die schwerwiegendsten Auswirkungen der wirtschaftlichen Globalisierung kommen jedoch aus der weltweiten Konkurrenz um Investitionen. Da das Kapital heute nicht mehr an irgendein Land gebunden ist, konkurrieren alle Staaten um Investitionen. Dabei versucht die Politik alles aus dem Weg zu räumen, was hinderlich sein könnte. Dazu gehören neben Steuern auf die Gewinne der Unternehmen und den sozialen Standards der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch Umweltschutzbestimmungen.
Auf nationalstaatlicher Ebene ist den Interessen des international mobilen Kapitals kaum noch beizukommen. Deshalb kommt es darauf an, soziale, ökologische und demokratische Regeln zunehmend international zu verankern. Einfach wird das nicht werden, denn mächtige Interessen in Wirtschaft und Politik haben daran wenig Interesse. Um so mehr kommt es darauf an, dass Bürgerinnen und Bürger den Prozess der Globalisierung in die eigenen Hände nehmen. Das Weltsozialforum, Attac, die Proteste bei den Treffen der internationalen Institutionen sind ein Zeichen für die entstehende internationale soziale Bewegung, die der Globalisierung ein anderes Gesicht geben will. Gerade Umweltgruppen aus den Entwicklungsländern sind überall mit dabei.
"Global denken - lokal und global handeln" sollte daher das neue Motto aller Natur- und Umweltschützer sein. Denn bei nur lokalem Handeln wird die Umwelt bald ganz schön alt aussehen.
Melanie Diller und Sven Giegold
"ÖkologieGlobal - die ökologischen Grenzen der Globalisierung" heißt eine neue bundesweite Bildungskampagne, die die globalisierungskritische Diskussion in der Umweltbewegung anstoßen soll. Angeboten werden Vorträge, Seminare und Workshops sowie Bildungsmaterialien. Infos bei ÖkologieGlobal, Artilleriestraße 6, 27283 Verden, Tel. 0 42 31-95 75 45, info@oekologieglobal.de, www.oekologieglobal.de.