Am Unteren Niederrhein ist ein wichtiges Brutgebiet für den stark gefährdeten Kiebitz – doch auch hier lauern viele Gefahren. Bitte helfen Sie dabei, die Kinderstuben des kleinen Vogels zu schützen!
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Im Land der Himmelsteiche
Naturschutz als Gratwanderung zwischen Ökologie, Tourismus und Landwirtschaft
von Hartmut Netz
Sachte streicht der Wind über das Schilf. Dicht an dicht stehen die Halme; beinahe wähnt man sich am Rande eines Ährenfeldes. Doch es ist ein Teich, klein, nicht einmal ein Hektar groß und bekannt für das "Starenwunder": Sobald die Sonne hinter den Baumwipfeln versinkt, prasselt es herein; in immer neuen Wellen wogen die Stare herab vom Hochwald ins Schilf; eine volle Stunde lang brodelt die Luft, bis auch der letzte seinen Schlafhalm gefunden hat. Jeden Abend geht das so, immer zur gleichen Zeit, den ganzen August und September lang.
Der Starenteich ist pulsierendes Herz einer einzigartigen Landschaft südwestlich von Gera auf einer Hochfläche des Ostthüringer Schiefergebirges. "Land der 1000 Teiche" nennt sich das 75 Quadratkilometer große Fleckchen Erde, das wegen seiner vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt unter Natur- und Landschaftschutz steht. Die Region ist dünn besiedelt; die Menschen leben von der Landwirtschaft. Man hält Milchvieh, züchtet Rinder und die Landschaft ist geprägt von Getreidefeldern. Auch die Teiche sind bewirtschaftet; dominierend ist der Karpfen.
Bis zu den Knien im Schlick
Einen Kilometer Luftlinie vom Starenteich entfernt steht das Pfahlhaus. Rotbraun leuchtet es im Sonnenlicht, die Holzschindeln des Steildachs schimmern in hellem Grau. Das Haus stammt aus dem 17. Jahrhundert; errichtet wurde es damals auf 90 Lärchenstämmen, die man in den schlammigen Grund des Plothener Hausteichs rammte. Einst diente das Pfahlhaus als Jagdhütte, heute beherbergt es ein kleines Museum. Wer mehr über das Dreba-Plothener Teichgebiet erfahren will, ist hier richtig.
"Alle zwei Jahre wird der Hausteich abgelassen", erzählt Katja Böhm, die in der Bohlenstube des Museums gerade die Fensterladen aushängt. "Dann waten die Fischer bis zu den Knien im Schlick und ziehen die Karpfen raus." Die Ursprünge der Teichwirtschaft reichen zurück bis ins Mittelalter. Mönche der umliegenden Klöster legten die Teiche an; sie schufen ein kunstvolles System aus Gräben und Kanälen, das die Teiche miteinander verbindet. Auf diese Weise ist es möglich, das gesamte Teichgebiet von unten nach oben zu entleeren ohne Wasser zu verschwenden, denn die höherliegenden Teiche füllen die tieferliegenden auf. Den Rest erledigen heftige Regenfälle, die die Pegel der höchstgelegenen Teiche wieder anheben: "Himmelsteiche", nennt man sie deshalb auch.
Güllebecken unter Naturschutz
Folgt man dem von Eichen und Birken beschatteten Damm, stößt man bald auf die Straße nach Dreba. Hier beginnt das Naturschutzgebiet, in dem sich noch Reste von Borstgrasrasen und Sumpfdotter-Feuchtwiesen finden. Im Uferschilf der Teiche brüten Zwerg- und Haubentraucher, im dichten Unterholz nisten Reiher- und Knäkente und am Himmel ziehen Rohrweihe und Seeadler ihre Bahnen. Unter Naturschutz stehen auch die ehemaligen Güllebecken einer stillgelegten Schweinemast-Großanlage. Der NABU hat das Gelände gepachtet, denn für die Vogelwelt sind die Becken mittlerweile ein unverzichtbarer Lebensraum. Hier nisten unter anderem Wasserralle, Teichralle und das scheue Tüpfelsumpfhuhn, das durch seinen ruckartigen Gang mit nickendem Kopf und wippendem Schwanz auffällt.
Das Dreba-Plothener Teichgebiet ist wie geschaffen zum Angeln, Wandern und Radeln. Deshalb war es bereits zu DDR-Zeiten ein beliebtes Erholungsgebiet - ein Zeltplatz und die Datschen, die zwischen dem Grün am Nordufer des Hausteichs hervorlugen, zeugen davon. Am Nordufer liegt auch eine Gruppe von Holzhäusern im modernen Stil. Das ist die Jugendherberge. Der Herbergsvater heißt Karl-Heinz Heilmann, ein hemdsärmeliger Mann, der seine jugendlichen Gäste für die Schönheiten der Natur zu begeistern sucht. Die Zukunft der Region liege im sanften Tourismus, glaubt Heilmann. Jedoch fehle die touristische Infrastruktur. "Es gibt weder einen öffentlichen Bootsverleihn noch einen öffentlichen Fahrradverleih", zählt er auf. Am meisten ärgert Heilmann, dass es keine Bus- oder Bahnverbindung ins Teichgebiet gibt.
Gästeschwund in Plothen
Verlässt man die Herberge Richtung Plothen, stößt man nach 500 Metern auf die Infostelle Naturschutz, die in einer geduckten Holzhütte residiert. NABU-Ortschef Jürgen Auerswald, ein weißhaariger Mann mit scharfgeschnittenem Gesicht, steht im Garten und redet sich warm. Die Intensivierung der Teichwirtschaft habe der Natur geschadet; von ehemals 2.000 Teichen seien nur noch 600 übrig; man habe sie zusammengelegt, das Uferschilf abgeholzt und die Fischbestände mit Chemie gepäppelt.
"Aber jammern hilft nichts", sagt Auerswald. "Man muss Kompromisse schließen." Beispielsweise, indem man die Fischer von den Vorteilen traditioneller, naturverträglicher Bewirtschaftung überzeuge. Denn ohne berufsmäßige Teichwirtschaft sei das gesamte Gebiet gefährdet.
Was Auerswald meint, erfährt man in Plothen, einem Dorf mit 300 Einwohnern. Der Dorfladen hat nur noch einmal pro Woche geöffnet, die Poststation wurde kürzlich dicht gemacht. Hans-Joachim Semmler, ein massiger Mann, der den Gasthof "Zum Plothenteich" in fünfter Generation führt, kämpft mit Gästeschwund. Mit einer Handbewegung umschließt er seinen Besitz: "Das hier kann ich ja nicht mitnehmen." Es bleibt die Erkenntnis: Verlassen die Menschen mangels Perspektive die Region, ist eine einzigartige Kulturlandschaft dem Untergang geweiht.
Besonderheiten
- Zwergdommel, Rohrweihe, Seeadler, Wasserralle, Tüpfelsumpfhuhn
- Museum im Pfahlhaus (17. Jh.)
- Jugendherberge direkt am Hausteich
- Teiche sind bewirtschaftet
ÖPNV
nicht möglich
Öffnungszeiten
Ausstellung Mo. bis Fr. 9 - 16 Uhr, So. 13 - 17 Uhr
Teichgebiet ganzjährig zugängig
Kontakt
NABU Thüringen
Leutra 15
07751 Jena
Tel.: 03641. 60 57 04
www.NABU-Thueringen.de
Infostelle für Naturschutz und Umwelt
Am Hausteich
07907 Plothen
Tel.: 036648. 22 348
umwelt@lrasok.thueringen.de
Tourist-Info
Tel.: 036648. 239 22
www.plothen.de
tourismusinfo@plothen.de