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Jetzt spenden!Was ist eigentlich das „Nature Restoration Law“ der EU?
Natur retten, Lebensqualität steigern
Sicher wohnen? Braucht Hochwasserschutz. Gut wirtschaften? Braucht natürliche Ressourcen. Ernährungssicherheit? Braucht Bestäubung, gute Böden und Schutz vor Dürren. Wer leistet das alles?
Intakte Ökosysteme.
Was heißt Wiederherstellung konkret?
Die wenigsten unserer europäischen Ökosysteme sind intakt oder überhaupt noch vorhanden. Genau hier setzt das neue Gesetz an: Wenn wir unsere Natur langfristig erhalten wollen, müssen wir sie erst einmal heilen. Dazu gehört zum einen, schädliche Einflüsse zu reduzieren und die Nutzung von natürlichen Ressourcen nachhaltiger zu gestalten. Zum anderen müssen Ökosysteme aber auch aktiv repariert und teils sogar neu geschaffen werden. Dazu gehört zum Beispiel, Moore wieder zu vernässen oder Flüsse mit abgetrennten Altarmen zu verbinden.
All dies ist nicht neu. Wiederherstellung war schon immer ein integraler Bestandteil des Naturschutzes. Doch sie wurde häufig nur freiwillig, unverbindlich oder mit unklarer Zielsetzung angegangen. Genau diese Lücke schließt nun das „Nature Restoration Law“ der EU, das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur.
Sechs Dinge, die das EU-Renaturierungsgesetz leistet
- Es hilft der biologischen Vielfalt, indem es konkrete, zeitgebundene und flächenspezifische Ziele für die Verbesserung und Neuschaffung der seltensten und besondersten Lebensräume an Land und im Meer setzt.
- Es bekämpft die Klimakrise: intakte Ökosysteme wie Moore, Wälder und Auen speichern Kohlenstoff.
- Es schützt uns vor Naturkatastrophen wie Hitzewellen, Dürren, Starkregen und Überschwemmungen. Intakte Ökosysteme wirken ausgleichend auf das Mikroklima.
- Es verbessert unsere Gesundheit: In der Natur können wir uns erholen. Das fördert unser Wohlbefinden.
- Es kurbelt die lokale Wirtschaft an, indem es die Nahrungsmittelversorgung langfristig sichert und nachhaltige Praktiken, wie etwa sanften Tourismus, stärkt.
- Es setzt auf wissenschaftsbasierte Wiederherstellungspläne und macht Ziele anhand von Indikatoren messbar.
Indem das Gesetz vor allem die Ziele und nicht detaillierte Maßnahmen vorgibt, lässt es den Mitgliedsstaaten hinreichend Freiheiten. So können nationale und regionale wirtschaftliche, soziale und kulturelle Unterschiede bei der Umsetzung berücksichtigt werden.
Um diese Ziele zu erreichen, müssen die EU-Mitgliedsstaaten nun nationale Wiederherstellungspläne erstellen, in denen sie Maßnahmen formulieren und finanzielle Mittel definieren, um die Ziele des EU-Renaturierungsgesetzes zu erreichen. Diese Wiederherstellungspläne müssen innerhalb von zwei Jahren der EU-Kommission vorgelegt werden, und dann fortlaufend verbessert und weiterentwickelt werden.
Dieses Gesetz ist eine einmalige Chance, um die Klima- und Naturkrise gemeinsam anzugehen. Es schafft gleiche Bedingungen in allen 27 Mitgliedstaaten. Das ist sinnvoll, da Tiere und Pflanzen keine Grenzen kennen. Somit sind Umweltprobleme meist grenzüberschreitend und ihre Lösung erfordert gemeinsames Handeln. Mit den Regelungen schafft die EU eine Grundlage für eine Zukunft, in der Menschen und Natur gemeinsam wachsen können.
Das Gesetz im Detail
Besondere Lebensräume an Land und im Meer
Die seltensten und besondersten Lebensräume und Biotope stehen gleich zu Beginn des Gesetzes, in Artikel 4 und 5. Zu ihnen gehören zum Beispiel Riffe, Seegraswiesen, Stillgewässer, alpine Flüsse, Auen, Heiden, Trockenrasen, Flachland-Mähwiesen, Hoch- und Niedermoore, Buchenwälder und viele mehr.
Sie sollen schrittweise in einen guten Zustand versetzt und wenn nötig neu etabliert werden. Letzteres ist der Fall, wenn die Lebensräume und ihre Arten nur noch auf so wenig Fläche vorhanden sind, dass ihr langfristiges Überleben nicht gesichert ist.
Fristen werden hier für den Maßnahmenbeginn gesetzt. So soll 2030 mit Maßnahmen begonnen werden, um 30 Prozent der beschädigten Lebensräume und Biotope in einen guten Zustand zu bringen. Aus unserer Sicht kann man damit auch schon früher anfangen.
Warum ist das wichtig?
Intakte Ökosysteme tragen auch zu unserem Wohlergehen bei. Revitalisierte Moore speichern Kohlenstoff und filtern Wasser. Natürliche Auen geben Flüssen Raum und mildern Hochwasser.
Bei diesen ganz speziellen Lebensräumen und Biotopen steht aber die Natur im Vordergrund, denn diese Gebiete sind ihr unverhandelbarer Rückzugs- und Überlebensraum. Nur durch genügend und gut vernetzte Gebiete werden wir unsere heimischen Arten für zukünftige Generationen bewahren können. Entsprechend liegen viele dieser Flächen auch in Schutzgebieten und müssen dort dennoch besser umsorgt werden.
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Stadtnatur
Die Mitgliedsstaaten sollen den Anteil an Grünflächen und Stadtbäumen erhöhen. Bis 2030 soll dazu der Nettoverlust an Grünflächen und Baumüberschirmung im nationalen Durchschnitt gestoppt werden. Danach sollen die Anteile wieder steigen, bis ein wissenschaftlich begründetes „zufriedenstellendes Niveau“ erreicht ist.
Warum ist das wichtig?
So bleiben Städte auf Dauer lebenswert. Städte werden in Zukunft besonders von Auswirkungen der Klimakrise, wie zum Beispiel Hitzewellen, betroffen sein. Schon kleine grüne Inseln steigern die Luftqualität, verbessern das Mikroklima und unterstützen den Erhalt der Artenvielfalt.
Wiederherstellung freifließender Flüsse
In der Europäischen Union sollen 25.000 Kilometer freifließender Flüsse wiederhergestellt werden. Sie sollen durchgängig für Fische und die Gewässer mit ihren Auen verbunden werden. Dazu sollen auch bestehende Barrieren kartiert und wenn möglich entfernt werden.
Warum ist das wichtig?
Diese Maßnahmen helfen nicht nur wandernden Fischarten. Auen können Hochwasserspitzen abfangen. Gesunde Vegetation an den Ufern kann Wasser langfristig speichern, und so Dürren mindern. Die Wiederherstellung von Flüssen kann außerdem dazu beitragen, die Küstenerosion zu bekämpfen, das Mikroklima bei Hitzewellen zu verbessern, und eine gesündere, widerstandsfähigere und attraktivere Landschaft zu schaffen. Das kann auch die lokale Wirtschaft unterstützen, zum Beispiel durch eine höhere Attraktivität für Naherholung und Tourismus.
Zugegeben, 25.000 Kilometer in der gesamten EU sind nicht viel. Dieses Ziel sollte durch weitere nationale Maßnahmen und höhere Ambitionen ergänzt werden.
All das ist bitter nötig: Laut Umweltbundesamt hatten im Jahr 2021 nur acht Prozent der deutschen Flüsse und Bäche einen „guten“ oder „sehr guten“ ökologischen Zustand, beziehungsweise ein „gutes“ ökologisches Potenzial. Nicht-nachhaltige Landwirtschaft, Wasserkraft, Dämme und Schifffahrt gelten als die Hauptbelastungen, die eine Erholung der europäischen Gewässer verhindern.
Feld- und Wiesenvögel als Schirmarten des Offenlandes
Für das Offenland wurde im Artikel 11, Absatz 3 der so genannte Feldvogelindex als ein Indikator gewählt. Die etablierte Methode erfasst jährlich die Verbreitung zehn charakteristischer Arten, darunter der Kiebitz, Steinkauz und Feldlerche. Bis 2030 soll der Indikator um zehn Prozent steigen. In den letzten Jahren fiel er hingegen noch.
Warum ist das wichtig?
Die zehn Arten stehen als Schirmarten stellvertretend für die Bedürfnisse vieler weiterer Tier- und Pflanzenarten sowie der Qualität einer lebendigen Agrarlandschaft allgemein.
Bestäuber
Das Gesetz setzt in Artikel 10 das Ziel, die Menge und Vielfalt der Bestäuber zu verbessern. Der Rückgang der Bestäuberpopulationen soll bis 2030 umgekehrt und danach auf ein wissenschaftlich begründetes „zufriedenstellendes Niveau“ gebracht werden. Bei diesem Ziel wird von der Kommission zudem noch die Festlegung einer genauen Methode zur Überwachung beider Indikatoren erwartet.
Warum ist das wichtig?
Der Rückgang der bestäubenden Insekten ist aktuell besonders gravierend: Fast die Hälfte aller Wildbienenarten ist gefährdet und mehr als ein Drittel der Schwebfliegenarten in Europa ist vom Aussterben bedroht. Gleichzeitig hängen fast 90 Prozent der wildblühenden Pflanzen von Insektenbestäubung ab. Der starke Rückgang der Bestäuber gefährdet somit auch unmittelbar die Ernährungssicherung der Menschen in der EU.
Moore
Auch für die Wiederherstellung von Moorböden gibt es (in Artikel 11 Absatz 4) ein eigenes Ziel. Dieses setzt Fristen für den Anteil der Fläche von entwässerten Moorböden, auf welchen Wiederherstellungsmaßnahmen umgesetzt werden sollen. Bis 2030 sollen auf ersten 30 Prozent der entwässerten Moorböden Maßnahmen begonnen werden. Bei einem Viertel dieser 30 Prozent soll es sich um Wiedervernässungsmaßnahmen handeln.
Warum ist das wichtig?
Wenn Moore entwässert werden, werden sie zu einer riesigen Quelle von Kohlenstoffemissionen. Die EU ist der weltweit zweitgrößte Emittent von Treibhausgasen aus entwässerten Mooren, die etwa sieben Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen der EU ausmachen. Durch die Wiedervernässung entwässerter Moore können diese Emissionen erheblich reduziert und von einer Klimabelastung zu einer Klimalösung gemacht werden. Eine besondere Rolle spielen Moore auch als Heimat spezialisierter Pflanzen-, Amphibien- und Vogelarten, die nicht nur selten, sondern auch europaweit oder sogar global bedroht sind.
Agrar-Ökosysteme
Grünlandschmetterlinge, organischer Kohlenstoff in mineralischen Böden, und der Anteil von Landschaftselementen wie etwa Hecken - sie gelten gemäß Artikel 11, Absatz 2, als Indikatoren für den Zustand dieses Lebensraums. Hier soll bis 2030 der negative Trend gestoppt werden. Danach sollen die Anteile wieder steigen bis ein wissenschaftlich begründetes „zufriedenstellendes Niveau“ erreicht ist. Die Mitgliedsstaaten können dabei zwei der drei Indikatoren auswählen. Sie können aber auch Maßnahmen für alle drei ergreifen.
Warum ist das wichtig?
Wir müssen landwirtschaftliche Ökosysteme wiederherstellen, um eine langfristige Ernährungssicherheit zu gewährleisten – zum Beispiel durch natürlichen Erosionsschutz und Erhalt der Bodenbiodiversität. Um die Biodiversität wieder auf das Ackerland zu bringen, braucht es auf jedem Hof natürliche Elemente wie Hecken, Teiche oder alte Bäume. Viele Arten der Agrarlandschaft haben einen Großteil ihres Lebensraums bereits verloren – sie brauchen wieder ein Minimum an Platz und Vernetzung ihrer Lebensräume.
Wald-Ökosysteme
Auch für den Wald werden konkrete Indikatoren festgelegt: Zum Beispiel der Waldvogelindex, der Anteil an Totholz, oder die Altersstruktur und Vielfalt der Baumarten. Auch hier soll der negative Trend bis 2030 gestoppt werden. Danach sollen die Indikatoren auf einen Aufwärtstrend gebraucht werden, bis sie das wissenschaftlich begründete „zufriedenstellendes Niveau“ erreicht haben.
Warum ist das wichtig?
Wälder beherbergen fast 90 Prozent der terrestrischen Biodiversität der Erde. Die Biodiversität ist in älteren Wäldern reicher, da das Totholz und die Vielfalt an unterschiedlich alten Bäumen und Pflanzen auch den Tieren einen reicheren Lebensraum bieten. Darüber hinaus speichern sie Kohlenstoff und wirken so als wichtige Puffer gegen den Klimawandel. Wälder spielen eine entscheidende Rolle beim Erosionsschutz und gesunde Wälder können extremen Wetterereignissen wie Waldbränden standhalten. Darüber hinaus reinigen Wälder die Luft, die wir atmen und filtern das Wasser, das wir trinken.
Ausnahmeregelungen?
Der Gesetzestext stellt sicher, dass Konflikte mit dem Ausbau von Erneuerbaren Energien, der Landesverteidigung oder der Ernährungssicherheit vermieden werden. Letztere ist sogar explizit Ziel der Verordnung (s. Artikel 1).
- Der komplette Gesetzestext in deutscher Sprache
- Informationen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz
Wie geht es weiter?
Mit der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU tritt der Rechtsakt in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt ist er für alle Mitgliedsstaaten der EU rechtsverbindlich. Anders als bei EU-Richtlinien ist eine Übersetzung in nationales Recht formal nicht nötig.
Wie die Mitgliedsstaaten die darin festgelegten Ziele innerhalb der gegebenen Fristen erreichen wollen, sollen sie in einem Wiederherstellungsplan darlegen. Für dessen Entwurf haben sie zwei Jahre Zeit. Danach prüft die Kommission den Plan sechs Monate lang und der Mitgliedstaat hat weitere sechs Monate, um auf etwaige Anmerkungen zu reagieren. Im Jahre 2032 wird der Plan dann das erste Mal aktualisiert.
Auch Deutschland ist verpflichtet, eine effektive Umsetzung zu gewährleisten. Der Großteil der Maßnahmen muss allerdings durch die Bundesländer realisiert werden. Sinnvoll ist daher vermutlich ein nationales Renaturierungsgesetz, das den Ländern einen klaren Handlungsauftrag gibt und ein einheitliches Ambitionsniveau festsetzt. Zudem sind weitere Anpassungen nötig, um die Maßnahmen vor Ort auch schnell umsetzen zu können. Eine solche Beschleunigungsoffensive ist übrigens auch schon im deutschen Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz vorgesehen.
Was ist bisher passiert?
Das EU-Parlament hat am 12. Juli 2023 grundsätzlich für das Gesetz gestimmt. Es verpflichtet alle EU-Mitgliedsstaaten, zerstörte Natur wieder in einen guten ökologischen Zustand zu bringen und so den Bestand von Bestäubern, natürlichen Ressourcen, sauberer Luft und sauberem Wasser zu sichern. Diese Entscheidung ist auch dem beispiellosen öffentlichen Engagement der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und Wirtschaft zu verdanken, die ein starkes Renaturierungsgesetz gefordert haben.
Dennoch wurden im Verlauf der Parlamentsabstimmung wichtige Bestandteile des Gesetzesentwurfs empfindlich abgeschwächt. Dazu gehören zum Beispiel Verpflichtungen zur Wiederherstellung von Wäldern, Mooren und Agrarökosystemen. Damit unterschied sich die Position des EU-Parlaments deutlich von dem Vorschlag der EU-Kommission. Das hat das Trilogverfahren notwendig gemacht: Dabei finden Unterhändler der Mitgliedsstaaten, der Kommission und des Parlaments einen Kompromiss für den finalen Gesetzestext. Zuletzt musste der gefundene Kompromiss formell von den EU-Staaten und den dem Europaparlament bestätigt werden.
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