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Meeresschutz in Deutschland
Auf den ersten Blick sieht das doch prima aus. Gesetze und Vereinbarungen, die unsere Meere schützen sollen, gibt es zuhauf. Mit der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, der EU-Vogelschutzrichtlinie und der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie sowie zahlreichen völkerrechtlichen Übereinkommen liegen die Instrumente auf dem Tisch. Doch es mangelt, man ahnt es schon, an der Um- und Durchsetzung.
Kein Personal, keine Interesse?
Viele Prozesse dauern zu lang. Die Meeresschutzgebiete in der Nordsee haben erst dreizehn Jahre nach ihrer Ausweisung nationale Verordnungen erhalten. Und ein effektives Gebietsmanagement gibt es heute nicht. In der behördlichen Praxis finden echte Kontrollen nicht statt und so verfügen viele Meeresschutzgebiete heute nur pro forma über eine rechtliche Sicherung. Ob zum Beispiel Kitesurfer die ausgewiesenen Schutzzonen beachten oder die Fischerei ihre Regeln einhält – wer weiß das schon? Es gibt es weder Personal noch ein echtes Interesse, Naturschutz durchzusetzen. Manchmal werden still und heimlich Befahrensgrenzen verändert, um Seglern entgegenzukommen, wie der aktuell Fall des für Meeresvögel besonders bedeutsamen Naturschutzgebietes Holnis an der Ostseeküste Schleswig-Holsteins zeigt. Nicht unbedingt eine Maßnahme des Naturschutzes.
Der Bock wird zum Gärtner
Nur selten befindet sich der Meeresschutz auf Augenhöhe mit widerstreitenden Interessen. Der vielzitierte Ausgleich von Schutz und Nutzung – wir sehen ihn nicht. Würden Sie Fragen der Arbeitssicherheit oder Ihr Gehalt auf freiwilliger Basis mit dem Arbeitgeber festsetzen, jederzeit kündbar und ohne rechtlichen Anspruch? Wohl eher nicht. Allein auf moralische Appelle zu vertrauen wäre doch naiv. Anders im Meeresschutz. Sei es bei der freiwilligen Vereinbarung der schleswig-holsteinischen Fischer zur Vermeidung ungewollter Beifänge oder bei der freiwilligen Selbstverpflichtung der Industrie zu Einwegtüten und Mikroplastik. Immer wieder sollen europarechtliche Umweltverpflichtungen von den Nutzer- und Schadensverursachergruppen selbst geregelt werden, freiwillig versteht sich. Demonstriert sich so die Wertschätzung gegenüber der Natur? Kaum! Das Umweltrecht ist tatsächlich der einzige Rechtsbereich, in dem vom Instrument der Freiwilligkeit in größerem Umfang Gebrauch gemacht wird anstatt ordnungsrechtliche Leitplanken einzuziehen.
Meeresschutz im Abseits
Die fehlende Wertschätzung findet sich leider auch in ministeriellen und behördlichen Abstimmungsprozessen und selbst in jüngsten Gerichtsentscheidungen. Während das Bundesumweltministerium und das personell unterbesetzte Bundesamt für Naturschutz bemüht sind, den Anforderungen von FFH- und Vogelschutzrichtlinie zumindest im Ansatz zu entsprechen, konzentrieren sich die Ministerien für Landwirtschaft, Wirtschaft und Verkehr mit ihren Fachbehörden auf die Wahrung der Interessen von Fischern, Reedern und Großkonzernen. Wie sonst ließe sich die Genehmigung der Gaspipeline Nord Stream 2, die gleich durch fünf deutsche Meeresschutzgebiete führt, erklären? Wie sonst könnten Offshore-Windparks wie Butendiek ein Vogelschutzgebiet entwerten? Warum sonst könnten Freizeitangler Schutzgebietsverordnungen massiv beeinflussen?
Behördliche Kleinstaaterei
Das Problem sitzt tief. Es fehlt an einer gemeinsamen politischen Verantwortung für den Meeresschutz in Deutschland. Gestützt wird diese Fehlentwicklung durch eine ministerielle und behördliche Kleinstaaterei, die mit ihrer Zerrissenheit der Zuständigkeiten einen effektiven Meeresschutz unmöglich macht. Jede Entscheidung fällt im eigenen Mikrokosmos. Das Bergamt entscheidet losgelöst von Naturschutzfragen über Pipelines, das Landwirtschaftsministerium entscheidet im Alleingang über Fischereifragen, das Verkehrsministerium genehmigt umstrittene Offshore-Windparks und das Wirtschaftsministerium protegiert einen Auto- und Eisenbahntunnel durch ein Meeresschutzgebiet. Ja, und das Bundesumweltministerium sitzt zwischen den Stühlen und verhandelt verzweifelt über kaum tragfähige Kompromisse. Was wir in Deutschland brauchen ist ein Systemwechsel. Die Idee des endlosen „Blauen Wachstums“ ist gescheitert. Die Meere sind an ihrer Belastungsgrenze. Doch nur gesunde Ökosysteme können nachhaltig wirtschaftlich genutzt werden. Darüber muss nicht in endlosen Dialogprozessen mit Einzelgruppen verhandelt werden, sondern das muss die verantwortungsvolle Linie der Bundesregierung sein.
Für eine grüne Küstenwache
In der Konsequenz muss der Meeresschutz institutionell aufgewertet werden. Wir brauchen eine gut ausgestattete, dem Bundesumweltministerium nachgeordnete Meeresschutzbehörde mit einer eigenen grünen Küstenwache. Im Sinne einer wirklich integrierten Meerespolitik sollten hier Mandate gebündelt und strategische Entscheidungen getroffen werden. Lernen können wir dabei von internationalen Beispielen wie dem australischen „National Ocean Office“ oder der amerikanischen NOAA. Das heißt noch nicht, dass alles gut ist. Doch die institutionelle Neuordnung wäre eine Chance, dem Stillstand der vergangenen Jahre zu entkommen, Prozesse zu beschleunigen, Ressourcen effizient einzusetzen und eine gemeinsame meerespolitische Strategie für Deutschland zu entwickeln. Die Zeit drängt. Angesichts des andauernden schlechten Zustands unserer Meere müssen wir handeln. Jetzt!
Ingo Ludwichowski, Kim Cornelius Detloff
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