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Jetzt informieren!Düngeverordnung: Änderungen nicht ausreichend
Problem muss endlich an der Wurzel gepackt werden



Blaualgenblüte in einem eutrophierten See - Foto: NABU/Carsten Pusch
Update
27. März 2020 – Die am heutigen Freitag vom Bundesrat beschlossenen Änderungen der Düngeverordnung, die aufgrund der Corona-Krise in Teilen allerdings erst zum 1. Januar 2021 umgesetzt werden sollen, greifen zu kurz. Auch wenn sie ausreichen, um die Strafzahlungen an die EU zu verhindern, die Chance wurde verpasst, das Problem endlich an der Wurzel zu packen: die zum Teil viel zu intensive Tierhaltung, die unbedingt verringert werden muss.
Zum Beschluss des Bundesrates äußert sich NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger:
„Hoffentlich ist dieses Kapitel einer jahrzehntelangen Hängepartie nun endlich beendet. Wenn auch noch unzureichend aus Umweltsicht. Bund und Länder springen mit den Verschärfungen gerade so weit, dass die millionenschweren Strafzahlungen an Brüssel abgewendet werden.
Was sie jedoch verpassen, ist die Chance, das Problem der Überdüngung an der Wurzel zu packen: Die in Teilen Deutschlands zu intensive Tierhaltung muss verringert werden. Entscheidend ist, die Zahl der gehaltenen Schweine, Hühner und anderer Tiere pro Hektar klar zu begrenzen, mit zusätzlichen Obergrenzen für jeden Landkreis. Zusätzlich muss eine Hoftor-Bilanz für jeden Betrieb kommen, die klar macht, wie viele Nährstoffe in einen Betrieb hineingehen und wie viele ihn verlassen – ohne Bilanzierungs-Tricks.
Wir müssen jetzt den Diskurs führen, wie eine zukunftsfähige Tierhaltung in Deutschland aussehen muss – mit fairen, ehrlichen Lösungen nach dem Verursacherprinzip sowie Planungssicherheit für alle Landwirte. Das Ende der Nitrat-Krise, die unser Grundwasser gefährdet und schwere Schäden in der Pflanzen- und Tierwelt hinterlässt, ist seit zwei Jahrzehnten überfällig.“
19. März 2020 – Der Bauernverband fordert angesichts der aktuellen Corona-Krise eine „deutlich andere Prioritätensetzung“ im Hinblick auf anstehende Gesetze und Auflagen für die Landwirtschaft. Was Joachim Rukwied meint, ist die anstehende Änderung der Düngeverordnung. Begründung: Jetzt ginge es um Versorgungssicherheit und darum, die Landwirtschaft arbeitsfähig zu halten. Bei allem Verständnis für die schwierige Lage, in der wir uns alle befinden, finden wir aber: Der Schutz unseres Grundwassers hat nichts mit der Corona-Krise zu tun! Die Lösung des Nitrat-Problems – nachweislich hauptsächlich durch die Landwirtschaft verursacht – duldet keinen Aufschub und darf nach mehr als 20 Jahren Verzögerungstaktik nicht noch länger verschleppt werden.
16. März 2020 – Düngeverordnung am 3. April im Bundesrat ohne Änderungen beschließen
Zu den am Montag im Bundesrat beginnenden Beratungen appellieren die Umweltorganisationen BUND, Deutsche Umwelthilfe, NABU und ihr Dachverband Deutscher Naturschutzring an die Bundesländer, den geplanten Änderungen der Düngeverordnung ohne weitere Abschwächungen zuzustimmen.
Bei der Debatte der letzten Wochen drehte sich alles nahezu ausschließlich um die Frage, welcher Minimalkompromiss unbedingt nötig ist, um einer erneuten Verurteilung und horrenden Strafzahlungen zu entgehen. Die eigentliche Frage, wie die Nitratüberschüsse verursachergerecht und am besten reduziert werden können, ist dabei vollkommen aus dem Blick geraten und der Prozess zu einem peinlichen Lehrstück einer an Interessen statt Problemen ausgerichteten Politik geworden.
Zur gemeinsamen Presserklärung von BUND, Deutsche Umwelthilfe, NABU und DNR
15. Januar 2020 – Der Entwurf des Bundeslandwirtschaftmisteriums zur Änderung der Düngeverordnung wurde heute im Kabinett vorgestellt.
Unser Fazit: Es gibt Verbesserungen, aber leider gehen manche Änderungen nicht weit genug. Dazu gehören Ausnahmen für die Düngung von Wiesen und Weiden in belasteten Gebieten oder die verwirrenden Regeln für die Gewässerabstände. Aus unserer Sicht reichen die jetzigen Vorschläge nicht aus, um die steigende Nitratbelastung und die dadurch verursachten Probleme im Gewässerschutz und bei der Trinkwasserversorgung gezielt und dauerhaft zu reduzieren. Eine grundsätzliche Neugestaltung der Düngeverordnung, eine flächengebundene Tierhaltung und eine standort- und kulturartenspezifische Düngung, die sich am wirklichen Bedarf der Pflanzen ausrichtet, würde Naturschutz und Landwirt*innen mehr bringen.
Seit Jahrzehnten führen intensive Landwirtschaft und zu hohe Tierzahlen auf zu kleiner Fläche in vielen Gebieten Deutschlands zu massiven Nährstoffüberschüssen. Ein großer Teil der Überschüsse gelangt in Luft und Wasser und belastet sowohl unser Trinkwasser als auch viele Ökosysteme durch unerwünschte Nährstoffanreicherung. Aus diesem Grund verklagte der Europäischen Gerichtshof Deutschland und drohte mit Strafzahlungen, falls keine wirksamen Maßnahmen zur Reduzierung von Gülle und Mist eingeführt werden. Die jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen wurden von der EU-Kommission wohl als ausreichend angesehen, um die drohenden Strafzahlungen in Höhe von 800.000 Euro pro Tag abzuwenden. Am Ende zählt jedoch, ob sie die gewünschte Wirkung haben werden.
Die ausführliche Kommentierung der führenden Umweltverbände BUND, DNR, DUH, Germanwatch, Grüne Liga, Greenpeace, NABU und WWF können Sie hier nachlesen.
24. September 2019 – Bis Mitte dieser Woche muss die Bundesregierung der EU-Kommission schriftlich melden, wie sie das deutsche Düngerecht nachbessern will, um die EU-weit vereinbarten Ziele zum Schutz von Grundwassern und Gewässern künftig sicherzustellen.
BUND, NABU, der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) kritisieren, dass Deutschland seit 25 Jahren eine EU-rechtskonforme Anpassung des deutschen Düngerechts schuldig bleibt. Seit Jahren werden Vorschläge nahezu ausschließlich unter der Maßgabe diskutiert, ob sie von der Landwirtschaft gebilligt werden. An tatsächlichen Verbesserungen scheint hingegen kein Interesse zu bestehen. Mit einer solchen Hinhalte-Taktik ist keine zukunftstaugliche Politik zu machen. Sie schadet nicht nur Umwelt- und Gewässern,sondern auch den Landwirt*innen, die zu Recht Planungssicherheit einfordern.
Die Bundesregierung muss in dieser Woche Vorschläge abliefern, die über jeden Zweifel erhaben sind, die tatsächlichen Ursachen hoher Nitratüberschüsse wirksam zu bekämpfen. Das bedeutet: Auch in stark nitratbelastetem Grünland muss die Düngungsreduzierung von 20 Prozent gelten. Denn laut jüngstem FFH-Bericht sind 37 Prozent aller Grünland- und Gewässer-Lebensräume in einem schlechten Zustand. Hier droht bereits das nächste Vertragsverletzungsverfahren. Und eine Verrechnung der flächenbezogenen Reduzierung muss insbesondere für düngeintensive Anbaukulturen wie Weizen, Zuckerrüben und Kartoffeln klar ausgeschlossen werden.
Die Politik des Durchhangelns, um keine Änderungen im System der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung vorzunehmen, versagt an allen Ecken und Kanten. Teil der Lösung kann nur eine Tierhaltung sein, die konsequent an die Fläche gebunden ist. Ohne eine Reduzierung der Nutztierhaltung wird es nicht gehen. Die Bundesregierung ist gut beraten, diesen Punkt in dem am Freitag vorgelegten Klimapaket nachzuliefern.
25. Juli 2019 - Beim Dauerthema Düngeverordnung reißt der EU-Kommission nun offenbar der Geduldsfaden. Heute hat sie die zweite Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens mit einem Schrieben an die Bundesregierung eingeleitet. Die Kommission kritisiert die zuletzt vorgelegten Nachbesserungen der Bundesregierung als wissenschaftlich nicht ausreichend begründet. Außerdem fordert sie einen Gesetzentwurf ein, der in den kommenden acht Wochen vorliegen muss. Die Flickschusterei beim Düngerecht ist hochgradig peinlich. Mit ihrer Untätigkeit schadet die Bundesregierung nicht nur unserem Grundwasser, sondern auch den Insekten. Und den Landwirten fehlt weiterhin jede Rechts- und Planungssicherheit. Die Strafzahlungen in Höhe von 800.000 Euro pro Tag (!) rücken nun immer näher.
14. Juni 2019 - Eine Woche nach dem Düngegipfel einigte sich die Bundesregierung in Berlin am Abend des 13. Juni 2019 auf eine Verschärfung der Düngeregeln. Doch wieder einmal springt sie nicht höher, als sie muss. Sondern verpasst die Chance, mit der Novelle die überfällige Bindung der Zahl gehaltener Tiere an die Fläche zu regeln. Mit der Fülle an Ausnahmen, die Bund und Länder eingebaut haben, wird die EU-Kommission den Vorschlag nur schwer akzeptieren können. Vor allem die Ausnahmen für das Grünland sind katastrophal: Dass Wiesen und Weiden pauschal aus der 20-prozentigen Abschlagsregelung ausgeklammert werden, ist mit Blick auf das Insektensterben nicht zu verantworten. Denn artenreiche Wiesen und Weiden sind geschützte Lebensräume und notwendig für das Überleben vieler Arten. Nun drohen Wiesen und Weiden zum Endlager für Gülle zu werden – und einer Graswüste ohne Insekten. Der NABU hat bereits in Brüssel Beschwerde gegen das Verschwinden des Grünlands eingelegt. Die Bundesregierung riskiert mit ihren Vorschlägen nun also nicht nur eine neuerliche Klage zum Düngerecht, sondern auch ein Verfahren zum Naturschutz.
6. Juni 2019 – Erst ein halbes Jahr ist die Novelle der Düngeverordnung alt, und schon wieder muss nachgebessert werden. Das traurige Schauspiel nimmt einfach kein Ende. Denn seit Jahrzehnten verschleppt Deutschland die erforderliche Reduzierung der Stickstoffüberschüsse, damit die EU-Nitratrichtlinie endlich eingehalten wird. Und was tut die Bundesregierung und besonders die Agrarministerin Julia Klöckner? Sie beruft einen Düngegipfel ein. Was meistens bedeutet: Es wird viel geredet und am Ende hat sich wenig geändert. Oder es gibt wieder zu viele Schlupflöcher und Ausnahmen von den angekündigten verschärften Regelungen.
Es zeichnet sich tatsächlich eine Ausnahmeregelung für Grünland ab. Doch sollte das Grünland wirklich von den strengeren Düngevorschriften ausgeklammert werden, wäre das katastrophal. Denn dann besteht die Gefahr, dass Wiesen und Weiden, welche bisher nicht oder nur wenig gedüngt wurden, zur Gülleentsorgungsstelle verkommen und damit zu einer artenarmen Graswüste ohne Insekten. Artenreiches Grünland ist bereits jetzt stark gefährdet – und das, obwohl es für die Artenvielfalt, den Gewässer-, Boden- und Klimaschutz von enormer Bedeutung ist.
Den Agrar- und Umweltministerinnen und -ministern von Bund und Ländern sollte klar sein: Ohne einen umwelt- und tiergerechten Umbau der Tierhaltung ist die Nitratproblematik nicht lösbar. Die Tierhaltung muss konsequent an die Fläche gebunden werden und der Tierbestand darf zwei Großvieheinheiten pro Hektar - das sind zum Beispiel zwei Kühe - nicht übersteigen. Das bedeutet, dass in den intensiven Tierhaltungsregionen, in denen auch die extremen Nitratprobleme auftreten, Tierbestände abgestockt werden müssen.
Und klar ist auch: Wenn Deutschland seine Nitratwerte im Grund- und Oberflächenwasser nicht drastisch senkt, werden im nächsten Jahr Strafzahlungen an die EU fällig. In Höhe von 800.000 Euro pro Tag! Ob die Ergebnisse des Düngegipfels dazu geeignet sind, das zu verhindern, ist fraglich.
Hintergrund
50 Milligramm pro Liter Wasser - das ist der Grenzwert für Nitrat im Grund- und Oberflächenwasser in Europa. In Deutschland überschreiten jedoch 28 Prozent der Messstellen diesen Wert. Gelangt das Nitrat in unser Trinkwasser, kann das zum einen die Gesundheit schädigen, besonders bei Säuglingen und Kleinkindern. Zum anderen hat diese Menge an Nitrat im Wasser gravierende Auswirkungen auf die Natur.
Fast die Hälfte aller Ökosysteme in Deutschland sind mittlerweile von Eutrophierung und Versauerung betroffen. Durch den eingetragenen Stickstoff werden die meist stickstoffarmen Ökosysteme in Deutschland überdüngt. Ihre ursprünglichen Pflanzenarten werden durch die stickstoffliebenden Arten verdrängt, die Zusammensetzung der Pflanzengemeinschaften gerät aus dem Gleichgewicht und in der Folge sinkt die Artenvielfalt. Mehr als 70 Prozent der Pflanzenarten, die in Deutschland in der Roten Liste aufgeführt sind, gehören zu den Arten nährstoffarmer Standorte.
Durch Versickern und Auswaschung sammeln sich Nährstoffüberschüsse, so auch zu viel Nitrat, in unseren Gewässern und im Grundwasser. Die Wasserqualität wird erheblich verschlechtert, unser Trinkwasser und damit auch die menschliche Gesundheit gefährdet.
Deutschland verschleppt Bemühungen der EU
Die Europäische Union hat bereits im Jahr 1991 mit der Nitratrichtlinie dafür sorgen wollen, dass genau das nicht passiert. Doch Deutschland hat die konsequente Umsetzung der Richtlinie seit nun fast drei Jahrzehnten immer wieder verschleppt, verzögert und verkompliziert.
Das Ergebnis: 2003 erhielt Deutschland die erste Abmahnung durch die EU. 2006 wird die Düngeverordnung dann endlich angepasst. Nur ungenügend, befand die EU-Kommission und schickte 2012 ein weiteres Mahnschreiben. 2013 leitete sie ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichteinhaltung der Nitratrichtlinie und steigenden Nitratwerten in Grund- und Oberflächenwasser ein. Und wieder dauerte es etliche Jahre, bis Deutschland sich zu einer Novellierung der Düngeverordnung in 2017 bequemte. Doch auch dieses novellierte Gesetz fiel beim Europäischen Gerichtshof durch: 2018 wurde Deutschland verurteilt. Nun drohen Vertragsstrafen in Höhe von 800.000 Euro pro Tag (!), wenn Deutschland nicht bis zum Frühsommer 2020 endlich effektive Maßnahmen zur Verringerung der Nitratwerte ergreift.
Klar ist: Die bisherige Taktik, das Problem einfach auszusitzen, funktioniert nicht mehr. Und technische Maßnahmen allein werden nicht ausreichen, um die Nitratbelastung dauerhaft zu senken. Wir müssen das Übel an der Wurzel packen und durch ein Umsteuern in der Agrarpolitik die systematische Überdüngung in der Landwirtschaft und die viel zu hohe Tierdichte stoppen.
Das fordert der NABU
Um die Nitratgehalte im Grund- und Oberflächenwasser nachhaltig zu senken, dürfen wir nicht lediglich die Symptome durch eine moderne Ausbringungstechnik bekämpfen, sondern müssen an der Ursache des Problems ansetzen. Ziel muss es sein, die Vorgaben der EU-Nitratrichtlinie langfristig und dauerhaft einzuhalten.
1. Flächengebundene Tierhaltung
Ursächlich für die Überdüngung in vielen Gebieten ist die zu hohe Tierdichte. Besonders in den Regionen mit intensiver und flächenungebundener Tierhaltung, wie im Münsterland und in großen Teilen Niedersachsens, führt der hohe Viehbesatz pro Hektar zu einer systematischen Überdüngung.
Um die Probleme hier zu reduzieren, ist eine flächengebundene Tierhaltung mit maximal 1,8 GVE (Großvieheinheiten) pro Hektar notwendig. Eine sogenannte Großvieheinheit entspricht zum Beispiel einer ausgewachsenen Milchkuh oder etwa sieben Mastschweinen.
Eine Begrenzung der Viehdichte in dieser Höhe würde in den intensiven Tierhaltungsgebieten in vielen Fällen eine Abstockung der Tierbestände notwendig machen.
2. GAP-Reform: Naturverträgliche Landwirtschaft honorieren statt pauschaler Direktzahlungen
Statt weiterhin den überwiegenden Teil der Subventionen über die pauschalen Direktzahlungen nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen, sollten die Gelder der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) für naturverträgliche Bewirtschaftung reserviert werden. Mindestens 50 Prozent der Gelder der 1. Säule müssen zukünftig für Eco-Schemes genutzt werden.
3. Ausreichende Gewässerabstände einhalten
Um Gewässer vor Überdüngung zu schützen, sollten Abstände von zehn Metern zum Gewässerrand eingehalten werden. Von einigen Bundesländern wird das bereits umgesetzt. Denn die gesetzlich vorgeschriebenen fünf Meter bieten keinen ausreichenden Schutz vor einer Auswaschung der Nährstoffe.
Gewässerrandstreifen müssen mit einer standortangepassten Saumvegetation bewachsen sein, die die Auswaschung von Nitrat und Phosphatdüngern in die Oberflächengewässer verhindert.
4. Düngung standort- und kulturartenspezifisch gestalten
Die aktuelle Düngeverordnung erlaubt eine Düngeobergrenze von bis zu 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar und Jahr. Die Düngung sollte jedoch standortbezogen und an den Bedarf der jeweiligen Kultur angepasst sein, statt sich an zu hohen und starren Obergrenzen auszurichten.
Durch die neue Berechnungsgrundlage des Stickstoffbedarfs sind in der aktuellen Düngeverordnung teilweise höhere Stickstoffgaben als zuvor möglich. Bei Mais sind dies bis zu 40 Kilogramm Stickstoff und bei Weizen bis zu 30 Kilogramm. Diese Stickstoffgaben richten sich nicht nach dem Bedarf der Pflanze.
Maßnahmen zum Humusaufbau, die dem Bodenschutz und der Wasserhaltekapazität von Böden dienen, wie zum Beispiel der Einsatz von Kompost oder Festmist und die dafür benötigten entsprechenden Düngermengen, sind anzurechnen, soweit sie nicht zur Überdüngung beitragen.
5. Mineraldünger vollständig in die Stickstoffbilanz einbeziehen
Auch mineralische Düngemittel sind vollständig in die Gesamtstickstoffbilanz einzubeziehen. Aufgrund ihrer hohen Löslichkeit tragen sie weit stärker zu Nitratauswaschungen in Oberflächen- und Grundwasser bei als langsam verfügbare Wirtschaftsdünger wie Kompost und Festmist. Daher sollte eine grundsätzliche Trennung von synthetischen Mineraldüngern, Gülle und Gärresten sowie Kompost und Festmist vorgenommen werden.
6. Düngung von Phosphat auf den Pflanzenbedarf begrenzen
Phosphat ist ein endlicher Rohstoff, der zurzeit hauptsächlich aus Lagerstätten in Marokko und China abgebaut wird, und häufig radioaktiv belastet ist. Zudem sind in den intensiven Tierhaltungsregionen die Böden meist mit Phosphat gesättigt.
Die Düngeverordnung erlaubt bislang eine Phosphatdüngung, die bis zu zehn Kilogramm über dem Bedarf der Pflanze liegt. Vor allem für die Überdüngung der Gewässer ist Phosphat kritisch, da es für die meisten Pflanzen ein Mangelelement ist und bei einer übermäßigen Zufuhr auch die Nutzung von zuviel Stickstoff im Wasser möglich macht. Das führt zu unerwünschten weil übermäßigem Pflanzenwachstum im Wasser (Algenblüten, sauerstoffarme Todeszonen). Aus diesem Grund darf Phosphat nur in der Höhe des tatsächlichen Pflanzenbedarfs gedüngt werden. Dieser Bedarf ist standort- und kulturartenspezifisch zu ermitteln.
7. Keine Düngung von Zwischenfrüchten
Eine Düngung von Zwischenfrüchten sollte grundsätzlich verboten werden. Häufig werden als Zwischenfrüchte Leguminosen angebaut, die durch ihre Symbiose mit den Knöllchenbakterien in der Lage sind, Luftstickstoff zu binden. Diese Fixierung des Luftstickstoffs wird durch eine zusätzliche Düngung gemindert.
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Umsetzung der Nitratrichtlinie in Deutschland - eine unendliche Geschichte
Das Drama beginnt Anfang der 90er Jahre
1991
Die EU verabschiedet die europäische Nitratrichtlinie. Diese Richtlinie zählt mit zu den ersten Dokumenten der EU-Umweltschutzgesetzgebung und soll die Wasserqualität in Europa sichern. Sie zielt auf eine Verringerung und Vermeidung von Belastungen durch Nährstoffeinträge seitens der Landwirtschaft und verpflichtet die Mitgliedstaaten, Regeln guter fachlicher Praxis der Düngung aufzustellen und diese gegebenenfalls zu fördern. Außerdem ermöglicht die Richtlinie, besonders gefährdete Gebiete auszuweisen, für die Aktionsprogramme mit konkreten Maßnahmen aufzustellen und durchzuführen sind.
1993
Die Nitratrichtlinie soll in diesem Jahr in allen Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt sein.
1996
Mit einer Verzögerung von drei Jahren wird in Deutschland die Düngeverordnung verabschiedet.
Deutschland entscheidet sich damals allerdings gegen die Aufstellung regionsspezifischer Aktionsprogramme – zum Beispiel für das Münsterland oder Südoldenburg. Alle Düngegesetze und –verordnungen gelten seitdem für die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche in Deutschland.
2003
Im Dezember 2003 übermittelt die EU-Kommission Deutschland eine letzte schriftliche Mahnung, weil insbesondere die in der Düngeverordnung festgelegten Grenzwerte von 210 Kilogramm Stickstoff pro Hektar gegen die Nitratrichtlinie verstoßen. Die EU-Kommission beschließt, Deutschland beim Europäischen Gerichtshof zu verklagen.
2006
Das eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren zwingt die Bundesregierung zum Handeln: Anfang des Jahres wird die novellierte Düngeverordnung verabschiedet.
Nichtsdestotrotz werden in der Düngeverordnung manche Regelungen nicht verschärft, wie zu erwarten gewesen wäre, sondern im Gegenteil aufgeweicht: So wird zum Beispiel die Hoftorbilanz gänzlich abgeschafft, zahlreiche Ausnahmen von Grundregeln zugelassen - wie etwa Sperren für die Gülleausbringung im Winter - und die wachsende Nährstoffmenge aus Biogasanlagen ignoriert, die bis heute nicht vollständig von den Betrieben dokumentiert werden muss.
2012
Die novellierte Verordnung erreicht die versprochenen Ziele nicht. Das ergeben die Überprüfung durch eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe und der deutsche Nitratbericht des Bundesumwelt- und Bundeslandwirtschaftsministeriums. Stattdessen weisen beide Berichte auf einen erheblichen Anpassungsbedarf der Düngeverordnung hin.
2013
In einer Kurzstellungnahme plädieren die Wissenschaftliche Beiräte für Agrarpolitik (WBA) und für Düngungsfragen (WBD) des Bundeslandwirtschaftsministeriums sowie der Sachverständigenrat für Umweltfragen für eine ambitionierte Reform der Düngeverordung.
Gleichzeitig leitet die EU-Kommission gegen die Bundesregierung ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren wegen einer unzureichenden Umsetzung der EU-Nitratrichtlinie ein. Aus Sicht der EU-Kommission hätte die Bundesregierung angesichts der Ergebnisse des vorgelegten Nitratberichts 2012 umgehend tätig werden müssen.
2012 bis 2017
Der nächste Verhandlungs- und Streitmarathon beginnt. In den nächsten fünf Jahren sind folgende Themen- und Regelungsbereiche agrar- und umweltpolitisch besonders umstritten:
- Hoftorbilanz (Nährstoffbilanz)
- Einarbeitungszeit für Wirtschaftsdünger/Gülle
- Pufferstreifen zu Gewässern
- Kontrollwerte: erlaubte Überdüngung von Stickstoff und Phosphat
- Düngekataster: Datenbereitstellung
Gegenüber stehen sich Parteien mit sehr unterschiedlichen Interessen: auf der einen Seite Vertreterinnen und Vertreter des Bauernverbandes und der Agrarwirtschaft, der CDU/CSU in der Bundesregierung, dem Parlament und dem Agrarausschuss sowie die CDU-regierten Bundesländer. Von dieser Seite gibt es wenig Interesse und Aktivitäten, grundlegende Veränderungen an der bestehenden Düngeverordnung vorzunehmen.
„Die deutsche Düngeverordnung hat sich bewährt und wird auch in Zukunft für weitere Verbesserungen im Gewässerschutz sorgen. Das Düngerecht mit der zuletzt geschaffenen Verbringensverordnung entfaltet derzeit seine volle Wirkung. Deshalb ist für die Landwirte die Forderung nach einer grundlegenden Novellierung der Düngeverordnung nicht nachvollziehbar.“
(DBV - Deutscher Bauernverband, 2014)
Auf der anderen Seite agiert ein breites Spektrum von Vertreterinnen und Vertretern aus der EU-Kommission, Grünen und SPD im Bundesumweltministerium, im Parlament und im Agrarausschuss sowie in den SPD-regierten Bundesländern und solchen mit grün geführten Agrarministerien. Hinzu kommen Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft (Beiräte), der Umweltverbände und der Wasserwirtschaft.
„Aus Sicht des WBA trägt die unzureichende Durchsetzung und Kontrolle der Düngeverordnung wesentlich zu einem der zentralen Umweltprobleme der Tierhaltung bei.“
(Wissenschaftlicher Beirat Agrarpolitik beim BMEL, 2015)
2016
Im Herbst reicht die EU-Kommission Klage gegen Deutschland ein. Der Druck auf die Bundesregierung wächst und führt zu einem weiteren Anpassungsprozess der Düngegesetzgebung in Deutschland.
2017
Im Laufe des Jahres werden die einzelnen Teile des Düngepakets im Einvernehmen mit dem Bundesumweltministerium und teilweise mit Zustimmung des Bundesrats im Bundestag beschlossen.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium erhofft sich mit dem Düngepaket eine Signalwirkung in Richtung EU-Kommission und dem noch anhängigen Klageverfahren beim Europäischen Gerichtshof. Die Befürworter glauben, ausreichende Maßnahmen zur zukünftigen Einhaltung der EU-Nitratrichtlinie getroffen zu haben.
Das Düngepaket besteht aus folgenden Regelungen: dem Düngegesetz (DüngG), der Düngeverordnung (DüV), der Stoffstrombilanzverordnung (StoffBilV) und der Verbringens-Verordnung (WDüngV).
Kritische Bewertung des Düngepakets der Bundesregierung
Bei der Bewertung besonders der neuen Düngeverordnung und Stoffbilanzverordnung überwiegen die kritischen Stimmen. Eine Vielzahl an getroffenen Regelungspunkten wird – trotz einiger erzielter Erfolge – von der Wissenschaft und den Umweltverbänden als unzureichend eingestuft:
- zu lange Übergangsfristen
- zu großzügige Einarbeitungszeit und zu hohe Mengen an anrechenbaren Ausbringungsverlusten bei organischem Dünger (Wirtschaftsdünger/Gülle)
- zu hohe Obergrenzen bei organischem Dünger (170 Kilogramm pro Hektar), insbesondere in den sogenannten gefährdeten Gebieten
- nicht ausreichende Abstandregelungen/Pufferstreifen zu Gewässern
- zu hohe Berücksichtigung von Futterverlusten
- zu hoch angesetzte Düngebedarfe
- weiterhin zulässige Nährstoffüberschüsse sowie fehlende Begrenzung der Phosphatdüngung auf überversorgten Böden
- weiterhin mögliche Ausnahmen für Ausbringung von Gärresten
- fehlendes wirksames Düngekataster, da die Aufzeichnungspflicht der tatsächlichen Stickstoff- und Phosphatdüngung nicht eingeführt wurde
- unzureichende Regeln zur Stoffstrombilanz
- zu viele Freiheiten für die Bundesländer, in den gefährdeten Gebieten weitergehende Maßnahmen anzuordnen
- begrenzte Kontrollier- und Sanktionierbarkeit von Verstößen
„Daher ist sehr fraglich, ob die verabschiedete Regelung die Grundlage liefert, um die Nitrateinträge in die Gewässer zu reduzieren und den Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat je Liter im Grundwasser zu erreichen.“
(Verband kommunaler Unternehmen, 2017)
„Deutschland muss jetzt die Kurve kriegen und die Düngevorgaben derart verschärfen, dass eine massive Überdüngung künftig verhindert wird. Mit den jetzt vorgesehenen Regelungen nimmt die Politik in Kauf, dass unsere Böden weiter mit Unmengen an Nitrat belastet werden und sich die Qualität unserer Gewässer stetig verschlechtert. “
(Martin Weyand, BDEW-Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser, 2017)
„ (…) das neue Düngerecht wird keine nennenswerte Reduzierung der Stickstoff-Überdüngung und damit von Nitrat-Einträgen ins Grundwasser erzielen. Der Hauptgrund hierfür ist die weitgehende Missachtung aller agrar- und umweltwissenschaftlichen Fachempfehlungen (…).“
(Prof. Dr. Friedhelm Taube, Universität Kiel, 2018)
2018
Im Juni 2018 wird Deutschland vom Europäischen Gerichtshof verurteilt. Das Urteil bezieht sich zwar auf die alte Düngeverordnung aus dem Jahr 2006, aber aus der EU-Kommission wird wiederholt signalisiert, dass auch die Veränderungen in der 2017 verabschiedeten Neufassung nicht zur Umsetzung der Nitratrichtlinie ausreichen.
2019
Seit Anfang 2019 ist bekannt, dass die EU-Kommission auch das neue Düngepaket für nicht ausreichend hält. Die Bundesregierung steht nun erneut unter Druck, die Düngeverordnung von 2017 nachzubessern. Schafft sie es nicht, bis zum Frühsommer 2020 effiziente Maßnahmen zur Einhaltung der Nitratgrenzwerte zu ergreifen, drohen Vertragsstrafen in Höhe von 800.000 Euro pro Tag.
Nach 28 Jahren das Problem endlich an der Wurzel packen
In vielen Bereichen der europäischen und deutschen Agrar- und Umweltpolitik gibt es kaum Fortschritte zur Lösung drängender Problemlagen. Ein wesentlicher Problembereich sind die Nährstoffüberschüsse und -einträge durch die Landwirtschaft und die daraus resultierenden Umweltbelastungen.
Der NABU fordert, die Probleme für die zu hohen Nitratwerte endlich an der Wurzel zu packen und grundlegende Reformen in der Düngegesetzgebung und der Agrarpolitik einzuleiten. Denn sauberes Wasser ist und bleibt unerlässlich für die menschliche Gesundheit und für natürliche Ökosysteme.