Eintagsfliege - Foto: NABU/CEWE/Georg Pauluhn
Insektenschutz durch Gewässerrandstreifen
– je breiter und vielfältiger, desto besser
Studie empfiehlt Breite von mindestens 20 Metern
In den letzten Jahren ist die öffentliche Wahrnehmung von Insekten und deren Bedeutung für die Natur und uns Menschen deutlich gestiegen. Dennoch scheint sich der Trend beim Rückgang der Biomasse und Artenvielfalt von Insekten noch nicht zu wenden. Mit dem Insektenschutzpaket wurde auf politischer Ebene zwar ein erster Schritt gemacht, aber die Maßnahmen reichen bei weitem nicht, um die Bestände effektiv zu schützen.
Ein Bestandteil des Insektenschutzpaketes ist die sogenannte Pflanzenschutzanwendungsverordnung, in der das Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Gewässerrandstreifen festgelegt ist. Laut Verordnung ist die Anwendung von Pestiziden auf unbegrünten Gewässerrandstreifen auf einer Breite von zehn Metern entlang wasserwirtschaflich bedeutender Gewässer bundesweit untersagt. Bei dauerhaft begrünten Streifen sind fünf Meter die rote Linie.
Gewässerrandstreifen enorm wichtig für die Insektenwelt
Doch reichen die jetzigen Regelungen zu den Gewässerrandstreifen aus, um Insekten an und in Gewässern zu schützen? Um diese Frage zu beantworten, beauftragte der NABU Wissenschaftler*innen der Universität Duisburg-Essen, die vorhandene Literatur zu Insekten in Randstreifen an Gewässern zusammenzufassen. Diese neue Literaturstudie zeigt deutlich, wie wichtig Gewässerrandstreifen sind – nicht nur als Pufferzone gegen Pestizid-und Düngeeinträge in benachbarte Gewässer, sondern auch als Lebensraum für Insekten.
Download der Studie
Hohe Vielfalt an Insektenarten
So weisen Gewässerrandstreifen meist eine besonders hohe Vielfalt an Insektenarten auf. Denn die vielfältigen Zonen der Streifen bieten unterschiedlichsten Insektengruppen perfekte Lebensbedingungen. Ob Eintagsfliege oder Libelle: Insektenarten, die in ihrem Lebenszyklus sowohl das Wasser als auch das Land benötigen, kommen besonders häufig in direkter Ufernähe vor. Ihr Bestand sinkt jedoch ab einer Entfernung von 15 bis 20 Metern vom Uferrand deutlich. „Von der Uferkante hin zum Umland ergibt sich eine deutliche, teilweise exponentielle Abnahme der Dichte semiterrestrischer Insekten“, so die Autor*innen der Studie.
Während Wasserkäfer oder -wanzen, aber auch viele Larven von Libellen, Eintagsfliegen oder Köcherfliegen im Wasser selbst vorkommen, bietet der Uferbereich den ausgewachsenen Exemplaren dieser Insektengruppen einen Lebensraum. Sind Gewässerrandstreifen außerdem ausreichend begrünt, finden auch viele Insekten, die ausschließlich an Land leben, wie beispielsweise Laufkäfer, Ameisen oder Blattkäfer, hier ein Zuhause.
Typische Insekten in Gewässerrandstreifen: eine Auswahl
Insektenvielfalt durch Pestizide und Düngemittel beeinträchtigt
Durch Überdüngung und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Ufernähe leidet die Vielfalt der Insekten jedoch deutlich. So gehen durch den Einsatz von Herbiziden wichtige Nahrungsquellen für die Insekten verloren, Insektizide schädigen Insekten wie die Eintagsfliege sogar direkt. Hinzu kommt, dass ein zu hoher Nährstoffeintrag den Wuchs bestimmter nährstoffliebender Pflanzenarten begünstigt, was die Artenvielfalt am Ufer zusätzlich reduziert und so ebenfalls die Nahrungssituation für die Insekten verschlechtert.
Breite der Gewässerrandstreifen entscheidend
Für die Artenvielfalt der Insekten und die Leistung als Pufferzone zum Gewässer ist die Breite der Gewässerrandstreifen entscheidend. Sind Gewässerrandstreifen breiter als zehn Meter, werden Pflanzenschutz- und Düngemittel effektiv gefiltert und somit in deutlich geringerem Maße in die Gewässer eingespült. Aufgrund dieser Filterleistung sind diese ersten zehn Meter aber auch belastet. Dementsprechend bedarf es neben diesem ersten Pufferstreifen noch Lebensraum in einer Breite von weiteren zehn Metern, in dem die Insekten natürliche Verhältnisse vorfinden. Insekten brauchen eine möglichst vielfältig und mit Gehölzen bewachsene Uferzone, allerdings nicht durchgängig. Es reicht ein Mosaik aus offenen Abschnitten und Ufergehölzen.
Wissenschaftliche Handlungsempfehlungen der Studie für die Gestaltung von Gewässerrandstreifen:
- Die Breite von Gewässerrandstreifen sollte mindestens zehn Meter, besser 20 Meter betragen: zehn Meter als Pufferstreifen für Nähr- und Schadstoffe und mindestens weitere zehn Meter als unbelasteter Lebensraum.
- Gewässerrandstreifen sollten vielfältig und dauerhaft begrünt sein.
- Für eine wirksame Biotopvernetzung sind durchgängige Gewässerrandstreifen wichtig.
- Gewässerrandstreifen sollten an allen Gewässern verpflichtend sein. Nicht nur an denen von wasserwirtschaftlicher Bedeutung, sondern auch an Kleingewässern.
Fazit des NABU
Die neue Bundesregierung muss in Zusammenarbeit mit den Ländern mit einem intelligenten Mix aus Fachrecht, Honorierung von Allgemeinwohlleistungen und Flächenkauf oder -tausch dafür sorgen, dass die Natur entlang unserer Gewässer wieder Fuß fassen kann. Dazu gäbe es auf Landesebene mit dem Niedersächsischen Weg bereits ein gutes Beispiel.
Die Ergebnisse einer neuen Studie sind im digitalen NABUtalk „Wie schaffen wir Lebensräume an Gewässern?“ erstmalig vorgestellt worden. Vertreter*innen aus Umwelt- und Landwirtschaftsverbänden diskutierten darüber, mit welchen Maßnahmen die Umsetzung gelingen kann. Mehr →
Zum 1. März 2022 ist das Insektenschutzpaket in Kraft getreten. Nach langem Ringen ist das Vorhaben jedoch zum zahnlosen Papiertiger geworden, insbesondere der Glyphosatausstieg enttäuscht. Im Faktencheck stellen wir die neuen Regelungen und Ausnahmen vor. Mehr →
Auf den letzten Drücker doch noch beschlossen: Der Bundesrat hat dem Insektenschutzpaket zugestimmt. Der NABU begrüßt das Paket als ersten Schritt. Jedoch muss die neue Bundesregierung viel nachbessern, um wirklich gegen den Insektenschwund vorzugehen. Mehr →
Viele Arten haben sich erst durch die Landwirtschaft früherer Jahrhunderte und die dadurch entstandenen offenen und halboffenen Landschaften bei uns ausbreiten können. Doch inzwischen passiert genau das Gegenteil, noch dazu wie im Zeitraffer. Mehr →