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Viele regionale Lebensmittel versprechen mehr als sie halten
Laut einer Umfrage des Forsa-Instituts achten zwei Drittel der Verbraucher beim Einkauf immer oder meist auf die Herkunft der Lebensmittel. Regionalen Produkten, mit denen sie Frische, Qualität und Authentizität verbinden, vertrauen Verbraucher mehr als industrieller Massenware. Und sie sind bereit, dafür höhere Preise zu bezahlen. Doch das Vertrauen wird oftmals enttäuscht, denn anders als „öko“ oder „bio“ ist „regional“ kein geschützter Begriff. Verbindliche Standards existieren nicht, jeder Anbieter kocht sein eigenes Süppchen.
Lebensmittel aus der Region gab es früher fast nur im Bioladen oder auf dem Wochenmarkt. Das ist mittlerweile anders: Heute hat jeder Supermarkt regionale Produkte im Regal und wirbt mit Slogans à la „vom Heimathof“, „direkt vom Bauern“ oder „frisch aus der Region“. Vor allem Obst, Gemüse, Brot und Milcherzeugnisse sind gefragte „Heimatprodukte“. Für den Handel ein lohnendes Geschäft. Das Angebot an Waren mit regionalem Charakter wächst stetig – damit aber auch die Zahl der Logos, die die regionale Herkunft belegen sollen.
Region – ein dehnbarer Begriff
Das Problem: Region ist ein dehnbarer Begriff und da jeder Anbieter eigene Regeln aufstellt, variiert dementsprechend die Definition: Während der Allgäuer Lebensmittelhändler Feneberg den Begriff „Region“ für die Marke „Von Hier“ als „Umkreis von 100 Kilometern um den Firmensitz in Kempten“ beschreibt, begnügt sich die Handelskette Coop damit, dass die Produkte ihrer Eigenmarke „Unser Norden“ aus dem Großraum Norddeutschland stammen. Für Edeka ist „Region“ das Absatzgebiet der jeweiligen Regionalgesellschaft, mitunter sind das gleich mehrere Bundesländer. Der Discounter Lidl vertreibt die Produkte seiner Regionalmarke „Ein gutes Stück Heimat“ sogar bundesweit.
Bei den Siegeln der Bundesländer dagegen ist sofort klar, welche Region gemeint ist. 14 Qualitäts- und Herkunftszeichen wie „Bewährte Qualität Sachsen“ oder „Öko-Qualität Bayern“ sind in Gebrauch. Allerdings sind die Kriterien, die an die Produkte gestellt werden, von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Zwar müssen unverarbeitete Produkte wie Obst oder Gemüse immer zu 100 Prozent aus der genannten Region stammen, Doch bei verarbeiteten Produkten wie Wurst- oder Backwaren schwanken die Ansprüche. Während das Siegel „Gesicherte Qualität Baden-Württemberg“ beispielsweise 90 Prozent regionale Rohstoffe fordert, reicht es für „Geprüfte Qualität Thüringen“ schon, wenn es nur die Hälfte ist.
Einzige Bedingung: Kleiner als Deutschland
Um den Wildwuchs der Logos, Zeichen und Siegel zu lichten, hat die Bundesregierung vor zwei Jahren das Regionalfenster eingeführt, ein blauweißes Label mit geöffneten Fensterflügeln, zwischen denen fettgedruckt das Wort „Regional“ prangt. Es informiert über die Herkunft eines Produkts, den Ort der Verarbeitung oder Verpackung und den Anteil regionaler Zutaten. Kritiker monieren jedoch, dass nur die Hauptzutat und die „wertgebenden“ Rohstoffe aus der ausgewiesenen Region stammen müssen. Zudem gibt auch das Regionalfenster keine verbindliche Definition für „Region“ vor, sondern stellt es den Herstellern frei, wie sie den Begriff auslegen. Einzige Bedingung: Die Region muss kleiner als die Bundesrepublik Deutschland sein. Die Crux: Je größer die Region, desto weiter die Transportwege.
Verbraucher verbänden mit regionalen Lebensmitteln jedoch kurze Wege, moniert die Stiftung Warentest, die dazu im Jahre 2013 über 6.000 Personen befragt hat. Demnach erwartet über die Hälfte der Befragten, dass die Rohstoffe verarbeiteter Produkte überwiegend aus der beworbenen Region stammen. Über drei Viertel befürworten, dass die Verarbeitung eines regionalen Produktes auch ausschließlich dort erfolgt. Mit dem Kauf regionaler Lebensmittel wollen 88 Prozent der Befragten die Wirtschaft ihrer Heimatregion stärken und 72 Prozent glauben, damit die Umwelt zu schonen.
Olivenöl aus dem Spreewald
Doch die Erwartungen werden oftmals enttäuscht, hat das Verbrauchermagazin „Ökotest“ erst im vergangenen Jahr festgestellt. Nur 26 von 106 geprüften Regionalprodukten stufte die Zeitschrift als „lupenrein regional“ ein. Die Rohstoffe dieser Produkte entstammten der angegebenen Region und würden auch dort verarbeitet, verpackt und vertrieben, heißt es zur Begründung. Produkte, die als regional vermarktet wurden, obwohl sie in der beworbenen Region nur einen einzigen Verarbeitungsschritt durchliefen, fielen durch – beispielsweise ein Olivenöl, das als „Genuss aus der Spreewald-Region“ etikettiert war.
Auch wer bäuerliche Landwirtschaft und handwerkliche Erzeugung erwartet, wird oft enttäuscht. Denn Regional-Siegel belegen lediglich die Herkunft, nicht jedoch Qualität oder gar besondere Umweltstandards. „Selbst wenn Produkte mit dem Bauern um die Ecke werben, steckt oft Massentierhaltung dahinter“, schreibt die Stiftung Warentest nach einem Test von 29 regionalen Lebensmitteln, den nur elf mit „sehr glaubwürdig“ bestanden. Auffällig viele davon trügen ein Biosiegel oder das einer Regionalinitiative, schreiben die Warentester. Initiativen sind lokale Erzeugergemeinschaften, die ihre nach eigenen Vorgaben hergestellten Produkte direkt in den Handel bringen. In Bayern beispielsweise „Unser Land“, in Hessen „Landmarkt“. Das Fazit der Stiftung Warentest: Wer mit Regionalität auch Tierschutz verbinde, sei mit regionalen Bioprodukten am besten bedient.
Hartmut Netz (Nh 4/16)
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