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Einmaliges Forschungsprojekt in Schleswig-Holstein
Seit den 1930ern erschließt sich die Schellente Europa. Von Skandinavien breitete sie sich bis nach Schottland aus und von Osten bis nach Schleswig-Holstein. Entsprechend gering war ihr Bestand, als die Vogelschutzgruppe der Evangelischen Jugend Preetz Anfang der 1960er am Rand der Ostholsteinischen Seenplatte Nistkästen für sie aufhing. „Die Art war zwar selten, aber nicht bedroht. Mit unserer Hilfe wuchs ihr Bestand kontinuierlich an“, berichtet Ingo Ludwichowski, Diplom-Biologe und Geschäftsführer des NABU Schleswig-Holstein.
Da Schellenten am liebsten in Baumhöhlen brüten, waren Nistkästen ein Mittel, dem Bestand zu helfen. Wie in klassischen Naturschutzprojekten für bedrohte und seltene Arten wollten die Vogelschützer*innen der Schellente mehr Brutplätze schaffen. Gemeinsam mit vielen Freiwilligen betreut der NABU Preetz-Probstei seit 1971 mittlerweile über 100 große Nisthöhlen verschiedener Bauart. „Eine Mindesthöhe gibt es nicht, doch je höher sie hängen, desto sicherer sind die Enten vor Störungen.“
Konkurrenzfähige, konfliktarme Ente
Die künstlichen Nistplatzangebote zeigten schnell Wirkung. „Zugute kommt uns sicher auch, dass die Schellente eine eher konfliktarme Art ist, die auch die Fischerei nicht stört“, erklärt der Biologe. Sie ernährt sich vor allem von aquatischen Insekten wie Köcher- und Steinfliegen oder von Süßwassermuscheln. Heute ist die Schellente im Projektgebiet eine vergleichsweise häufige Art. Vogelarten wie der Waldkauz profitierten ebenfalls. Gänsesäger, Hohltaube oder die Dohle nutzen die Nisthilfe zeitweise mit, später im Jahr können Wespen und Hornissen einziehen. Probleme bereitet den Schellenten lediglich der Kleiber. Manchmal klebt er schon im Frühjahr den Eingang zur Höhle so zu, dass nur noch er durchpasst – und die Enten für den Rest des Jahres ausgesperrt sind.
Eine besondere Ausstattung brauchen die schleswig-holsteinischen Nistkästen nicht, um sie für die Höhlenbrüter attraktiv und sicher zu machen. Lassen sich kleinere Vögel wie Meisen in „ihren“ Wohnungen nieder, scheucht die Schellente sie raus, bevor sie zu brüten beginnen. „Prädatoren wie der Waschbär sind bei uns noch nicht verbreitet und selbst Marder stellen für unsere Schellenten erstaunlicherweise keine größere Gefahr dar. Diese interessieren sich meist für die Eier und kaum für die brütenden Weibchen“, erklärt Ludwichowski.
Nähert sich ein Marder, verlassen manche Weibchen schnell die Nisthöhle. Viele aber harren starr auf dem Gelege aus. So stiehlt der Marder nur ein Ei und zieht von dannen, ohne das brütende Weibchen zu töten. Bislang kommt der Bestand damit gut zurecht. „Schellenten brüten weniger als die Hälfte aller gelegten Eier aus, ein gewisser Verlust ist also einkalkuliert“, so Ludwichowski. Allerdings sei unklar, wie die Weibchen diese Strategie für sich entdeckt haben. Während sie sich in Skandinavien ähnlich verhielten, seien die Enten andernorts stärker von Raubtieren gefährdet: Hier werden die Kästen aufwändig vor Mardern gesichert, um Verluste zu verringern.
Der Klimakrise trotzen
Den vielen Freiwilligen, die Ludwichowski bis heute beim Anbringen und Kontrollieren der Kästen unterstützen, wird nie langweilig. Mittlerweile steht die Forschung im Mittelpunkt des Projektes. In der Brutzeit von Mitte Februar bis in den Juli werden alle Kästen im Zwei-Wochen-Rhythmus kontrolliert. „So finden wir heraus, wann die Schellenten ihre Eier legen und wie viele davon sie erfolgreich ausbrüten. Zudem beringen wir die brütenden Weibchen und ihre Jungvögel, um ihren weiteren Lebensweg individuell verfolgen zu können. Mittlerweile ist es die weltweit zeitlich am längsten untersuchte Schellenten-Population“, fasst Ludwichowski stolz zusammen.
„Wir erfassen, wann die Vögel zum ersten Mal brüten und wo sie überwintern. Durch den Vergleich über die Jahre hinweg sehen wir zudem Auswirkungen des Klimawandels auf das Brutverhalten“, erläutert der Biologe. So beeinflusst die ansteigende Frühjahrstemperatur die Zahl der Bruten. Jüngst wies das Team nach, dass zwei Schellenten-Weibchen nun nacheinander erfolgreich im selben Kasten brüten können. Sie nutzen den Nistplatz durch die verlängerte Brutzeit zweimal.
Systemschutz muss an erster Stelle stehen
Übertragbar sind die Ergebnisse nicht immer. „Schellenten verhalten sich je nach Region unterschiedlich, bevorzugen sogar andere Gewässerarten. Bei uns kommen sie mit einem hohen Nährstoffgehalt zurecht und profitieren vom Klimawandel. In Skandinavien bevorzugen sie dagegen klare, nährstoffarme Seen, ohne die positive Wirkung eines früheren Brutbeginns. Dort geht der Brutbestand tendenziell eher zurück.“
Dass die Schellente um Preetz in so einem guten Zustand ist, liegt also zum einen an ihrer Anpassungsfähigkeit. Zum anderen aber an den Aktiven vor Ort, die ihr erfolgreich Wohnraum geschaffen haben. Artenschutz in einer Form, wie er heutzutage noch häufig praktiziert werde. Doch die Ziele haben sich laut Ludwichowski erweitert: „Der Schutz von Ökosystemen ist wichtiger geworden. An oberster Stelle muss daher – egal ob für Schellente, Fledermaus, Meise oder Waldkauz – eine andere Waldpolitik stehen. In naturnahen Wäldern mit Totholz und alten Bäumen wären Nistkästen weitgehend überflüssig.“
Lisa Gebhard (Naturschutz heute 3/23)
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