Götterbaum - Foto: Helge May
Buddeln erwünscht!
Hier geht es invasiven Pflanzenarten an die Wurzel
Ein Junimorgen im Sandbruch in den Schwäbisch-Fränkischen Waldbergen: Früher wurde hier Sandstein abgebaut. Heute gedeiht der Sonnentau zwischen Heidekraut, Buschwerk und kleinen Tümpeln. An manchen Stellen wächst sogar die seltene Berg-Sandrapunzel. Aber auch die Kanadische Goldrute fühlt sich wohl. Die krautartige Pflanze mit den gelben Blüten wuchs hier lange Zeit so dicht, dass sie heimische Arten zu verdrängen drohte. Darum sind die Freiwilligen des NABU Aspach in Absprache mit dem Forst Baden-Württemberg aktiv geworden.
„Als der Revierleiter uns vor sieben Jahren vorschlug, die Goldrute auszureißen, wussten wir gar nicht, worauf wir uns einlassen“, sagt Jochen Schäufele vom NABU Aspach. Die Pflanze hatte sich auf den Sand- und Heideflächen so stark ausgebreitet, dass die acht bis zehn Freiwilligen zu Beginn viele Stunden schufteten. Aber die hartnäckige Arbeit hat sich gelohnt. „In diesem Jahr mussten wir die Kanadische Goldrute geradezu suchen und waren schon nach zwei Stunden fertig“, so Schäufele.
Invasiv oder nicht?
Wie der Name erahnen lässt, stammt die Kanadische Goldrute ursprünglich aus Nordamerika. Im 17. Jahrhundert gelangte sie als Zierpflanze nach Deutschland und ist heute in ganz Europa zu finden. Sie zählt zu den gebietsfremden Pflanzenarten, den sogenannten Neophyten. Weil die Goldrute heimische Arten vielerorts verdrängt, stuft das Bundesamt für Naturschutz (BfN) sie als invasive Art ein. Das BfN listet rund 430 gebietsfremde Pflanzenarten, die seit 1492 eingeführt wurden und sich hierzulande angesiedelt haben.
Größtenteils bereiten diese Neuzugänge keine Probleme. „Viele finden im Laufe der Zeit ihre ökologische Nische und werden Bestandteil der Vegetation“, bestätigt Thomas Hövelmann, Biologe und Sprecher des NABU-Bundesfachausschusses Botanik. Ungefähr 40 gebietsfremde Pflanzenarten gelten hierzulande allerdings als invasiv, zum Beispiel weil sie heimische Arten verdrängen, ihnen Licht oder Nährstoffe streitig machen oder Krankheiten einschleppen.
Geschützte Arten
Im Naturschutzgebiet Hirschacker und Dossenwald im Nordwesten Baden-Württembergs bereitet unter anderem der Götterbaum Probleme. Die aus Asien stammende Pflanze wächst extrem schnell und kann schon im ersten Jahr bis zu zwei Meter hoch werden. In den lückigen Kiefernwäldern und zwischen Sanddünen hat der Götterbaum wenig ernst zu nehmende Konkurrenz. Auch andere Neophyten machen sich hier breit und drohen unter anderem die geschützte Sand-Strohblume zu verdrängen. Um dieser wieder mehr Raum zu verschaffen, trommelt der NABU Schwetzingen und Umgebung jeden Sommer zu einer großen Aktion.
Erfahrene Naturschützer*innen stecken Bereiche ab, wo auch weniger versierte Helfer*innen buddeln und rupfen können, ohne Schaden anzurichten. Die weitverzweigten Wurzeln des Götterbaums auszugraben, ist Schwerstarbeit. Dagegen lässt sich das Schmalblättrige Greiskraut – eine potenziell invasive Art – gut mit der Hand herausziehen. „Da können auch Kinder mithelfen“, sagt Frank-Thomas Nürnberg vom NABU Schwetzingen.
Buddeln und schwitzen
Nicht nur auf dem Land, auch mitten in der Hauptstadt arbeiten Ehrenamtliche des NABU daran, sensible Lebensräume zu erhalten. An der Rummelsburger Bucht gibt es einen der letzten naturnahen Uferabschnitte der Spree im Berliner Stadtgebiet. Weiden und Schwarzerlen bilden die Überbleibsel eines Auwaldes; in Weißdorn- und Brombeersträuchern tummeln sich Vögel und Insekten. Jedes Jahr im Herbst schwärmen bis zu 20 Freiwillige aus und greifen der Natur unter die Arme.
„Zuerst geht eine kleine Gruppe mit der Spraydose durch das Gebiet und markiert die Neophyten – den Eschen-Ahorn und den Götterbaum zum Beispiel“, erklärt Susann Ullrich von der AG Rummelsburger Bucht des NABU Berlin. Dann heißt es graben und schwitzen – ungefähr zwei Stunden lang. „Anschließend stehen wir noch zusammen, essen Kekse und freuen uns, was für tolle Wurzelteile wir da herausgeholt haben“, sagt Ullrich.
Fehler ausbügeln
Oft werden die Aktiven gefragt, warum sie der Natur nicht einfach ihren Lauf lassen. „Wir greifen ein, weil andere vorher schon zu viel eingegriffen haben“, antwortet Ullrich dann. Unberührte Natur gibt es im dicht besiedelten Deutschland praktisch nicht mehr. Überall hat der Mensch Spuren hinterlassen. Neophyten, die beispielsweise an Straßenböschungen bewusst gepflanzt wurden, haben sich weiter ausgebreitet. Oder sie siedeln sich durch Gartenabfälle an, die – obwohl verboten – in der Natur abgeladen werden.
Noch entscheidender sind aber die großen Umweltprobleme unserer Zeit, die Ökosysteme aus dem Gleichgewicht bringen und Neophyten zum Teil begünstigen. „Problematisch sind invasive Arten vor allem in Lebensräumen, die bereits durch andere Faktoren gefährdet sind, beispielsweise durch intensive Landwirtschaft, den Klimawandel oder Eutrophierung – also einen hohen Stickstoffeintrag“, erklärt Hövelmann. Weitgehend intakte Biotope dagegen können sich vergleichsweise gut selbst regenerieren und beherbergen meistens weniger Neophyten. Damit es wieder mehr solcher Gebiete gibt, sind NABU-Gruppen von Baden-Württemberg bis Berlin und an vielen anderen Orten aktiv.
Ann-Kathrin Marr (Naturschutz heute 3/23)
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