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Der Haussperling im Spiegel der Jahrhunderte
Gäste sind uns in der Regel willkommen. Wir freuen uns auf sie, empfangen sie freundlich, bewirten sie und pflegen Konversation mit ihnen. Wenn sie sich nach angemessener Zeit wieder verabschieden, bedauern wir es. Anders ist es mit Gästen, die zu lange bleiben, die sich in unserem Haus ungeniert bewegen, die essen und trinken, was nicht für sie gedacht ist, und die sich bei uns niederlassen, als wären sie bei uns zu Hause. Solche Gäste können wir nur schwer ertragen. Solche Gäste sind bei uns schon seit Jahrtausenden die Haussperlinge, und die feindselige Einstellung den Spatzen gegenüber äußerte sich noch in unserer bäuerlichen Kindheit und Jugend in der ausdrücklichen Erlaubnis, den Spatzen nachzustellen, wo es nur ging, sie zu fangen und zu töten und ihre Nester auszunehmen.
Zu Fastnacht zehn Sperlingsköpfe
So schlecht erging es den Haussperlingen wohl schon seit der Zeit, seit sie im Gefolge der Ackerbauer aus den Steppen Vorderasiens bei uns in Mitteleuropa eingewandert sind. Zahlreich sind die Zeugnisse dafür in der Literatur. Dafür seien nur wenige Beispiele aus den vergangenen Jahrhunderten aufgeführt: Der Bremer Dichter Nikolaus Bär berichtet in seinem 1700 erschienenen Werk über die Raben (Korakophonia - Deutsche Raben-Verse), im Lüneburgischen gebe es ein Gesetz, nach dem jeder Meyerhof zu Fastnacht 10 Rabenköpfe habe abgeben müssen (gemeint sind wohl Köpfe von Krähen), wobei anstelle eines Rabenkopfes, und darauf kommt es hier an, auch 10 Sperlingsköpfe abgegeben werden konnten. Auch in Bayern und Österreich gab es im 18. Jahrhundert eine solche Abgabeverpflichtung, die im Volksmund Spatzensteuer genannt wurde.
Eine Kurmainzische Verordnung gegen die Spatzenplage vom 3. Februar 1745 stellt fest, "dass durch die des Jahrs hindurch sich in grosser Menge einfindende Spatzen dem Landmann ... an denen Früchten und Trauben nach und nach ein ziemlicher Abgang und Schaden zugefügt werde." Im Anschluss daran wird allen Bürgern, Untertanen und Beisassen befohlen, ähnlich wie in den benachbarten Territorien (es handelte sich offenbar um eine in ganz Deutschland verbreitete Maßnahme) pro Jahr 20 Spatzenköpfe abzuliefern, die von den Beamten, um Betrug zu verhindern, sofort verbrannt werden mussten. Der Hinweis auf den Betrug war wohl nicht unangebracht, denn aus dem Saale-Kreis wird aus dem 18. Jahrhundert berichtet, dass die Bauern Sperlinge gezüchtet hätten, um ihrer jährlichen Abgabeverpflichtung nachkommen zu können. Denn, wie der Mainzer Verordnung zu entnehmen ist, wurde jeder nicht gelieferte Spatzenkopf mit einer Gebühr von fünf Kreuzern belegt.
Dieb und Wollüstling
Warum der Haussperling nicht nur private Nachstellung, sondern sogar Verfolgung durch den Staat erdulden musste, wird aus der Schilderung des französischen Ornithologengrafen Buffon deutlich: "Da sie (die Sperlinge) faul sind und viel fressen, so nehmen sie ihren Unterhalt aus schon ganz angefüllten Vorräthen, das heißt, sie leben von den Güthern eines anderen. Unsere Scheunen, Kornböden, Höfe, Taubenhäuser, mit einem Worte, alle Oerter, wo man Korn sammlet und ausschüttet, besuchen sie am vorzüglichsten. Und da sie eben so gefräßig als zahlreich sind, so thun sie mehr Schaden, als sie Nutzen stiften, denn ihre Federn taugen zu nichts, ihr Fleisch ist nicht wohlschmeckend, ihre Stimme beleidigt unsere Ohren, ihre Zudringlichkeit ist beschwerlich, ihr unverschämter Muthwillen ist lästig, sie sind überhaupt Geschöpfe, die man überall antrifft, und von denen man nicht weiß, was man mit ihnen machen soll und die so viel Verdruß verursachen, dass sie in gewissen Gegenden in die Acht erklärt und ein Preis auf ihr Leben ausgesetzt ist."
Und noch in dem 1931 erschienenen Werk "Unsere heimischen Vögel und ihr Schutz" von Karl Haenel heißt es: "...so ist er (der Sperling) im allgemeinen überwiegend als lästig zu bezeichnen, teils als Allesfresser, teils als Schmarotzer, der schmackhafte Kirschen und Beeren sowie Sämereien und junge Gemüsepflänzchen wohl zu schätzen weiß, teils weil er infolge seines frühzeitigen Brutbeginnes den Meisen und anderen wertvollen Höhlenbrütern die besten Nistgelegenheiten vorwegnimmt."
In dem Werk "Breidensteins Sperling teutscher Nation" (18. Jh.) wird sogar versucht, den Schaden, den der Sperling anrichtet, zu quantifizieren: "Sechzehn Paar Sperlinge in einem Dorfe geben 12800 Junge oder 6400 Paar Sperlinge. Man will auch berechnet haben, dass ein jeder Sperling im Durchschnitt des Jahres für einen Gulden Getreide und Feldfrüchte verzehre, und dass in einem Lande von 300 Dörfern sechs Millionen Sperlinge befindlich sind, die jährlich sechs Millionen Gulden Schaden thäten." (zitiert nach Buffon - Otto 1796)
Der Ökonom des 18. Jahrhunders Peter Kretschmar rechnet aus, dass in einem Land mit 100 Städten und 4000 Dörfern die Spatzen einen Schaden 4 400 000 Reichstalern anrichten, wenn man auf jede Stadt nur 1000 und auf jedes Dorf nur 500 Sperlinge rechnet (nach Germershausen 1771).
Allzu viel ist ungesund
Zu diesen Anschuldigungen aus dem Bereich der Ökonomie und Ökologie kommen noch solche aus dem Bereich der Moral. Konrad Gesner nennt ihn in seinem 1555 erschienenen Vogelbuch "über die massen unkeusch", weil er in einer Stunde zwanzig Mal und im Lauf eines Tages dreihundert Mal "aufsitze". Schon in der ersten deutschen Naturgeschichte, dem zwischen 1347 und 1350 entstandenen "Buch der Natur" des Konrad von Megenberg, wird auf diese Eigenschaft Bezug genommen und sein lateinischer Gattungsname Passer wird mit dem Verb pati (=leiden) in Verbindung gebracht (die wirkliche Herkunft des Namens ist unbekannt), nach dem Motto "Allzu viel ist ungesund": "Darum haben sie (die Spatzen) den lateinischen Namen Passer, d.h. Leider, denn jedes Tier, das von der Unkeuschheit heftig angetrieben wird, das muss viel leiden."
Von der Spatzenbekämpfung, die bis in die 1950er Jahre noch üblich war, spricht heute niemand mehr, nicht zuletzt wegen der starken Abnahme der Bestände. Dem NABU dient der Haussperling deswegen als Galionsfigur seiner Kampagne für eine wirklich naturnähere Gestaltung der menschlichen Siedlungen, ein Vorhaben, das umso wichtiger ist, als die Siedlungen sich immer weiter ausdehnen und der "freien" Natur immer mehr Platz wegnehmen. Indem auf den Haussperling und seine Probleme aufmerksam gemacht wird, wird überhaupt auf die Probleme aufmerksam gemacht, die mit dem Flächenverbrauch, unserer Art zu wohnen und der Gestaltung unserer Siedlungen verbunden sind. Generell kann man sagen, dass etwas weniger "Ordnung" an unseren Häusern, in unseren Gärten und auf unseren Straßen nicht nur dem Sperling wieder bessere Lebensmöglichkeiten bieten würde.
Biologischer Pflanzenschutz
Wir sehen den Haussperling heute also anders als in früheren Zeiten. Aber auch damals war das Urteil über den munteren Gesellen nicht ganz so eindeutig, wie es nach dem oben Gesagten aussehen mag. Schon im Jahr 1771 veröffentlichte der Pastor Germershausen im "Wittenbergischen Wochenblatt" eine Verteidigungsschrift für den Sperling. Er geht von grundsätzlichen Überlegungen aus, die, abgesehen von ihrer religiösen Einkleidung, überaus modern wirken: Die Schullehrer müssen den Kindern "begreiflich machen, dass eins um des andern willen da sey. Gottes Weisheit wisse wohl für das Gleichgewicht seiner Creaturen untereinander zu sorgen, und der Mensch tadle Gott, wenn er ein oder anderes Werk desselben aus der Schöpfung wegwünschet." Nach einer Darstellung der Typologie der Raupen ("Zur Zeit fehlet es uns noch an einer genauen und recht vollständigen ... Raupengeschichte.") geht Germershausen dann auf den speziellen Nutzen ein, den der Haussperling stiftet. Er bewähre sich besonders als Feind des den Obstbäumen schädlichen Blattwicklers: "Hier allein erscheint der Nutzen des Sperlings in seiner ganzen Größe, indem er das vorgedachte Insect vom April bis in den Junius seine Hauptspeise seyn lässt, und da, wo er nicht gestöret und in genugsamer Menge beysammen gelassen wird, unsere Obstbäume an Früchten und Blättern zu unserm augenscheinlichsten Nutzen und Vergnügen wider ihre Feinde in Schutz nimmt und glücklich vertheidiget." Als Beispiel führt er die Stadt Potsdam an, die vor ihren Toren die schönsten Gärten und Weinberge habe. Im Jahr 1770 seien aber die meisten Obstbäume in den Gärten von der Wickelraupe abgefressen gewesen, was er auf die zu geringe Zahl der dort lebenden Sperlinge zurückführt.
Nostalgischen Gefühlen von englischen Emigranten verdankt der Haussperling wohl seine Einfuhr in die Vereinigten Staaten im Jahr 1850. Voller Spannung beobachtete man die Entwicklung des "English Sparrow" in der Neuen Welt. Eine 1852 gebildete "Vereinigung zur Förderung des Haussperlings", die sogar staatliche Fördermittel erhielt, versuchte seine Ausbreitung zu beschleunigen. Allein der Spatz hatte dies gar nicht nötig. In wenigen Jahren hatte er den gesamten Osten der USA besiedelt.
Karl Wilhelm Beichert
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