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Jetzt NABU-Mitglied werden!Nord-Süd-Gefälle bei den Regenwürmern
Erste Bestandsaufnahme für Deutschland ergibt 46 Arten
02. Oktober 2014 - Sie fressen sich durch die Erde, leben in engen Röhren und Gängen und tragen erheblich zur Bodenqualität bei: Unter einem Quadratmeter Wiese können je nach Bodenart zwischen 100 und 400 Regenwürmer leben. Doch Wurm ist nicht gleich Wurm. Am Senckenberg-Forschungsinstitut in Görlitz wurde nun erstmals eine komplette Auflistung aller Regenwurmarten in Deutschland vorgenommen.
„Es gibt 46 Arten von Regenwürmern bei uns“, erzählt die Leitautorin der Studie, Dr. Ricarda Lehmitz. Sie hat gemeinsam mit Wurmexperten aus Deutschland 16.000 Datensätze ausgewertet, um die „Regenwurm-Checkliste“ zu erstellen. „Die Daten stammen aus wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Sammlungen, Diplom- und Doktorarbeiten, aber auch von Privatpersonen aus den letzten 100 Jahren“, erklärt Lehmitz.
Unter den 46 Arten der gegliederten Würmer befindet sich auch eine sogenannte endemische Art: Lumbricus badensis, der Badische Riesenregenwurm, gibt es ausschließlich in Deutschland. Der bis zu 60 Zentimeter lange Wurm hat sich im südlichen Schwarzwald eine ökologische Nische geschaffen. „Wir nehmen an, dass sich andere Regenwürmer in den relativ sauren Böden nicht wohl fühlen“, so Lehmitz.
Einer der häufigsten Arten ist Lumbricus terrestris, der Gemeine Regenwurm oder Tauwurm. ,Er kommt in allen Teilen Deutschlands vor. 41 Prozent der Würmer „wandern“, das heißt sie haben sich nach der letzten Eiszeit in Deutschland ausgebreitet oder alte Besiedlungsgebiete wieder eingenommen. „Vier dieser 19 Arten haben wir nur in menschennahen Umgebungen, wie in Komposthaufen gefunden. Diese Arten werden häufig mit Erde oder Blumenzubehör weltweit durch den Menschen verbreitet“, erläutert Ricarda Lehmitz.
Dabei nimmt die Artenvielfalt der Regenwürmer von Norden nach Süden zu. Dieser Trend entspricht auch der europäischen Verteilung von Regenwurmarten. Grund hierfür ist die letzte Eiszeit, die vor 11.700 Jahren endete. Als die Gletscher sich zurückgezogen haben, konnten sich die Würmer vom Süden ausgehend wieder ausbreiten. In Deutschland gibt es 14 Arten, die nur in den südlichen Bundesländern vorkommen.
Bodenzoologin Lehmitz will aber nicht ausschließen, dass sich weitere Arten finden lassen: „Besonders im Alpenraum und in speziellen Lebensräumen wie an Flussufern gibt es noch Nachholbedarf bei der Regenwurminventur.“ Und auch neue genetische Untersuchungen bringen nicht selten Verborgenes ans Licht. Sogar der wohl am gründlichsten erforschte Lumbricus terrestris wurde 2010 aufgrund einer DNA-Analyse in zwei – äußerlich nicht unterscheidbare – Arten unterteilt. „Die Bestandsaufnahme der Regenwurm-Arten ist eine wichtige Basis für unsere weitere Arbeit. Als nächstes werden wir eine Gefährdungseinschätzung der Würmer in einer Roten Liste veröffentlichen“, kündigt Lehmitz an.