Moore speichern mehr erdgebundene Kohlenstoffe als alle Wälder der Erde zusammen. Helfen Sie mit einer Patenschaft dabei, Moore zu schützen und zu erhalten!
Jetzt informieren!Langzeitprobleme durch Torfabbau
Schutz der Moore ist praktischer Klimaschutz
Im Delta der Memel vor dem Kurischen Haff in Litauen liegt eines der bekanntesten Hochmoore Europas: Aukstumala. Der Kontrast zwischen der Schönheit der Moore und ihrer industriellen Zerstörung durch den Torfabbau ist in diesem Gebiet so augenfällig, denn beides grenzt hier ganz unmittelbar aneinander. Während in Deutschland heute nur noch in wenigen Regionen Nordwestdeutschlands Torf industriell abgebaut wird und die Branche auch in Polen sichtbar auf dem Rückzug ist, nimmt die Fördermenge im Baltikum sogar noch zu. Der Grund dafür ist einfach: Torf hat Substrateigenschaften, die mit steigender Nachfrage insbesondere im industriellen Gemüseanbau für unverzichtbar gehalten werden, und er ist billig – auch deshalb, weil in den Preis weder die Klimabilanz noch die Kosten der Wiederherstellung der abgetorften Flächen eingehen.
Vom Baltikum werden jährlich insgesamt knapp 2,5 Millionen Tonnen Torf über ganz Europa verteilt. „Dazu trägt auch ganz wesentlich unser Konsumverhalten bei“, sagt Nerijus Zableckis. Er arbeitet für den Litauischen Naturschutzfonds und koordiniert das litauische Projektteam von „LIFE Peat Restore“, welches der NABU zusammen mit acht Partnerorganisationen aus Polen und dem Baltikum im Jahr 2016 startete. Die Kritik an der Torfindustrie dürfe nicht scheinheilig und ohne Blick auf das Konsumverhalten geführt werden, findet Zableckis. „In beinahe jeder spanischen Gewächshaustomate und in 99 Prozent aller in der EU verspeisten Salatköpfe steckt baltischer Torf in der Erzeugung.“
Industrieller Gemüseanbau vernichtet Moore
Insbesondere der sogenannte Weißtorf, also der von Torfmoosen gebildete Torf, steht hoch im Kurs des Gartenbaus. Er hat ein für Pflanzenwachstum sehr günstiges Nährstoffverhältnis, eine für die Anwendung vorteilhafte Konsistenz, ist keimfrei und homogen. Kompost oder andere Ersatzsubstrate können bei der Keimfreiheit nicht mithalten, weshalb im Biogemüsebau auch Torf verwendet wird, um auf chemische Pflanzenschutzmittel verzichten zu können.
Insgesamt vier Projektflächen in ganz Litauen sollen in den kommenden Jahren durch „LIFE Peat Restore“ renaturiert werden, darunter auch eine ehemalige Abtorfungsfläche bei Aukstumala. Um die Torfindustrie nicht aus ihrer Verantwortung für die Renaturierung zu entlassen, hat Nerijus den Branchenverband der Litauischen Torfproduzenten als Projektpartner gewinnen können. Bislang ist es kaum gelungen, Moore nach der Abtorfung wieder voll funktionsfähig zu renaturieren. Oft regeneriert sich die torfbildende Vegetation nicht allein und muss transplantiert werden.
Langfristig müsse es beim Torf aber auch eine Kostengerechtigkeit am Markt geben, also einen Einbezug der Umweltkosten des Torfabbaus. „Dann wird Torf nicht mehr der billige, leicht verfügbare Rohstoff sein, der einem in einigen Baumärkten noch heute als Gartenerde begegnet“, sagt Letícia Jurema, Projektleiterin von „LIFE Peat Restore“ in der NABU-Bundesgeschäftsstelle. „Wir müssen den Verbrauch und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen wirksam und drastisch reduzieren.“
Torfabbau
Torfabbau war auch in Deutschland einst weit verbreitet. Wurde Torf früher vor allem als Brennstoff genutzt, bedient die heutige Torfindustrie den Gartenbau mit Kultursubstraten, die zu 90 Prozent aus Torf bestehen. 95 Prozent der deutschen Torfabbaugebiete liegen in Niedersachsen. Hier werden jährlich rund 6,5 Millionen Kubikmeter Torf abgebaut. Die Nachfrage des Gartenbaus allein in Deutschland beträgt aber ca. 9 Millionen Kubikmeter. Deshalb wird zusätzlich Torf aus dem Baltikum importiert. Den Höhepunkt des Torfabbaus erreichten die baltischen Länder während der Ära der Sowjetunion in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Durch den Beitritt Estlands, Lettlands und Litauens zur Europäischen Union konnten viele Moore als Natura-2000-Schutzgebiete gesichert werden. Allerdings blieben viele der Torfabbaurechte trotz der Schutzgebietsausweisungen unangetastet. Die steigende Nachfrage nach baltischem Torf in Europa führt aber zu einer erhöhten Gefahr für die noch intakten Moore. So hat beispielsweise das deutsche Unternehmen Klasmann-Deilmann seine Produktion in Litauen und Lettland in den letzten Jahren bereits deutlich intensiviert. Der Branchenriese produzierte alleine im vergangenen Jahr 3,5 Millionen Kubikmeter Kultursubstrat – gewonnen aus 2,9 Millionen Kubikmetern Torf.
Innovative Renaturierungstechniken sind gefragt
Welche Langzeitprobleme der Torfabbau verursacht, zeigt sich auch einige Hundert Kilometer weiter südwestlich von Aukstumala, nahe der polnischen Stadt Gdansk. Marek Sobocki könnte eigentlich zufrieden sein. Der Direktor des Slowinski Nationalparks zählt jährlich 350.000 Besucher. Sorgen bereiten ihm allerdings die ehemaligen Abtorfungsflächen, die im malerischen Küstennationalpark liegen. Der Torfabbau ist hier seit fast 40 Jahren Geschichte, auch in die Wiederherstellung des natürlichen hydrologischen Regimes wurde bereits viel investiert. Aufgrund ihrer Uferstruktur und Größe regeneriert sich die Vegetation in den Torfstichen aber nicht von selbst. Vor allem der Wellenschlag macht jeden selbstständigen Ansiedlungsversuch von Torfmoosen zunichte.
Gemeinsam mit dem polnischen Projektpartner vom Klub Przyrodników entstand daher die Idee, schwimmende Inseln mit torfbildender Vegetation als Wellenbrecher zu installieren. Von den Inseln aus und in deren Windschatten kann die Wiederbesiedlung stattfinden.
Klimagipfel muss Moorschutz stärken
Im November wird wieder die UN-Klimakonferenz im Mittelpunkt der Berichterstattung stehen. Eine essenzielle Frage ist die nach dem richtigen Umgang mit natürlichen Kohlenstoffsenken. Anders als beim Verbrennen fossiler Energieträger emittieren falsch behandelte Ökosysteme wie die Moore meist unsichtbar. Bislang werden sie nur auf dem freiwilligen Zertifikatemarkt in der Klimarahmenkonvention berücksichtigt. Das ermöglicht zwar die freiwillige Finanzierung von Moorschutzmaßnahmen. Wichtiger wären aber verbindliche Ziele und Instrumente, wie diese Emissionen reduziert werden. Nach dem Pariser Klimaabkommen sollen die Vertragsstaaten immerhin bis 2020 verbindliche Inventare aller aus Landnutzung resultierender Emissionen erstellen.
Der NABU und seine Partner im Projekt „LIFE Peat Restore“ wollen beweisen, dass es bis zu einem gewissen Grad möglich ist, auch stark geschädigte Moore von Deutschland bis Estland für den Klimaschutz wieder zu renaturieren. Durch die Zerstörung werden Moore zu einem Treiber des Klimawandels, dabei sind sie auch immer Teil der Lösung.
Tom Kirschey & Andreas Herrmann
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