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Das Wollmatinger Ried am Bodensee
Schöne, große Naturreservate gibt es in nur an der Nordsee und im Osten? Von wegen! Das Wollmatinger Ried in Baden-Württemberg hat einiges zu bieten - und nicht nur den Experten.
"Also, bei uns gibt es Schnatter-, Krick-, Knäk-, Löffel-, Tafel-, Spieß-, Reiher- und Kolbenenten sowie Schwarzhalstaucher und Singschwäne". Die Finger von Hannah Schürhold, Mitarbeiterin des NABU-Naturschutzzentrums Wollmatinger Ried, schaffen gar nicht mehr mitzuzählen, als sie die vielfältigen Vogelarten des Naturschutzgebietes auflistet. Als sie später noch einige seltene Pflanzen vorstellt - "Es gibt hier zirka 22 Orchideen, vier Enziane" - und als sie auf interessante Insekten wie die Mooshummel und verschiedene Ameisen-Bläulinge verweist, wird auch den Laien klar, dass das "Wollried" seinen Ruf als eines der wichtigsten Naturreservate in Baden-Württemberg voll verdient hat.
Reiches Leben im Flachwasser
Mit seinen 767 Hektar ist das Naturschutzgebiet "Wollmatinger Ried-Untersee-Gnadensee", wie es offiziell heißt, zudem das größte am deutschen Bodenseeufer. Zwischen dem Ufer des Seerheins westlich von Konstanz und dem Gnadensee bei Allensbach-Hegne gelegen, bietet es 600 Farn- und Blütenpflanzen, zirka 290 Vogelarten sowie zahlreichen Insekten und Kleintieren Lebensraum.
Der Grund: die äußerst dynamische und vom Menschen kaum beeinflusste Landschaft. Grob unterscheiden lassen sich drei Lebensräume, die jeweils zirka ein Drittel der Fläche ausmachen: die Flachwasserzone, das Schilfröhricht und die Streuwiesen. Für Ornithologen ist vor allem die Flachwasserzone interessant. Dort leben besondere Arten, wie die Kolbenente und der Schwarzhalstaucher. Für Laien ist die ungeheure Masse der Vögel ein Erlebnis. Im Herbst und Winter, wenn zahlreiche Arten das Wollried als Rast- und Überwinterungsgebiet nutzen, kommen bis zu 50.000 Vögel vor.
Das Schilfröhricht, das sich an die Flachwasserzone anschließt, wirkt nur auf den ersten Blick wie ein langweiliger Lebensraum. Zahlreiche Vögel, wie zum Beispiel Drosselrohrsänger, Rohrweihe oder die seltene Bartmeise, lassen sich hier entdecken und auch verschiedensten Insekten bietet das Schilf Schutz und Nahrung.
Duftlauch in den Streuwiesen
Besonders interessant am Wollried sind aber die so genannten Streuwiesen. Sie verdanken ihre einmalige Artenvielfalt der traditionellen winterlichen Mahd und den regelmäßigen sommerlichen Überflutungen. Hierdurch entstanden die Pfeifengras-Duftlauch-Wiesen. Der eine Namensgeber der Wiesen, das Blaue Pfeifengras, ist eine typische Pflanze für feuchte, nährstoffarme Standorte. Da sie wegen ihres langen Stängels sehr gut Flüssigkeit aufsaugt, war sie früher als Einstreu für Viehställe sehr begehrt, daher auch der Name "Streuwiese". Der andere Namensgeber, der Duftlauch, macht die Streuwiesen im Hochsommer zu einem unvergesslichen Geruchserlebnis.
Da der Bodensee als einer der letzten großen Seen in Mitteleuropa dem natürlichen Wechsel von Hoch- und Niedrigwasser folgen darf, werden regelmäßig Teile des Ufers überflutet, besonders am Wollried. Nirgendwo am Bodensee sind diese Flächen noch so ausgedehnt wie hier, wo selten gewordene Arten der Feuchtwiese einen Lebensraum finden. In extremen Hochwasserjahren wie zum Beispiel 1999 können bis zu 99 Prozent Land unter sein.
Im Mai verwandeln unzählige Exemplare der Sibirischen Schwertlilie die Streuwiesen in ein riesiges, lilafarbenes Blütenmeer. Bis in den Herbst hinein sind zahlreiche Orchideen und Enziane zu bewundern. Eine botanische Kostbarkeit ist die Sumpf-Siegwurz, deren letzter Standort in Baden-Württemberg hier liegt. Mit ihren leuchtenden, rosafarbenen Blüten gehören auch die Mehlprimeln zu den Juwelen der Streuwiesen. Sie kommen auf einigen wenigen quellig-feuchten Flächen des Rieds vor.
Kampf gegen die Verbuschung
Da die Streuwiesen des Wollmatinger Rieds regelmäßig überflutet wurden, konnten die Bauern sie nur einmal im Jahr im Winter mähen - was vielen Tier- und Pflanzenarten weiteren Schutz und Lebensraum bot. Als vor 40 Jahren das Pfeifengras als Einstreu überflüssig wurde, lohnte sich für die Landwirte die Bewirtschaftung der Streuwiesen nicht mehr. Das Wollmatinger Ried drohte zu verbuschen. Erst als zirka zehn Jahre später engagierte Naturschützer anfingen die Flächen zu pflegen, konnten diese und die darin vorkommenden Tier- und Pflanzenarten erhalten werden.
Seit 1979 ist der NABU offiziell für den Erhalt des Wollrieds zuständig - und hat schon viel erreicht. Zahlreiche internationale Auszeichnungen für das Gebiet, wie zum Beispiel das "Europadiplom", zeugen davon. Der NABU plant und organisiert die Pflegemaßnahmen, wie die winterliche Mahd und das Entbuschen von Flächen. Außerdem erfasst er regelmäßig die Bestände verschiedener Vogelarten und Pflanzen. Eine weitere wichtige Aufgabe ist die Überwachung des Gebiets. Wenn zum Beispiel Störenfriede vom Wasser aus unerlaubt ins Gebiet eindringen wollen, werden sie von ehrenamtlichen Helfern aufgehalten, die im Hausboot "Netta" unterwegs sind.
Sonntags große Riedführung
Eine der wichtigsten Aufgaben des NABU im Wollried ist zudem das Veranstalten von über 200 Führungen pro Jahr, denn das Ried ist in weiten Teilen für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Jeden ersten und dritten Sonntag im Monat, jeweils um 8.30 Uhr, gibt es beispielsweise die Große Riedführung. Bei diesem dreistündigen Spaziergang lernt man die ganze Vielfalt des Wollrieds und die wichtigsten Tier- und Pflanzenarten kennen.
Wer das Ried lieber auf eigene Faust erkunden möchte, muss sich auf die öffentlichen Wege beschränken. Besonders zu empfehlen ist der Gottlieber Weg, von dem man aus die Streuwiesen genießen kann und der an einem Flachwasserteich vorbei zum Seerhein führt. Vogelfreunde nutzen zudem die Beobachtungsplattform, die vom NABU in der Ruine der Wasserburg Schopflen errichtet wurde oder schauen sich im Herbst Vögel vom Campingplatz in Hegne aus an.
von Sonja Wittlinger
Das NABU-Zentrum stellt Jahr für Jahr ein prall gefülltes Programm zusammen, mit dem sich die Natur am Bodensee-Untersee erkunden lässt. Zu den Höhepunkten zählen geführte Schiffstouren, die Landschaftserlebnis und intensive Vogelbeobachtung verbinden. Mehr →
Im Frühsommer mischt sich im Wollmatinger Ried bei Konstanz ein blaues Blütenmeer ins Grün der Pfeifengraswiesen. Zehntausende blauvioletter Blüten der Sibirischen Schwertlilie stehen für kurze Zeit in voller Blüte und geben der Landschaft einen besonderen Reiz. Mehr →