Am Unteren Niederrhein ist ein wichtiges Brutgebiet für den stark gefährdeten Kiebitz – doch auch hier lauern viele Gefahren. Bitte helfen Sie dabei, die Kinderstuben des kleinen Vogels zu schützen!
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Ergebnisse neuer DDA-Studie unterstützen NABU-Forderungen
„Agrarvögel im Sinkflug“ oder „Dramatisches Vogelsterben in unserer Agrarlandschaft“ – diese Nachrichten sind nicht neu. Seit Jahren nimmt die Zahl der Agrarvögel in Deutschland drastisch ab. Einst häufige Arten wie die Feldlerche oder die Turteltaube werden immer seltener oder sind fast völlig aus der Landschaft verschwunden. Eine im Januar 2020 veröffentlichte Studie des Dachverbands Deutscher Avifaunisten (DDA) ist den Ursachen des Vogelschwunds auf unseren Feldern und Wiesen auf den Grund gegangen.
Die neue und gute Botschaft der Studie ist: Weil wir jetzt die relevanten Faktoren für den Vogelschwund kennen, wäre es mit wenigen Maßnahmen leicht möglich, diese Entwicklung umzukehren. Und die Vogelbestände könnten sich wieder erholen.
Studie untersucht konkrete Einflussfaktoren
Die Hauptursachen für das Agrarvogelsterben wurden schon oft genannt: die Veränderung der Landnutzung mit immer intensiverer Landwirtschaft, hohen Mengen an Pestiziden und Dünger sowie dem Verlust von Hecken, Brachen und blühenden Wegrainen. Die gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) spielt eine wichtige Rolle bei dieser Intensivierung.
Die Studie des DDA und des Bundesamts für Naturschutz (BfN) hat nun erstmals den Einfluss von konkreten Faktoren auf den Bestand von Feldvögeln, wie Feldlerche oder Kiebitz, berechnet.
Das Ergebnis ist eindeutig: Der wichtigste Faktor für die dramatischen Bestandsrückgänge ist die Abnahme ungenutzter Brachflächen bei gleichzeitiger Zunahme des Anbaus von Mais und Raps. Wie konnte es dazu kommen? Da ist zum einen die Abschaffung der EU-weiten Flächenstilllegung im Jahr 2008 – sie führte zu deutlichen Bestandseinbrüchen. Zum anderen trat fast zeitgleich das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Kraft. Die Folge: Große Flächenanteile wurden nun für den Anbau von Bioenergie-Pflanzen wie Raps und Mais genutzt – Ackerfrüchte, die nachweislich schlechtere Lebensraumeigenschaften für die klassischen Vogelarten der Agrarlandschaft aufweisen.
Die Lösung: Mehr Brachflächen und mehr Grünland
Aufgrund der vorgenommen Ursachenanalyse konnten die Autor*innen der Studie nun auch berechnen, wie bestimmte Schutzmaßnahmen zu einer Erholung der Agrarvogelbestände beitragen könnten. Die untersuchten Maßnahmen entsprechen den wesentlichen Forderungen des NABU und anderer ornithologischer Fachverbände.
Die Wissenschaftler*innen fanden heraus, dass die Feldvogelbestände wieder um 60 Prozent zunehmen könnten, wenn wir den Anteil der Brachflächen wieder auf zehn Prozent der deutschen Landwirtschaftsfläche bei entsprechender Reduktion der Maisanbaufläche erhöhen würden, wie dies noch Anfang des Jahrtausends der Fall war. Die NABU-Forderung „Space for Nature“ schlägt das im Wesentlichen vor. Um weitere 17 Prozent würden die Bestände wieder ansteigen, wenn wir den Grünlandanteil an unserer Agrarfläche von 27 auf 30 Prozent erhöhen, weitere 14 Prozent Zunahme ergäben sich aus einer Reduktion der Rapsanbaufläche um 215.000 Hektar, also um etwa 1,2 Prozent der gesamten Agrarfläche. Als Bezugsgröße wurden die Bestandszahlen von 2013 verwendet.
Aufgrund mangelnder Daten konnte der zusätzliche Nutzen von Hecken, Feldrainen oder Waldrändern nicht in die Berechnungen mit einbezogen werden. Durch solche Elemente könnte man den „Space for Nature“, also die nicht-produktiven zehn Prozent der Agrarfläche, noch zusätzlich aufwerten.
Neben dem Einfluss von Brachflächen oder dem Mais- und Rapsanbau gehörten auch die Wetterverhältnisse bei uns oder die Witterungsbedingungen der Überwinterungsgebiete zu den untersuchten Faktoren in den wissenschaftlichen Modellen. Die Studie zeigt deutlich, dass aber vor allem eine Zunahme an Brachflächen sowie Wiesen und Weiden einen positiven Effekt auf die Anzahl der Feldvogelbrutpaare haben.
Die einzelnen Arten profitieren allerdings unterschiedlich stark von diesen Maßnahmen: Turteltaube und Stieglitz reagierten zum Beispiel deutlich auf einen hohen Anteil an Brach- und Grünlandflächen in ihrer Umgebung. Dahingegen gingen die Bestände aller Arten, besonders von Feldlerche und Kiebitz, bei einem hohen Anteil von Mais und Raps in der Umgebung zurück. Die Bedingungen in den Überwinterungsgebieten in der Sahelzone oder das Wetter bei uns hatten dagegen keinen entscheidenden Einfluss auf den Bestand der verschiedenen Arten. Es ist also vor allem die Landnutzung, die sich auf die Bestandsentwicklung der Feldvogelarten auswirkt, und nicht die Witterungsbedingungen.
Fazit
Die Ergebnisse der Studie zeigen deutlich, wie sich die dramatische Bestandsentwicklung bei den Agrarvögeln umkehren lässt. Dabei erweist sich die Erhöhung des Bracheanteils auf 10 Prozent der Fläche als entscheidende Maßnahme.
Damit unterstützt die Studie die „Space for Nature“-Forderung des NABU: Wir wollen, dass als Grundvoraussetzung für EU-Agrarsubventionen jeder Betrieb mindestens zehn Prozent seiner landwirtschaftlichen Fläche – zum Beispiel als Brache, Blühstreifen oder Randgehölz – aus der Produktion nehmen und für den Erhalt der Artenvielfalt freigeben soll.
Es gibt eine echte Chance, unsere Agrarvögel zu retten. Dafür muss in der Agrarpolitik umgesteuert und der Artenvielfalt endlich Priorität eingeräumt werden – für eine natur- und umweltverträgliche Landwirtschaft in Europa.
Die Studie wurde am 17. Januar 2020 in „Bird Conservation International“, der Fachzeitschrift von BirdLife International, in englischer Sprache veröffentlicht: Malte Busch (DDA) et al.: „Drivers of population change in common farmland birds in Germany“
Hier geht's zur StudieEine deutsche Zusammenfassung der Studie finden Sie auf der Webseite des Dachverbands Deutscher Avifaunisten (DDA) unter „Aktuelles“ mit Datum vom 17. Januar 2020.
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