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NABU bewertet Konjunkturpaket der Bundesregierung
Am 01. Juli 2020 gab es einen klaren Auftrag für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft: 1,3 Millionen Menschen haben Petitionen für klimafreundliche Konjunkturprogramme unterzeichnet und fordern gemeinsam: "Unser Geld nur für eine grüne und gerechte Zukunft!“.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat diese Unterschriften stellvertretend für die gesamte Bundesregierung vor dem Bundeskanzleramt entgegengenommen. Die Regierungsmitglieder kamen am Mittwochvormittag zu ihrer ersten Kabinettssitzung während der deutschen Ratspräsidentschaft zusammen. Christoph Heinrich vom WWF Deutschland und Jörg-Andreas Krüger vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) überreichten die Unterschriften an Schulze, die während der deutschen Ratspräsidentschaft Vorsitzende des EU-Umweltrates ist. Der NABU und der WWF hatten zusammen mit Avaaz, WeMove und Sum of Us zur Zeichnung der Online-Petitionen aufgerufen.
04. Juni 2020 - Nach teils zähen Verhandlungen hat die Bundesregierung heute ihr Konjunkturpaket vorgestellt. Insgesamt 57 Punkte hat die Große Koalition vereinbart, um die Folgen der Corona-Krise abzumildern und die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Der NABU bewertet die geplanten Maßnahmen sehr unterschiedlich.
Neben einigen positiven Punkten ist es vor allem unverständlich, dass Themen des Natur- und Umweltschutzes quasi keine Rolle spielen. Bereits in den einführenden Worten, worauf das Konjunkturprogramm abzielt, hätten die Elemente von Nachhaltigkeit oder Ökologie erwähnt werden müssen. Auch auf den weiteren 14 Seiten spielen Natur und Umwelt kaum eine Rolle.
Naturschutz: Ein vergessener Problemfall
Dabei wären Programme zur Förderung des urbanen Grüns oder von Renaturierungen hier sehr passend gewesen, denn gerade davon hätte die regionale Bauwirtschaft profitieren können. Teilweise enthält das Konjunkturprogramm sogar Ansatzpunkte für kontraproduktive Entwicklungen, zum Beispiel im Bereich Wald oder Binnengewässer: Die in Aussicht gestellten Fördergelder für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung müssen unbedingt an klare Kriterien zur Förderung der Waldökosysteme und zur Verbesserung des Wasserhaushaltes im Wald gekoppelt werden. Nur so können wir den Herausforderungen der Arten- und Klimakrise begegnen – andernfalls sorgen wir dafür, dass sich ohnehin verstärkende Problemlagen manifestieren.
Bis zum Jahr 2020 sollten fünf Prozent der Wälder in Deutschland aus der Nutzung genommen werden. Dieses Ziel wurde bei weitem verfehlt. Dabei sind Naturwälder von unschätzbarem Wert: Für die biologische Vielfalt und als Beitrag zum Klimaschutz. Mehr →
Verkehr: Überraschungen und alte Problemkinder
Nach heftigen Protesten hat die Große Koalition letztendlich entschieden, doch von Kaufprämien für Autos mit Verbrennungsmotor abzusehen. Diese Entscheidung begrüßen wir sehr. Steuermilliarden für klimaschädliche Fahrzeuge auszugeben, ist selbst in Zeiten konjunktureller Schwäche ein absolutes No-Go und würde die wesentlich größere Klimakrise nur befeuern.
Ebenso positiv ist die Unterstützung des von der Corona-Krise arg gebeutelten ÖPNV. Jedoch gehen die anderen Elemente des Umweltverbunds leer aus - sehr bedauerlich, denn auch Rad- und Fußwege müssten dringend ausgebaut werden.
Positiv zu bewerten sind die angekündigten Maßnahmen (wie z. B. die Förderung von Landstrom) im Bereich der Schifffahrt. Diese können einen wichtigen Impuls setzen, in der Schifffahrt endlich in Richtung emissionsfreier Antriebe durchzustarten. Flüssiggas, so genanntes LNG, das im Konjunkturprogramm explizit genannt wird, kann dabei jedoch keinen Beitrag leisten und darf in keinem Fall gefördert werden, da hier unter dem Strich auch höhere Treibhausgasemissionen im Vergleich zu heutigen Technologien entstehen können.
Immer mehr Schiffsbetreiber greifen aus Gründen des Klimaschutzes auf LNG als Treibstoff zurück. Doch das Flüssigerdgas entpuppt sich als schädlicher Irrweg, denn es verursacht Methanemissionen, die bis zu 82-mal klimaschädlicher sind als CO₂. Mehr →
Um die Binnenschifffahrt wiederum zu fördern, soll auch Geld bereitgestellt werden, um Schleusen zu sanieren und Ufer zu sichern. Dies muss a) auf die wirklich verkehrsreichen Flussabschnitte konzentriert und b) möglichst naturverträglich ausgestaltet werden (beispielsweise durch den Vorzug ingenieurbiologischer Ansätze anstatt althergebrachter Stein-und- Beton-Maßnahmen). Andernfalls drohen die Errungenschaften des „Blauen Bandes“ konterkariert zu werden und die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie in noch weitere Ferne zu rücken.
Unter dem Deckmantel der Konjunkturbelebung
Eine Besorgnis erregende Entscheidung ist die Ankündigung zur Planungsbeschleunigung bei Infrastrukturvorhaben sowie die angedrohte Wiedereinführung der sogenannten materiellen Präklusion. Hier wird nun versucht unter dem Deckmantel der Konjunkturbelebung einen Punkt durchzudrücken, der seit Jahren für Ärger sorgt. Der NABU sieht es genauso, dass wichtige Projekte nicht in der Geschwindigkeit vorankommen wie es geboten wäre. Um dies zu ändern wäre aber vielmehr eine deutlich bessere personelle Ausstattung der Planungsbehörden nötig.
Das vom Bundestag verabschiedete Gesetz zur Planungsbeschleunigung großer Verkehrs-Infrastrukturprojekte ist nicht EU-rechtskonform. Das belegt ein vom NABU beauftragtes Gutachten. Projekte könnten dadurch sogar verzögert werden. Mehr →
Erneuerbare Energien: Klimaschutz light
Die Beschleunigung der Energiewende - einer der Eckpfeiler, um die Klimakrise doch noch in den Griff zu bekommen - kommt im Konjunkturprogramm zu kurz. Die Senkung der EEG-Umlage mag zwar dazu führen, dass die Finanzierung von Erneuerbaren Energien gerechter und sozialverträglicher wird, sie wird aber nicht per se zu mehr erneuerbaren Energien führen. Zudem muss kritisch geprüft werden, ob ein niedrigerer Strompreis nicht dem Ziel des Stromsparens entgegenwirkt.
Viele weitere Maßnahmen sind ohnehin schon beschlossen und zum Teil bereits verabschiedet. Dazu gehört die Aufhebung des PV-Deckels und die künftige Abstandsregel von Windenergieanlagen zur Wohnbebauung genauso wie die Steigerung des Ausbaus von Offshore-Windenergie. Gut ist das höhere Budget für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Jetzt muss nur noch sichergestellt werden, dass das Programm auch tatsächlich zu mehr Investitionen in einen klimaneutralen Gebäudebestand führt. Ein guter Ansatz wäre es, eine neue Förderschiene für die energetische Sanierung von Dächern und der gleichzeitigen Nutzung von Sonnenenergie in dem Programm zu etablieren.
Auch die Ankündigung, dass eine Wasserstoffstrategie national und in Partnerschaft mit anderen Ländern in Kürze vorgelegt wird, heißen wir grundsätzlich gut. In der Strategie müssen aber nicht nur die Grundlagen für den Markthochlauf von Wasserstoff dargelegt werden, sondern es muss ebenfalls sichergestellt werden, dass durch eine Wasserstoffwirtschaft keine neuen Abhängigkeiten zu fossilen Energieträgern geschaffen werden.
Schließlich werden für Kommunen die Hürden genommen, Gelder der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) abzurufen. Das begrüßen wir als NABU sehr, denn Klimaschutz ist Daseinsvorsorge und darf nicht abhängig von Polstern im Haushalt sein.