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Jetzt NABU-Mitglied werden!Bioökonomie-Workshop 2016
Wie geht es weiter mit der Bioökonomie-Strategie der Bundesregieung?
Der Schutz der Biodiversität und der Erhalt der ökologischen Tragfähigkeit der Erde stehen im Zentrum der NABU-Aktivitäten. Diese Ziele müssen auch in die Politik- und Forschungsstrategie „Bioökonomie“ mit eingebracht werden.
Die Bundesregierung bekennt sich zu den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung (SDG), wie sie von den Vereinten Nationen jüngst beschlossen wurden. Deutschland hat sich zudem verpflichtet, deutlich mehr als bislang zur weltweiten Gerechtigkeit beizutragen, die SDGs sollen in nationale Politikansätze integriert werden.
Die Neufassung der Bioökonomiestrategie ab dem Jahr 2017 wird ein erster Testlauf für eine konkrete Umsetzung. Vor diesem Hintergrund haben Vertreter aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik in einem zweitägigen Workshop in der Naturschutzakademie des BfN auf der Insel Vilm diskutiert, wie die neue Bioökonomie-Strategie der Bundesregierung zu den SDGs beitragen kann und Ideen für gemeinsame nächste Schritte gelegt.
Diese Dokumentation gibt einen Überblick über die Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen und soll die Kommunikation zwischen verschiedenen Stakeholdergruppen unterstützen.
Download Workshop-Dokumentation
Ergebnisse der Tagung
Dr. Andrea Noske (BMBF) gab einen Überblick über die Geschichte der nationalen Bioökonomiestrategie. Die Aufgaben der Politik sieht sie darin “sich den Überblick zu verschaffen und zu behalten“ sowie „dort einzugreifen, wo es sinnvoll und notwendig ist“. Die Aufgabe der Forschung ist es, sozial, ökonomisch und ökologisch gerechte Lösungen und Alternativen zu erarbeiten. Die Bioökonomie „kennt keinen Stillstand“, sie sei ständig im Wandel.
Die neue Bioöonomiestrategie ist 2018 zu erwarten. 2017 wird eine Evaluation und Bewertung der letzten Strategie vorgenommen. „Öffentliche Diskussion ist unentbehrlich, um Missstände aufzudecken, Standards und Prioritäten festzulegen, Handlungsmöglichkeiten zu evaluieren.“
Deshalb soll sich die Zivilgesellschaft einbringen.
In der anschließenden Diskussion wurde kritisch angemerkt, ob die Ziele der Bioökonomie insbesondere Food First unter der Maxime der Profitmaximierung überhaupt erreichbar seien.
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Dr. Hans-Jürgen Froese (BMEL) stellte die Politikstrategie Bioökonomie vor und problematisierte den Ansatz Food First, da unbestimmt bleibe, wie dieser abzusichern ist. Es fehle eine “Vision und das gemeinsames Verständnis für eine nachhaltige Bioökonomie ist bislang schwach ausgeprägt (Verständnis- und/ oder Akzeptanzproblem”.
Im August 2016 startete ein dreijähriges Monitoringprojekt für die Bioökonomie, das sowohl ökologische als auch ökonomischer Parameter betrachtet. Zum Schluss gab Froese einen Überblick über die Forschungsaktivitäten des BMEL im Bereich der Bioökonomie.
Ein neuer Dialogprozess soll die Nachhaltigkeit in der Bioökonomie kommunizieren. Kritisch endete der Vortrag mit der Frage, wieviel Biobasierung der Ökonomie eigentlich umweltverträglich ist und ob die bisherigen Strukturen ausreichen, um eine kohärente Bioökonomie zu gestalten.
Prof. Dr.-Ing Dabiele Thrän konzentrierte sich auf die Arbeit des Bioökonomierates (BOER). Das Konzept der Bioökonomie hat sich von einem Substitutionsansatz (Ersatz für Öl) hin zu einem Innovationsansatz für Nachhaltigkeit gewandelt.
Bioökonomie ist ein weltweites Konzept und tangiert wesentliche SDG. Der BOER hat wichtige Zukunftsfelder identifiziert: Narrativ Nachhaltigkeit, Gesellschaft als treibende Kraft, die international Dimension der Bioökonomie und die Identifikation von Leitprojekten. Beispiele für Leuchtturmprojekte gibt es im Bereich Stadt, nachhaltiger Konsum, Aquakulturen, biobasierte Kreislaufwirtschaft sowie künstliche Fotosynthese.
Uwe Fritsche (INAS) stellte das Projekt Global Lands vor, das sich mit globalen Standards zur nachhaltigen Landnutzung beschäftigt.
Die SDGs geben starke Ziele (insb. Ziel 15) für Landnutzung vor. Die Regelung möglicher Zielkonflikte steht neben Monitoring und Indikatorenentwicklung im Focus der Untersuchungen.
Global wird Biomasse vorwiegend energetisch genutzt, die Potenziale sind jedoch begrenzt. Aktuell gibt es keine Anreize für die stoffliche Nutzung und die Nachhaltigkeit der energetischen Nutzung ist global nicht standardisiert.
Die Soziologin Prof. Dr. Gesa Lindemann stellte Würde und Freiheit in den Mittelpunkt einer gerechten Bioökonomie. Diese sind nach ihrer Auffassung, die normativen Prinzipien in einer funktional ausdifferenzierten Gesellschaft. Eine moderne Gesellschaft funktioniert in unterschiedlichen Systembereichen wie Politik, Wirtschaft oder Wissenschaft mit eigenen Logiken. Wichtig ist nur, dass jeder in diesen unterschiedlichen Kommunikationszusammenhängen teilhaben kann und kein System dominiert. Deshalb ist die Kritik fundamental für den Erhalt von Würde und Freiheit.
Gesa Lindemann übertrug diesen Ansatz auf Natur und Umwelt, auch hier dürften keine Nutzungsformen (Kommunikationszusammenhang) dominieren, sondern müssen für alle offen bleiben. Konkret darf die Natur nicht nur unter ökonomischen Zwängen betrachtet werden; sie erhält auch die Biodiversität und muss einem ästhetischen oder spirituellen Zugang sowie als Lebensraum für Mensch und Tier zur Verfügung stehen. Diese Offenheit für unterschiedliche Nutzungsformen (Kommunikationszusammenhänge) könnte rechtlich und normativ abgesichert werden
Stig Tanzmann fragte nach, warum Bioökonomie für einen Entwicklungshilfeverband relevant ist. Am Beispiel der Gesundheit machte er klar, wie die Monopolisierung und Patentierung des Wissens wichtige Medikamente für die Menschen des Südens wie die Armen des Nordens unerschwinglich macht. Dagegen setzte er das “Recht to enjoy the benefits of scientific progress and its application“. Was bedeutet das für den Zugang zu Wissen, zu Saatgut und die Verwertung der Grundlagenforschung in der Industrie? Für dieses Recht ist es wichtig, die Menschenrechte im Kontext der Bioökonomie stärker als bislang zu verankern. Wenige große Player wie Bayer, BASF, Monsanto, Chem China, Syngenta und DuPont teilen den Weltmarkt für Saatgut wie Agrochemie unter sich auf. Für den deutschen und internationalen Kontext stellen sich auf dieser „Rechtsbasis“ die Fragen, was passiert mit der öffentlichen Grundlagenforschung? Wie geht man damit um, wenn sie über Patente a) privatisiert wird und b) auch noch exorbitant hohe Kosten entstehen?
Thomas Fatheuer sprach aus langjähriger Erfahrung vor Ort über Monokulturen und Rodungen, die Brasilien dominieren. Soja, Zuckerrohr und Plantagenbäume werden auf knapp 50 Millionen Hektar angebaut, die Viehzucht braucht jedoch das meiste Land, 220 Millionen Hektar.
Die Nachfrage nach Bioenergie begünstigt Monokulturen und große Flächen. Palmöl ist der neue Wachstumstreiber, die Flächen werden von Unternehmen aus dem Bergbau (Vale) und der Mineralölindustrie (Petrobas) betrieben. Kritik am Palmöl wird entgegnet, man konzentriere sich beim Anbau auf “degradiertes” Land, was bei genauer Betrachtung jedoch oftmals genutzt oder ökologisch wertvoll ist.
Fazit: Mit welcher Ökonomie kann man in den planetaren Grenzen wirtschaften?
Das Konzept der “knowledge-based bioeconomy“ resp. der wissensbasierten Bioökonomie, beruht auf impliziten Konzepten von Wissen, biologischen Ressourcen und Ökonomie, die zwar gesetzt, jedoch nicht weiter diskutiert werden. Dieser blinde Fleck verhindert bislang den Weg in eine nachhaltige Bioökonomie. Anhand einer Vilmer Erklärung wollen einige Workshopteilnehmende die impliziten Konzepte hinterfragen und die Frage nach Alternativen stellen.
In unseren Diskussionen auf Vilm wurde festgestellt, dass uns die Alternativen fehlen. Stattdessen sehen wir Wissenslücken sowie Wissensbedarfe, um eine nachhaltige und zukunftsfähige Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft zu ermöglichen. Die SDGs geben für die Bioökonomie einen Rahmen vor, auf den die Bioökonomiekonzepte der Bundesregierung positiv hinarbeiten müssen. Ob sie das mit den Mainstreamansätzen in Ökonomie und Politik leisten können, erscheint uns aus mehreren Gründen fraglich. Gemeinsam werden Zivilgesellschaft und Wissenschaft eine Vilmer Erklärung entwerfen, in der die in Vilm entwickelte Idee eines Forschungspro gramms für eine nachhaltige Bioökonomie genauer beschrieben wird.
Download:
Enstanden ist dieses Papier zu offenen Fragen an die Bioökonomie auf einem Workshop des NABU in Vilm 2016 als wir gemeinsam feststellten, dass uns Alternativen zur derzeitigen Bioökonomierichtung fehlen. Beim tieferen Nachdenken wurde uns gewahr, dass die wissensbasierte Bioökonmie, die als Mainstream-Ansatz verfolgt wird, auf impliziten Konzepten von Wissen, biologischen Ressourcen und Ökonomie beruht, die zwar gesetzt aber nicht weiter diskutiert werden. Diese blinden Flecken verhindern nach unserer Auffassung den Weg in eine nachhaltige Bioökonomie. Stattdessen sehen wir Wissenslücken sowie Wissensbedarfe, um eine nachhaltige und zukunftsfähige Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft zu ermöglichen. Die SDGs geben für die Bioökonomie einen Rahmen vor, auf den die Bioökonomiekonzepte der Bundesregierung positiv hinarbeiten müssen. Ob sie das mit den Mainstreamansätzen in Ökonomie und Politik leisten können, erscheint uns aus folgenden Gründen fraglich.
Der NABU kritisiert die Vorschläge des Bioökonomierates zur Holzverwendung. Sie sind nicht vereinbar mit den Zielen der Nationalen Biodiversitätsstrategie und stehen aus Umweltsicht im Widerspruch zu den beschlossenen Naturschutzzielen im Wald. Mehr →