Was das Klimaschutz-Sofortprogramm anpacken muss
Dürren, Starkregen, Überschwemmungen - die Klimakrise ist längst in Deutschland angekommen. Um die schlimmsten Auswirkungen zu verhindern, muss die Bundesregierung nach jahrelangem Nichtstun endlich beim Klimaschutz anpacken. Die Ampel-Parteien hatten deshalb im Koalitionsvertrag versprochen, noch dieses Jahr ein Klimaschutz-Sofortprogramm vorzulegen. Doch dem Versprechen müssen jetzt endlich Taten folgen. Auch in den Bereichen Verkehr und Gebäude muss die Bundesregierung Maßnahmen liefern, so fordert es das Klimaschutzgesetz. In beiden Bereichen wurden die verpflichtenden Klimaschutzziele verfehlt.
Der Krieg in der Ukraine führt uns vor Augen, wie abhängig wir von Öl, Gas und Kohle sind – und wie problematisch dies auch aus sicherheitspolitischen Gründen ist. Auch deshalb müssen wir schnell aus der Verbrennung von fossilen Brennstoffen aussteigen. Kurzum: Wir brauchen nicht nur die Zeitenwende in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, sondern auch in der Energie- und Klimaschutzpolitik. Die Rückkehr der Bundesregierung zum 1,5-Grad-Pfad, zu dem sie sich im Pariser Klimaabkommen verpflichtet hat, ist zwingend notwendig, um unsere Lebensgrundlagen zu bewahren. Der letzte Teilbericht des IPCC legt erstmals konkrete Lösungswege vor. Weitreichende Maßnahmenpakete müssen jetzt ergriffen werden, denn wir stehen bereits heute vor gefährlichen Kipppunkten. Diesen jetzt nicht mit einer drastischen Emissionsminderung entgegenzuwirken, setzt unser Überleben aufs Spiel.
Ein wichtiger Baustein für die Bundesregierung ist der Ausbau der erneuerbaren Energien. Aber auch in anderen Bereichen muss die Ampel jetzt liefern: Bei Verkehr und Gebäuden, bei der verfehlten Förderung von Holzverbrennung und bei der Einsparung wichtiger Ressourcen und die Abkehr von der Wegwerfgesellschaft, etwa durch ein Recht auf Reparatur. Der NABU hat deshalb klare Erwartungen an das kommende Maßnahmenpaket der Regierung.
Das sind unsere Forderungen an die Politik:
Emissionen im Verkehr senken
Der Verkehr ist der einzige Sektor, in dem die CO2-Emissionen seit langem stagnieren, anstatt zu sinken. Deshalb muss der Verkehrsteil Schwerpunkt des Klimaschutz-Sofortprogramms sein. Neben dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs ist die Elektrifizierung des Straßenverkehrs der größte Hebel, um Emissionen einzusparen. Daher muss die steuerliche Regelung für Dienstwagen, die 60 Prozent der Neuzulassungen ausmachen, so angepasst werden, dass E-Pkws Verbrennern gegenüber einen deutlichen Vorteil erhalten. Genauso sollten über eine Anpassung der Kfz-Steuer verbrauchsstarke Fahrzeuge deutlich höhere Kfz-Steuern entrichten, als dies heute der Fall ist. Beides kann ordnungspolitisch gestützt werden, indem sich Deutschland in der EU für schärfere Pkw-Flottengrenzwerte einsetzt.
Eine einfache Art, sofort die Rohölabhängigkeit zu senken und Emissionen einzusparen, ist ein Tempolimit (von 120 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen und 30 km/h innerorts). Nach wie vor werden immer mehr Straßen in Deutschland gebaut, die hohe Emissionen nach sich ziehen. Das Klimaschutz-Sofortprogramm muss daher ein Autobahnmoratorium enthalten: Bis zur Überprüfung des Bundesverkehrswegeplan 2030 auf seine Klimawirkung, dürfen keine neuen Straßen gebaut werden.
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Umsteuern bei falschen Anreizen aktueller Verkehrspolitik
Eine vom NABU beauftragte Studie zeigt auf, wie klimaschädlich und sozial unausgewogen die aktuellen Instrumente der Verkehrspolitik sind. Zurzeit profitieren davon vor allem Besserverdienende, während einkommensschwache Haushalte leer ausgehen.
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Neue EU-CO₂-Grenzwerte für Autos
Die EU-Kommission legte die CO₂-Grenzwertverordnung für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge neu auf. Die Chance muss genutzt werden, diese für die klimapolitischen Herausforderungen und die technologische Entwicklung in der E-Mobilität fit zu machen.
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Tempolimit – sicherer und sauberer ans Ziel
Tempo 120 ist auf deutschen Autobahnen längst überfällig. Jedes Jahr könnten so mindestens 3,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid eingespart werden. Zudem wäre der Verkehr sicherer und durch den geringeren Verbrauch ließen sich Fahrtkosten senken.
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Pause für den Bau von Fernstraßen
Weite Teile der Bevölkerung finden, dass es genug Straßen in Deutschland gibt. Sie wünschen sich einen Fokus auf Instandhaltung und einen Stopp beim Autobahnneubau. Das zeigt eine repräsentative Umfrage von Kantar im Auftrag des NABU.
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Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr
Maßnahmen zum Klimaschutz im Verkehrsbereich sind in diesem ersten Teil des Klimaschutzsofortprogramms nicht enthalten. Umso wichtiger, dass sie im zweiten Teil, dem sogenannten Sommerpaket stehen werden.
Gebäudesektor klimafit machen
Gebäude sind nach Stromerzeugung und Verkehr eine der Hauptquellen für klimaschädliche Emissionen in Deutschland. Jahrelang hat die Bundesregierung auch in diesem Bereich wichtige Schritte in Sachen Klimafreundlichkeit unterlassen. Die Ampelkoalition muss dies endlich anpacken – mit wegweisenden Schritten im Klimaschutz-Sofortprogramm. Der wichtigste Ansatzpunkt sind hier die Bestandsgebäude. Diese müssen dringend durch Modernisierung klimafit gemacht werden.
Wir können es uns weder ökonomisch noch ökologisch leisten, knappe erneuerbare Energie in ineffizienten Gebäuden zu verschwenden. Um die Effizienzpotenziale schnell zu heben, müssen die energetisch schlechtesten Bestandsgebäude als erste angefasst werden. Mindesteffizienzstandards sind hierbei das passende Instrument. Eine Verschärfung der Sanierungs- und Neubaustandards hilft zusätzlich die Energieeffizienz der Gebäude zu verbessern.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil ist der Ausstieg aus fossilen Heizungen durch Einbauverbote für klimaschädliche Öl- und Erdgasheizungen. Mit Wärmepumpen und Solarthermie muss die Bundesregierung konsequent auf kohlenstofffreies Heizen setzen. Schließlich müssen wir auch das riesige Potenzial von Dachflächen für die klimafreundliche Stromerzeugung nutzen – mit einer Solarpflicht auf allen Neubauten, wie manche Bundesländer sie bereits haben.
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Solardächer müssen Pflicht werden
Mit Blick auf die Klimakrise ist eine gesetzliche Solardachpflicht für alle geeigneten Gebäude notwendig – ob Amtsgebäude, Schule, Firmenzentrale, privater Neubau oder umfangreich saniertes Haus. Der Schutz von Gebäudebrütern muss gewährleistet bleiben.
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Emissionsbericht: Klimaziele erneut verfehlt
Deutschland hat seine selbst gesteckten Klimaziele erneut verfehlt. Das zeigt der UBA-Emissionsbericht für 2021. Nun ist sofortiges Handeln gefragt. Angesichts der Natur- und Klimakrise können wir uns kein weiteres Zögern erlauben.
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Notwendige Weichenstellungen für einen klimaneutralen Gebäudebestand
Der Gebäudesektor muss in den nächsten zehn Jahren fast 45 Prozent seiner aktuellen Treibhausgasemissionen einsparen. Dafür hat die Gebäude-Allianz einen 5-Punkte-Plan vorgelegt, um die notwendigen Fortschritte sicher und sozialverträglich zu erreichen.
Reparieren erleichtern, Ressourcen und Umwelt schützen
Die Bundesregierung muss die Umsetzung des Rechts auf Reparatur aktiv fördern, denn dies stärkt die Rechte der Verbraucher*innen und führt durch die längere Produktnutzung sowohl zur Senkung des Ressourcenverbrauchs als auch zur Minderung der CO2-Emissionen. Auf EU-Ebene muss sich die Bundesregierung mit Nachdruck für eine längere Produktlebensdauer von Elektronikgeräten durch gesetzliche EU-Ökodesignvorgaben einsetzen. Eine einfache Reparierbarkeit oder Austausch von Ersatzteilen durch handelsübliches Werkzeug muss möglich sein.
Wir fordern, dass die Verfügbarkeit von Ersatzteilen sowie Softwareupdates in einem Zeitraum von mindestens 10 Jahren sichergestellt wird. Für die Orientierung bei Neukauf fordern wir einen Reparatur-Index. Auf Bundesebene muss über den Aktionsplan „Reparieren statt Wegwerfen“ eine Stärkung des angeschlagenen Reparatursektors schon jetzt durch weitere Maßnahmen angegangen werden. Ein Reparatur-Bonus in Form einer staatlichen Kostenübernahme von 50 Prozent der Reparaturkosten (bis zu 200 Euro im Jahr) an Verbraucher*innen oder einer Mehrwertsteuersenkung von Reparaturen und für den Verkauf von reparierten wie aufbereiteten Geräten von 19 auf 7 Prozent ist erforderlich. Zudem gilt es Ersatzteile durch eine Wiederverwendung oder 3D-Druck bereitzustellen, Ausbildungsangebote zu verbessern und Räumlichkeiten für die Reparatur und Wiederverwendung (z.B. durch Reparatur-Center) in prominenter Lage lokal sicherzustellen. Eine Vernetzung der verschiedenen Akteure ist ebenso entscheidend wie Kommunikations- und Informationsarbeit in Richtung der Verbraucher*innen.
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Reparieren heißt Ressourcen schützen
Umweltministerin Lemke will das Recht auf Reparatur stärken. Deutschland muss auf EU-Ebene eine Vorreiterrolle einnehmen und die Umsetzung aktiv fördern, denn bislang mangelt es auf nationaler und internationaler Ebene an konkreten Maßnahmen.
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12 Argumente für eine Rohstoffwende
Der AK Rohstoffe hat eine neue Broschüre veröffentlicht, die umfassend die Zusammenhänge unseres Konsums und dessen ökologischer Auswirkungen zeigt. Die Zahlen verdeutlichen unter anderem, dass die Bundesregierung bei Elektrogeräten viele Hausaufgaben hat.
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Das zweite Leben von Elektrogeräten
Was ist so gefährlich an Elektroschrott? Wer nimmt alte E-Geräte zurück? Und wie funktioniert das Recycling? Wir beantworten die zehn wichtigsten Fragen rund um das Thema Recycling von Elektroschrott.
Klimaschädliche Holzverbrennung verringern
Obwohl wir intakte Wälder als CO2-Senke und als Ökosysteme dringend für den Klima- und Artenschutz brauchen, steigt der Holzeinschlag in Deutschland seit Jahren. Die Holznachfrage wird befeuert durch die Förderpraxis der Regierung: Neue Holzbiomassekraftwerke und Pelletheizungen werden finanziell unterstützt. Dazu planen Unternehmen verstärkt Holz zu verbrennen: in umgerüsteten Kohlekraftwerken, für Fernwärme und für den Wärmebedarf der Industrie. Da sie keine CO2-Zertifikate für die Emissionen aus Holzverbrennung kaufen müssen, lohnt sich das immer mehr.
Staatliche Gelder sollten ausschließlich für die Förderung echter klimafreundlicher Energiequellen wie Wind- und Solarenergie sowie für Effizienzmaßnahmen genutzt werden und nicht für klimaschädliche Scheinlösungen wie die Verbrennung von Holz. Wir fordern daher ein Ende der Subventionen für Holzbiomasseanlagen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). In der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) muss die Förderung für neue Holzheizungen wegfallen. Neues Holz wird bestenfalls nur für die stoffliche Nutzung in möglichst langlebigen Produkten eingesetzt. Beispielsweise Möbel oder Bauholz binden den enthaltenen Kohlenstoff, statt ihn in die Atmosphäre zu blasen. Die energetische Holzbiomasse-Nutzung sollte auf stofflich nicht mehr nutzbares Holz beschränkt werden. Um die Senkenfunktion der deutschen Wälder zu stärken und Lebensräume zu erhalten, braucht es zusätzlich Maßnahmen zum Aufbau von Holzvorräten und zum Waldschutz.
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Holz statt Kohle ist auch keine Lösung
Nach dem Kohleausstieg setzen einige Kraftwerksbetreiber auf die Verbrennung von Holzbiomasse. Diese Pläne erzeugen zusätzlich Druck auf die Wälder – auf Kosten von Klima und Artenvielfalt. Noch besteht die Chance, diese Fehlentwicklung aufzuhalten.
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Bioenergie naturverträglich gestalten
Bioenergie wird von der Politik als klimafreundliche erneuerbare Energie gefördert – ein Irrtum mit verheerenden Auswirkungen auf die Umwelt. Weltweit wird für die Erzeugung von Strom, Wärme und Kraftstoffen die Natur ausgebeutet.
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Energiewende auf dem Holzweg
Die Wälder sind schon jetzt deutlich übernutzt. Deutschland muss die Subventionierung von klimaschädlicher Holzverbrennung sofort stoppen.