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Zur Haltung von Walen und Delfinen in Gefangenschaft
Anfang 2016 kündete der Wasser-Freizeitpark SeaWorld an, das eigene Orca-Zuchtprogramm auslaufen zu lassen – ein wichtiges Signal für den möglichen Ausstieg aus dem Geschäft mit Walen und Delfinen. Vorausgegangen waren tödliche Unfälle von Tiertrainern mit Schwertwalen und ein jahrelanger Streit zwischen Wissenschaftlern, Tier- und Artenschützern um die Haltung von Meeressäugern in Gefangenschaft.
Die Befürworter von Delfinarien argumentieren, dass die Haltung der Erforschung und dem Schutz der Tiere dient, und dass die Menschen die faszinierenden Säugetiere nur so kennenlernen und sich für sie einsetzen können. Sie setzen voraus, dass das Gemeinwohl der Tiere nicht negativ beeinträchtigt wird. Gleichzeitig mehren sich die wissenschaftlichen Studien, die sich gegen die Haltung von Walen und Delfinen aussprechen und in ihrer Argumentation vielfältige Verhaltensauffälligkeiten, schweren Erkrankungen und Todesfälle von gefangenen Tieren aufführen.
Weltweit gibt es rund 85 Arten der Waltiere (Cetacea). Alle freilebenden Wale sind durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) der Europäischen Union streng geschützt. Gleichzeitig werden sie vielerorts in Zoos, Delfinarien und anderen Einrichtungen gehalten, sei es für wissenschaftliche Studien, vom Militär oder in Freizeitparks. In 15 europäischen Ländern befinden sich in über 30 Einrichtungen mehr als 300 Wale und Delfine in Gefangenschaft. Mit Ausnahme Bulgariens unterliegen sie den Bestimmungen der EU-Zoorichtlinie (RL 1999/22/EG). Dort werden Mindestanforderungen unter anderem zu den Aufgaben der Arterhaltung, der öffentlichen Aufklärung, der wissenschaftlichen Forschung und der artgerechten Tierhaltung vorgegeben.
Wale und Delfine sind hoch intelligente Tiere mit ausgeprägten sozialen und kognitiven Fähigkeiten, die in komplexen sozialen Familienstrukturen leben und einen großen Bewegungsradius brauchen, um ihren natürlichen Bedürfnissen, wie Schwimmen, Jagen, Fressen oder Spielen nachzugehen. Die Tiere lernen voneinander und geben ihr Wissen an nachfolgende Generationen weiter. Ihre bioakustischen Fähigkeiten, die sogenannte Echolokation, spielen eine zentrale Rolle für das Überleben der Tiere in freier Wildbahn und sind eng mit verschiedensten Lebensfunktionen assoziiert, der Paarung, der Nahrungssuche, der Jungenaufzucht oder den Gruppenzusammenhalt.
Forschung und Aufklärung
Wale zeigen in Gefangenschaft abweichende Verhaltensweisen im Vergleich zu wildlebenden Artgenossen. Ursächlich dafür sind künstliche Sozialstrukturen und kleine Haltungsbecken. Er stellt damit eines der Hauptargumente für die Gefangenhaltung in Frage, den Wert der wissenschaftlichen Forschung in der Ex-situ-Haltung und warnt vor falschen Rückschlüssen auf die Biologie und das Verhalten der Tiere. Darüber hinaus drängt sich die Frage auf, ob ein dressierter Schwertwal in einem Schwimmbad den Besuchern tatsächlich einen Eindruck von wildlebenden Meeressäugetieren und ihren Ansprüchen und Lebensfunktionen vermitteln kann. Das würde auch den Bildungsauftrag der Delfinarien in Frage stellen.
Es bleibt in jedem Fall festzuhalten, dass Forschungsprogramme mit gefangenen Tieren in keinem Fall effektive Schutzmaßnahmen in freier Wildbahn ersetzen können. Durch die Entwicklung und Einführung moderner wissenschaftlich-technischer Verfahren können Verhaltensstudien an Wildtieren heute durchgeführt werden, ohne dass die Gefangenhaltung erforderlich ist. Längst ersetzen minimal invasive Trackingmethoden oder auch hydroakustische Techniken aufwändige und kostspielige Fangaktionen und langjährige Haltungsexperimente.
Von Lethargie bis Suizid
Das zentrale Argument der Gegner der Gefangenhaltung ist, dass es unmöglich ist, die natürlichen Umweltbedingungen, die visuelle und auditive Stimulation für die physischen und psychischen Bedürfnisse sowie die Rekonstruktion einer sozialen Gruppe von Walen oder Delfinen künstlich nachzustellen. So legen Orcas in freier Wildbahn täglich Strecken von bis zu 160 Kilometern zurück, Gruppen von Orcas im McMurdo-Sund (Antarktis) nutzen im Jahresverlauf ein Gebiet der Größe von 843 Quadratkilometern.
Die räumliche Einschränkung und die akustische Reizüberflutung durch die Echolokation der Tiere in engen Betonbecken führen zu anormalen Verhaltensweisen, die von Lethargie über erhöhte Aggression bis zum Suizid führen können. Die Tiere können ihre natürlichen Verhaltensformen in räumlicher Begrenzung und in künstlichen Sozialstrukturen nicht ausleben. Es kommt zu Stressreaktionen, Schwächungen des Immunsystems, einem reduzierten Fortpflanzungserfolg und geringerer Lebenserwartung einschließlich hoher Jungensterblichkeit. An dieser Stelle muss auch auf die Vielzahl von Unfällen und Todesfällen von Tiertrainern insbesondere beim Umgang mit Schwertwalen hingewiesen werden.
Beitrag zur Arterhaltung zweifelhaft
Die vergleichsweise hohe Sterblichkeit in Gefangenschaft gehaltener Wale und insbesondere die erhöhte Jungensterblichkeit führen dazu, dass Delfinarien oft auf Tiere aus Wildpopulationen angewiesen sind. Viele Einrichtungen operieren auf rein kommerzieller Basis und die notwendigen Maßnahmen zur wissenschaftlichen Forschung und Arterhaltung werden nicht oder nur unzureichend umgesetzt. Die aktuellen Gesetze und Regelungen zum Schutz der Wale und Delfine, etwa der International Whaling Commission (IWC) oder des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES), sind nicht in der Lage, Wildfänge und die spätere Gefangenhaltung von Tieren zu unterbinden. Das liegt vor allem an der unterschiedlichen nationalen Umsetzung der Vorgaben, aber auch an den fehlenden Standards im Einrichtungsbetrieb und in der Tierpflege.
Die Cetacean Specialist Group der IUCN schreibt im „Conservation Plan for the World’s Cetaceans“: „Die Entnahme lebender Wale aus der freien Wildbahn für die Zurschaustellung und/oder für die Forschung ist gleichbedeutend einer unbeabsichtigten oder vorsätzlichen Tötung, denn die Tiere, die in Gefangenschaft gebracht (oder im Zuge einer Gefangennahme getötet) werden, sind für die weitere Aufrechterhaltung ihrer Population verloren.“ Ob durch Delfinarien ein tatsächlicher Beitrag zum Erhalt von Walen und Delfinen in freier Wildbahn geleistet wird ist daher zweifelhaft.
Rehabilitation und Auswilderung
Zwar werden immer wieder gestrandete Wale nach kurzer Zeit der Rehabilitation erfolgreich ins Meer entlassen, seit den frühen 1990er Jahren gibt es jedoch nur sehr wenige erfolgreichen Beispiele für Tiere, die nach Jahren der Gefangenhaltung in Delfinarien in die freie Wildbahn entlassen werden konnten. Im Jahr 2016 wiesen koreanische Forscher erstmals Nachwuchs bei einem ausgewilderten Großen Tümmler nach, der nach illegalem Fang aus einem Freizeitpark gerettet und erfolgreich rehabilitiert wurde.
Die Entscheidung, ob ein gestrandeter Wal zur Rehabilitation in eine wissenschaftliche Einrichtung überführt werden muss, kann nur von Fall zu Fall durch unabhängige wissenschaftliche Experten getroffen werden. Von einer langjährigen Gefangenhaltung sollte abgesehen werden, da die Chancen auf Auswilderung über die Zeit stark abnehmen.
Belastende Delfintherapie
Die Defintherapie (DAT – Dolphin Assisted Therapy) ist eine Form der gestützten Tiertherapie und verspricht Linderung von psychischen und physischen Krankheiten. Auch sogenannte Streichel-, Fütterungs- oder Schwimmprogramme mit Delfinen sind populär. Für die Tiere bedeuten diese Programme eine große Belastung, die vom Fang der Tiere und ihrem Transport bis zur Haltung in künstlichen Familien- und Sozialstrukturen führt. Während der Therapieprogramme dringen fremde Personen in den künstlichen Lebensraum ein und die Tiere haben keine Möglichkeit, sich dem menschlichen Kontakt zu entziehen. Dabei erhöhen sich die Risiken von Verletzungen und Krankheitsübertragungen zwischen Tier und Mensch sowie der Hang zum aggressiven Verhalten und zur Selbstverletzung
Die bisherigen Studien zum Erfolg der Delfintherapie haben wenig Aussagekraft. Aufgrund von mangelhaften Statistiken und Kontrollversuchen fehlen wissenschaftlichen Belege, dass sich DAT wirksamer als traditionelle Therapieformen auswirken kann. Gleichermaßen kann der tiertherapeutische Einsatz zum Beispiel von Hunden oder Pferden die gleichen Ergebnisse erzielen, ohne dass das Problem einer artgerechten Tierhaltung auftritt.
Schlussfolgerungen
- Der NABU lehnt die Haltung von Walen und Delfinen in Freizeit- und Vergnügungsparks sowie zur Delfintherapie ab.
- Die Entscheidung, ob gestrandete Tiere übergangsweise zur Rehabilitation in Delfinarien oder wissenschaftlichen Einrichtungen gehalten werden sollen, unterliegt einer Einzelfallprüfung.
- Die Arbeit und die Haltungsbedingungen wissenschaftlicher Forschungseinrichtungen müssen unabhängig evaluiert, standardisiert und kontinuierlich weiterentwickelt werden.
- Es sollten nationale, aber auch regionale Pläne ausgearbeitet werden, um die Haltung von Walen und Delfinen europaweit und weltweit zu beenden.
- Dabei gilt zu prüfen, ob noch in Gefangenschaft lebende Tiere ausgewildert werden können oder unter verbesserten und weitgehend artgerechten Bedingungen gehalten werden müssen.