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NABU kritisiert „Bau-Turbo“ auf Kosten von Natur und Klima





Enormer Flächenverbrauch: Bauprojekte auf der grünen Wiese - Foto: Volker Gehrmann
Am Mittwoch, 18. Juni 2025, hat das Bundeskabinett die Novelle des Baugesetzbuchs beschlossen. Die Neuerung soll voraussichtlich im Herbst 2025 in Kraft treten. Im Fokus steht dabei der Paragraf 246e, der den Wohnungsbau beschleunigen soll. Aus NABU-Sicht ein gefährlicher Irrweg, der den bereits viel zu hohen Flächenverbrauch in Deutschland weiter antreiben wird. Statt zur Lösung der Wohnungsfrage beizutragen, verschärft die Regelung bestehende Zielkonflikte um die Flächennutzung in Deutschland.
Was steckt hinter dem „Bau-Turbo“?
Mit dem neuen Paragrafen führt die Bundesregierung eine weitreichende Sonderregelung im Baugesetzbuch ein. Ursprünglich für Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt gedacht, gilt sie bald bundesweit bis 2030: Kommunen sollen auch ohne Bebauungsplan von zentralen Planungsgrundsätzen abweichen können. So können Gemeinden neue Baugebiete genehmigen, ohne ausreichende Berücksichtigung anderer öffentlicher Interessen – ein Geschenk für Investoren und die Bauwirtschaft. Dadurch droht die Beteiligungskultur in Deutschland verloren zu gehen, die sonst vielfältige Interessen ausgleicht, Konflikte mindert und Planungssicherheit schafft.
Bau-Beschleunigung ohne Rücksicht auf Verluste
Die neue Regelung bringt erhebliche ökologische und stadtentwicklungspolitische Risiken mit sich. Die zentralen Kritikpunkte:
- Neubau statt nachhaltiger Nutzung: Die Gesetzesänderung berücksichtigt zwar auch Umnutzung und Umbau, legt den Fokus aber vor allem auf Neubau. Der tatsächliche Wohnungsbedarf spielt dabei keine Rolle mehr, denn die Neubau-Regelung gilt pauschal und bundesweit.
- Mehr Flächenfraß und Zersiedelung: Die erleichterte Genehmigung treibt die Versiegelung weiter voran, gefährdet wertvolle Böden und untergräbt das Ziel der Bundesregierung, den Flächenverbrauch auf 30 Hektar pro Tag zu begrenzen. Anstelle kompakter, flächensparender Entwicklung droht eine weitere Zersiedelung.
- Abbau demokratischer Beteiligung: Bereits das Gesetzgebungsverfahren war intransparent: Die Länder- und Verbändeanhörung zum Gesetzgebungsverfahren beschränkte sich auf lediglich 2,5 Werktage – deutlich unter dem üblichen Durchschnitt von rund zwei Wochen. Auch künftig drohen eingeschränkte Mitsprachemöglichkeiten für Anwohnende, Umweltorganisationen und Fachbehörden – ein Einfallstor für einseitige Investoreninteressen.
- Belastung für Natur und Klima: Grünflächen erfüllen zentrale Funktionen: Sie speichern Wasser, kühlen Städte und bieten Lebensräume für viele Arten. Ihre Bebauung verschärft die Folgen von Hitze und Starkregen – und schwächt unsere Anpassungsfähigkeit an die Klimakrise.
- Dauerlösung statt Übergangsregel: Ursprünglich befristet, soll Paragraf 246e nun bis 2030 verlängert werden – und droht damit zur neuen Normalität zu werden. Das gefährdet nicht nur den Umwelt- und Klimaschutz, sondern auch eine ausgewogene Beteiligung, die alle Interessen berücksichtigt.
Mehr Wohnraum – aber an der richtigen Stelle
Klar ist: Deutschland braucht mehr bezahlbaren Wohnraum. Doch dieser muss umweltverträglich, sozial gerecht und zukunftsfähig entstehen. Statt übereiltem Neubau auf der grünen Wiese braucht es durchdachte, nachhaltige Lösungen im Bestand. Das geht durch Umbau, Aufstockung und die konsequente Nutzung innerstädtischer Flächen.
Eine verantwortungsvolle Stadtentwicklung setzt auf verbindliche Umweltprüfungen, echte Beteiligung der Öffentlichkeit und klare ökologische Leitplanken. Nur so lässt sich neuer Wohnraum schaffen, der nicht nur sozial gerecht, sondern auch naturverträglich und klimarobust ist.
Der Paragraf 246e im Baugesetzbuch ist keine Lösung für die Wohnungsfrage – sondern ein Rückschritt. Die Regelung schwächt Umwelt- und Beteiligungsrechte und droht zum Standardinstrument zu werden. Der NABU fordert: Der „Bau-Turbo“ darf nicht auf Kosten unserer Lebensgrundlagen in Gang gesetzt werden. Was wir brauchen, ist eine flächensparende, nachhaltige und sozial gerechte Wohnraumpolitik.
Das Ziel: Netto-Null statt Flächenfraß
Schon vor 26 Jahren empfahl die Enquete-Kommission „Nachhaltiges Deutschland“, den Flächenverbrauch bis 2020 auf 30 Hektar pro Tag zu begrenzen. Die Bundesregierung hat sich in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie verpflichtet, dieses Ziel bis 2030 zu erreichen. Doch mit einem täglichen Verbrauch von rund 52 Hektar sind wir davon noch weit entfernt.
Im Sinne dieser Strategie muss die Bundesregierung endlich eine nachhaltige Flächenpolitik einleiten. Bis 2030 soll der Flächenverbrauch auf null sinken. Dafür braucht es konkrete Maßnahmen, die den Flächenverbrauch deutlich senken – zum Schutz von Natur und Klima, für Land- und Forstwirtschaft und für kommende Generationen.
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