Mit Ihrer Hilfe können wir im Peenetal 4,18 Hektar erwerben und ein Paradies für Watvögel schaffen. Bitte helfen Sie der Bekassine zu überleben!
Jetzt informieren!Gegen die Verarmung der Natur
Deshalb sind vernetzte Lebensraumstrukturen für die Mobilität und das Überleben von Wildtieren und Wildpflanzen so wichtig


Es muss nicht gleich eine sechsspurige Autobahn sein, manchmal genügt schon ein hoher Bordstein. Während die meisten Vögel und viele Insekten Hindernisse überfliegen können, stoppen andere Arten bereits ab, wenn sich die Oberflächenbeschaffenheit ändert, wenn es zu glatt, zu rau, zu heiß, zu trocken oder zu feucht wird.
Freier Blick oder volle Deckung?
Entweder sind sie körperlich nicht in der Lage, ein Hindernis zu überwinden, oder sie scheuen sich. Wer auf Gefahren mit davonrennen oder davonfliegen reagiert, will freies Sichtfeld, um rechtzeitig gewarnt zu sein. Die Nähe zu einer Hecke wird dann gemieden, denn es könnte sich ja ein Feind verstecken. Wer eher langsam unterwegs ist, meidet dagegen größere Offenflächen.
Dieser Typ ist bei weitem in der Überzahl. Bevorzugt werden ausreichend Deckung sowie durchgängige Biotopstrukturen im eigenen Wohlfühlbereich. Letzteres gilt auch für die meisten Pflanzen. Wichtig sind unter anderem Feuchtigkeits- und Besonnungsgrad, Nährstoffgehalt und Wuchskonkurrenz durch andere Pflanzenarten.Es sind also längst nicht nur Verkehrswege, die behindern. Die Barrierewirkung einer größeren Ackerfläche ist ebenso enorm. Selbst ohne Pestizideinsatz.
Inseln im Maismeer
Ob von Straßen umzingelt oder von Ackersteppe: Die Folgen für Tierpopulationen sind schwerwiegend. Offensichtlich ist dies, wenn Teillebensräume fehlen, etwa für die Nahrungssuche oder für die Fortpflanzung. Doch selbst scheinbar perfekt ausgestattete Flächen werden zur Falle, sobald eine bestimmte Größe unterschritten ist.

Ackerlandschaft mit einsamem Feldgehölz - Foto: NABU/Josef Merkl
Wissenschaftler haben die dabei auftretenden Effekte zuerst für Meeresinseln beschrieben. Vieles trifft aber auch für unsere Kulturlandschaft zu. Vor allem findet kein Genfluss mehr zwischen isolierten Teilpopulationen statt. Über kurz oder lang führt das zu genetischer Verarmung und damit zu verminderter Anpassungs- und Überlebensfähigkeit. Treten Krankheiten auf, können kleine Vorkommen komplett verschwinden. Geschieht das an mehreren Orten, sterben Arten lokal oder regional aus. Die Wahrscheinlichkeit der Wiederbesiedlung aus anderen Regionen ist wegen der Isolation gering.
Lücken im Beziehungsnetz
Das Verschwinden einzelner Arten reißt Lücken in das mannigfaltige Beziehungsnetz der Ökosysteme. Fallen zum Beispiel bestimmte Bestäuberinsekten aus, verringert sich bei Pflanzen der Samenansatz. Wobei umgekehrt die Abhängigkeit vieler Insekten von bestimmten Pflanzen noch größer ist. Ohne blühende Ochsenzungen hat die Ochsenzunge-Sandbiene schlechte Karten.
Auch zwischen Räubern und Beute bestehen enge Beziehungen. Fällt die Beute aus, muss der Räuber zusehen, ob er Ersatz findet. Fällt der Räuber aus, wird sich die Beute zunächst einmal vermehren. Es können aber auch plötzlich neue Räuber auftreten, die vorher nicht zum Zuge kamen. Oder die vermehrte Beute kriegt selbst Nahrungsbeschaffungsprobleme, wird möglicherweise sogar anfälliger für Krankheiten. Es muss sich also vieles neu zurechtrütteln.
Wichtig sind Landschaftselemente zudem für Wanderungen und zur Orientierung. Selbst Arten, die für längere Strecken den Sonnenstand oder das Erdmagnetfeld nutzen, bewegen sich oft auf Sicht entlang von Strukturen und markanten Punkten.
Natur neu verbinden
Trotz aller Naturschutzbemühungen werden unsere Landschaften immer eintöniger. Sarkastisch könnte man sagen, von jetzt an kann es nur noch aufwärts gehen. Gegengesteuert werden soll lokal, regional, bundes- und sogar europaweit mit einem sogenannten Biotopverbund. Ob ein System möglichst vieler kleiner oder weniger großer Lebensrauminseln besser wirkt, wird heiß diskutiert. Die Antwort richtet sich auch danach, welche Arten man konkret fördern möchte. Ebenso vielfaltig sind die Verbindungselemente, wobei auch das Beseitigen von Hindernissen den Biotopverbund fördert – etwa Verbauungen entlang von Flüssen. Der NABU leistet hier mit seinem Großprojekt an der Unteren Havel Pionierarbeit.
Pflicht zum Biotopverbund
Im Bundesnaturschutzgesetz ist der Auftrag für einen Biotopverbund schon länger verankert. Demnach dient dieser „der dauerhaften Sicherung der Populationen wild lebender Tiere und Pflanzen einschließlich ihrer Lebensstätten, Biotope und Lebensgemeinschaften sowie der Bewahrung, Wiederherstellung und Entwicklung funktionsfähiger ökologischer Wechselbeziehungen“. Und: „Der Biotopverbund soll länderübergreifend erfolgen. Die Länder stimmen sich hierzu untereinander ab.“
Eine besondere Rolle kommt Gewässern zu. Sie sollen „einschließlich ihrer Randstreifen, Uferzonen und Auen als Lebensstätten und Biotope für natürlich vorkommende Tier- und Pflanzenarten zu erhalten. Sie sind so weiterzuentwickeln, dass sie ihre großräumige Vernetzungsfunktion auf Dauer erfüllen können.“ Außerdem fordert das Gesetz, „in von der Landwirtschaft geprägten Landschaften zur Vernetzung von Biotopen erforderliche lineare und punktförmige Elemente, insbesondere Hecken und Feldraine sowie Trittsteinbiotope, zu erhalten und dort, wo sie nicht in ausreichendem Maße vorhanden sind, zu schaffen.“
Das Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“ und der Bundesnaturschutzfonds bieten erstmals eine landesweite Perspektive für die Renaturierung von Auen, Wäldern und Mooren. Flankenschutz kommt zudem aus dem Naturschutzpaket der EU im Rahmen des Green Deal. In der intensiv genutzten Landschaft mit zahlreichen konkurrierenden Nutzungsansprüchen wird die Umsetzung dennoch ein hartes Stück Arbeit.
Helge May
Verwandte Themen
Die Verkehrsinfrastruktur prägt das Landschaftsbild in Deutschland noch stärker als Wiesen und Wälder. Die Folgen für die Natur sind gravierend. Unterbrochene Wanderrouten und genetische Verarmung sind nur einige davon. Mehr →
Wie viele Tiere Tag für Tag dem Verkehr zum Opfer fallen, weiß niemand genau. Selbst wenn man Klein- und Kleinsttiere wie Insekten außer Acht lässt, ist die Zahl schwindelerregend. Mehr →
Das dichte Verkehrsnetz in Deutschland verhindert die Ausbreitung von Luchs und Co und ist für einige Arten bestandsbedrohend. Daher begrüßt der NABU die neuen Pläne für wildtierfreundliche Verkehrswege. Grünbrücken und Wanderkorridore sollten endlich gebaut werden. Mehr →
Für jeden Eingriff in Natur und Landschaft schreibt das Gesetz Wiedergutmachung an anderer Stelle vor. Doch in der Realität wird diese Pflicht oft missachtet. Es braucht strengere Kontrollen und einen Nachweis über die gelungene Umsetzung. Mehr →
Moore, Flussauen, Wälder und Grünland: Intakte Ökosysteme bieten Lebensräume für viele Arten, binden langfristig Kohlenstoff und können Dürren oder Hochwasser abmildern. Mehr als 20 Prozent Fläche stehen dafür – verteilt in ganz Deutschland – zur Verfügung, über die Hälfte davon Wälder. Das hat eine Studie im Auftrag des NABU ergeben. Mehr →