Herzstück des Gewässerschutzes auf dem Prüfstand
Fitness-Check der europäischen Wasserrahmenrichtlinie



Die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ist das Herzstück des Gewässerschutzes in Europa. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft haben sie schon im Jahr 2000 verabschiedet und sind für ihre Umsetzung verantwortlich. Die WRRL zielt darauf ab, unsere Flüsse, Seen und Küstengewässer mit ihrer Vielfalt an Tieren und Pflanzenund ihren dynamischen Prozessen sowie unser Grundwasser zu schützen, wiederherzustellen und nachhaltig zu nutzen. Mit ihren ambitionierten Umweltzielen und dem wegweisenden Ansatz des grenzüberschreitenden Flussgebietsmanagements gilt die WRRL weltweit als Modell einer modernen und zukunftsweisenden Umweltrichtlinie.
Fragen & Antworten zur Wasserrahmenrichtlinie
Warum ist die Wasserrahmenrichtlinie so wichtig?
Mit der WRRL steht und fällt ein strenger Schutz der Flüsse, Seen, Küstengewässer und des Grundwassers in ganz Europa. Durch sie sind sämtliche Tätigkeiten verboten, die die typische Artenvielfalt, die Wasserqualität und die Grundwassermenge gefährden. Außerdem verpflichtet sie alle Mitgliedsstaaten, Gewässer, die in keinem guten Zustand sind, zu verbessern.
Was sind die Konsequenzen, wenn die WRRL abgeschwächt wird?
Gewässerlebensräume mit ihrer Vielfalt an Tieren und Pflanzen zählen jetzt schon zu den bedrohtesten Ökosystemen weltweit. Diese Situation würde sich durch eine Abschwächung der WRRL noch potenzieren. Wirtschaftlichen Nutzerinteressen würden Tür und Tor geöffnet. Das kann man auch daran erkennen, dass die WRRL-Gegner fordern, dass die strenge Ausnahmenprüfung für gewässerschädliche Projekte abgeschwächt werden soll.
Was fordert der NABU?
Der NABU fordert gemeinsam mit weiteren deutschen und europäischen Umweltverbänden, dass
- alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutz unserer Gewässer bis 2027 umgesetzt werden,
- Gewässerschutzziele der WRRL in die Agrar-, Verkehrs- und Energiepolitik integriert werden und verbindlich beachtet,
- das Prinzip „Der Verschmutzer zahlt!“ konsequent angewendet wird,
- das Verschlechterungsverbot streng ausgelegt wird,
- Erfolge der WRRL besser kommuniziert werden,
- andere rechtliche Vorgaben und Subventionen der EU mit den Zielen der WRRL in Einklang gebracht werden und
- die Öffentlichkeitsbeteiligung gestärkt wird.
Der NABU hat sich mit BUND, DNR, GRÜNE LIGA und WWF auf gemeinsame Eckpunkte zur WRRL verständigt. Diese stehen hier als Download bereit.
Wie kann ich selbst aktiv werden?
- Sie können an der EU-Bürgerbefragung teilnehmen und dem Erhalt des Gewässerschutzes und dem Schutz unseres Wassers durch die WRRL eine Stimme geben: www.nabu.de/wasserretten
- Sie können andere Menschen motivieren, an der öffentlichen EU-Bürgerbefragung teilzunehmen.
- Sie können eine Gewässerretter-Aktion starten und darauf aufmerksam machen, dass unsere Gewässer unseren Schutz brauchen, nicht nur beim Thema Plastik: www.gewaesserretter.de
- Sie können einen River Walk organisieren oder daran teilnehmen und so auf die wertvollen Gewässerlebensräume aufmerksam machen: www.river-walk.eu
Was ist die Living Rivers Europe Koalition?
Unter dem Namen „Living Rivers Europe“ hat sich im Jahr 2017 ein starke Allianz für den Gewässer- und Auenschutz auf europäischer Ebene zusammengefunden: das Europäische Umweltbüro (European Environmental Bureau, kurz EEB), das Europäische Umweltbüro des WWF, der internationale Verband zum Schutz von Feuchtgebieten (Wetlands International), das europäische Flussnetzwerk (European Rivers Network) und der europäische Anglerverband (European Anglers Alliance).
Die Allianz repräsentiert mehrere Millionen EU-Bürgerinnen und Bürger, denen der Schutz unserer Gewässer am Herzen liegt. Die „Living Rivers Europe“-Koalition setzt sich für eine bessere Umsetzung und Erhaltung der europäischen Gewässerschutzvorgaben, insbesonderer der WRRL ein. Gut 100 Umweltorganisationen in ganz Europa unterstützen mittlerweile die Ziele der „Living Rivers Europe“-Koalition. Auch der NABU ist dabei und als Mitglied des EEB in alle Aktivitäten des neuen Netzwerkes eingebunden .
Was steckt allgemein hinter einem EU-Fitness Check?
„Fitness Check“ heißen in der EU-Politik umfassende Evaluierungen, die bewerten, ob ein EU-Gesetz noch dem vorgesehenen Zweck dient, ob der Nutzen im Verhältnis zu den Kosten steht, und ob die gleichen Ziele nicht auch durch rein nationale Regelungen erfüllt werden könnten. „Fitness Checks“ sind Teil des Programms "REFIT" („Regulatory Fitness and Performance“) der Europäischen Kommission, mit dem überflüssige oder die Wirtschaft überproportional belastende EU-Vorschriften identifiziert und abgebaut werden sollen.
Das REFIT-Programm wird unter anderem von Umwelt- und Sozialverbänden dafür kritisiert, dass es die kurzfristigen Kosten eines Gesetzes für Wirtschaft und Unternehmen in den Mittelpunkt stellt, und die (oft langfristigen) Gewinne für die Gesellschaft vernachlässigt
Leben am Wasser: Für Tiere sind unsere Gewässer ein wichtiger Lebensraum
So läuft die Prüfung ab:
Durch die Überprüfung der WRRL will die Europäische Kommission bewerten, ob die Richtlinie noch ihren Zweck erfüllt. Die Kommission :
- sammelt Stellungnahmen von verschiedenen Experten und Regierungsvertretern und
- führt eine europaweite Bürgerbefragung durch, um die Meinung der Öffentlichkeit zur WRRL zu erfahren. An dieser Befragung kann jede Bürgerin und jeder Bürger teilnehmen! Je mehr Stimmen die WRRL und ihren starken Schutz unserer Gewässer und unseres Grundwassers unterstützen, desto besser! Machen auch Sie mit: www.NABU.de/wasserretten
1. Relevanz: Sind die Ziele der WRRL weiterhin gültig, notwendig und angemessen?
Die WRRL fordert, dass in unseren Gewässern die typischen Tiere und Pflanzen vorkommen und verschiedene Grenzwerte für Schadstoffe nicht überschritten werden. Außerdem verpflichtet sie die Mitgliedstaaten, die Grundwasservorräte nicht zu übernutzen.
Diese Ziele sind weiterhin gültig, notwendig und angemessen: Wasser ist für uns alle eine lebenswichtige Ressource, das in in guter Qualität und Menge zur Verfügung stehen muss. Das Vorkommen typischer Wassertiere und -pflanzen ist ein Zeichen dafür, dass Fluss-, Seen- und Küstengewässerökosysteme intakt sind. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass die Gewässer ihre wichtige Funktion als Trinkwasserlieferant, Nährstofffilter, Hochwasserspeicher und Erholungsort erfüllen können. Sehen Sie dazu auch unseren kleinen Filmclip.
2. Wirksamkeit: Inwieweit sind die Ziele der Richtlinie erreicht worden?
Laut einer Studie des Umweltbundesamts werden die Ziele der WRRL in Deutschland größtenteils nicht erreicht – über 90 Prozent der Flüsse verfehlen den geforderten „guten Zustand“. Schädliche Einträge zum Beispiel von Nitrat und Pestiziden führen zudem dazu, dass über ein Drittel unserer Grundwasservorkommen in einem schlechten chemischen Zustand sind. Deutschland hat hier noch gehörigen Aufholbedarf in der Um- und Durchsetzung von Gewässerschutzzielen, vor allem in den Bereichen Landwirtschaft und Energiegewinnung.
3. Effizienz: Waren die Kosten im Vergleich zu den Ergebnissen gerechtfertigt?
Das sagt die NABU-Expertin: Die zahlreich umgesetzten Maßnahmen haben bereits vielerorts Strukturverbesserungen geschaffen und waren gut investiert. Einen durchschlagenden Erfolg kann aber erst eine vollständige Umsetzung des guten ökologischen Zustandes bringen, z. B. weil Arten dann entlang der Gewässer auch wandern können. Dass sich Investitionen in den Gewässer- und Auenschutz nicht nur für die Natur lohnen, zeigen verschiedene wissenschaftliche Studien des Bundesamts für Naturschutz und des Umweltbundesamts (UBA). Beispielsweise wurde errechnet, dass die Reinigung von mit Nitrat belastetem Grundwasser zwischen 580 und 767 Millionen Euro im Jahr kostet. Maßnahmen dafür, dass Nitrat erst gar nicht in unsere Gewässer eingetragen werden, wären weitaus günstiger.
Nach Grossmann et al. (2010) würde zum Beispiel eine Wiedergewinnung von 35.000 Hektar Überflutungsfläche 566 Millionen Euro kosten. Dem steht ein Nutzen von mehr als 1,75 Milliarden Euro gegenüber. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus den vermiedenen Hochwasserschadenskosten (177 Millionen Euro), eingesparte Unterhaltungs- und Sanierungskosten für den alten Deich (159 Millionen Euro), dem Rückhalt von Nährstoffen (486 Millionen Euro) und dem Schutz der biologischen Vielfalt (926 Millionen Euro).
4. Kohärenz: Ist die WRRL in sich logisch und widerspruchsfrei und steht sie im Einklang mit anderen Gesetzen?
Das sagt die NABU-Expertin: Die WRRL ist in sich logisch. Bei der konkreten Umsetzung hat sich jedoch gezeigt, dass im Detail Bedarf besteht, die Vorgaben zu konkretisieren. Derzeit können die Ziele der WRRL vor allem deshalb nicht erreicht werden, weil die Gesetze und Subventionen im Agrar-, Verkehrs, Energie- und Industriesektor nicht nach dem Verursacherprinzip ausgerichtet sind und dem Gewässerschutz entgegenstehen. Die im Zuge der Umsetzung der WRRL notwendigen Maßnahmen haben häufig positive Synergieeffekte mit anderen Zielen der EU (FFH-Richtlinie, EU-Vogelschutzrichtlinie, EU-Hochwasserschutzrichtlinie)
5. EU-Mehrwert: Welchen Nutzen hat die WRRL zusätzlich zu den Maßnahmen auf nationaler und regionaler Ebene für die EU gebracht?
Das sagt die NABU-Expertin: Mit der WRRL wurde ein riesiger Wissensschatz zu unseren Gewässern, ihren verschiedenen Tier- und Pflanzenarten, ihren Funktionen und Problemen aufgebaut. Der flussgebietsbezogene Ansatz hat die länder- und staatenübergreifende Zusammenarbeit gefördert, was sich auch auf andere Themen positiv auswirkt. Außerdem haben die Bürgerinnen und Bürger nach der WRRL das Recht, über die Umsetzung der Richtlinie informiert zu werden und dazu Stellung zu nehmen. Diese Art der verbindlich festgelegten Öffentlichkeitsbeteiligung ist einmalig.
Ihre Stimme zählt!
Bis März 2019 können Bürgerinnen und Bürger der EU-Kommission noch sagen, wie sie zur WRRL stehen. Nehmen auch Sie teil und geben Sie dem Schutz von lebendigen Gewässern und unserem Lebensmittel Nr. 1 Ihre Stimme!
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