NABU-Factsheet zu Kunststoff-Emissionen in Landwirtschaft und Gartenbau (05/21) (998.07 KB)
Biologisch abbaubare Kunststoffe in der Landwirtschaft
NABU-Forderungen zur Anwendung
Kunststoffe, die in der Landwirtschaft und im Gartenbau eingesetzt werden, sollten möglichst wieder eingeholt und dem Recycling zugeführt werden. Das Recycling von Kunststoffen ist umweltfreundlicher als die Kompostierung von bioabbaubaren Kunststoffen, denn bei der Kompostierung entstehen weder Humus noch pflanzenverfügbare Nährstoffe. Auch ist das Material nach einmaligem Einsatz nicht weiter nutzbar. Dagegen wird der Kunststoff beim Recycling weiterhin im Kreislauf gehalten.
In der landwirtschaftlichen Praxis – wie auch in Fischerei und Waldwirtschaft – gibt es jedoch Anwendungen, bei denen die Kunststoffe zwar eigentlich nicht auf dem Boden verbleiben sollen, in der Praxis aber nachweislich nicht wieder (vollständig) eingeholt werden. Beispiele sind Fragmente von Mulchfolien oder kleinteilige Pflanzhilfen, die zu klein oder zu sehr mit der Erde verbunden sind wie Pflanzenbefestigungs-Clips, Bänder oder Erdnägel. Auch gibt es Anwendungen von Kunststoffen, bei denen diese ganz bewusst in den Boden eingetragen werden. Das betrifft mit Kunststoffbeschichtungen umhüllte Düngemittel, die eine kontrollierte Nährstoffabgabe ermöglichen, oder umhülltes Saatgut. Hier können bioabbaubare Kunststoffe mitunter eine Lösung sein, wenn sie den jeweiligen Abbaubedingungen vor Ort (Temperatur, Feuchtigkeit etc.) entsprechen.
NABU-Factsheet zu Kunststoff-Emissionen zum Download
Biologisch abbaubare Kunststoffe – eine Begriffserklärung
Kunststoffe sind Polymere und alle Kunststoffe zerfallen beziehungsweise fragmentieren mit der Zeit in Mikroplastik. Je nachdem, wo sie sich befinden und welchen Einflüssen sie ausgesetzt sind, geschieht dies schneller oder langsamer. Einige Kunststoffarten können sich darüber hinaus auch vollständig zersetzen, das heißt biologisch abbauen: Diese biologisch abbaubaren Kunststoffe können sowohl aus fossilen als auch aus nachwachsenden Rohstoffen (z. B. Mais oder Zuckerrohr) hergestellt werden (siehe Abbildung). Beim Abbau werden die organischen Bestandteile der Polymere durch Mikroorganismen umgewandelt. Unter aeroben Bedingungen (unter Sauerstoffzufuhr wie beispielsweise auf einem Acker oder bei der Kompostierung) werden sie vor allem zu Wasser, Kohlenstoffdioxid und Biomasse umgewandelt. Unter anaeroben Bedingungen (ohne Sauerstoffzufuhr wie in einer Biogasanlage) auch zu Methan. Bioabbaubare Kunststoffe sind Nahrung für Mikroorganismen. Sie sind zusammen mit Umgebungstemperatur, Wassergehalt, Nährstoffverfügbarkeit und pH-Wert entscheidend für den Abbau und die Abbau-Geschwindigkeit.
So wie Kunststoff nicht gleich Kunststoff ist, ist Abbaubarkeit nicht gleich Abbaubarkeit. Vielmehr schwanken die Abbauzeiten sehr stark, je nachdem welchen bioabbaubaren Kunststoff man betrachtet und wie die Umgebung ist, in der sich der Abbau vollziehen soll. Daher gibt es verschiedene Zertifizierungen für den biologischen Abbau von Kunststoffen. Die bekannteste ist der Standard für die Kompostierung von Kunststoff-Verpackungen in einer industriellen Kompostierungs- oder Vergärungsanlage (Biogasanlage) nach der europäischen Norm EN 13432 (wurde auf bioabbaubare Kunststoffe allgemein in der EN 14995 erweitert). Diese schreibt einen biologischen Abbau von mindestens 90 Prozent innerhalb von sechs Monaten bei circa 60 Grad Celsius Temperatur in der Anlage vor (sowie eine Fragmentierung, also einen Zerfall des Kunststoffs in kleine Partikel, innerhalb von zwölf Wochen).
Verpackungen und auch Produkte wie Plastik-Einweggeschirr, die diese Norm erfüllen, werden sehr oft als „bioabbaubar“ oder „kompostierbar“ beworben, was zu Missverständnissen führen kann. Diese Produkte dürfen trotz der Bezeichnungen nicht in der Natur oder auf dem Gartenkompost landen, denn es geht hier um den Abbau in einer industriellen Anlage mit vielen Mikroorganismen und sehr hohen Temperaturen. In der Natur herrschen ganz andere Bedingungen. In der Biotonne sind die nach EN 13432 zertifizierten Verpackungen oder Produkte allerdings auch nicht erlaubt, da sie keine wertgebenden Inhaltsstoffe enthalten, die die Qualität des Komposts als Dünger und Bodenverbesserer verbessern würden. Einzige Ausnahme sind bioabbaubare Beutel für Bioabfälle, die in manchen Kommunen in der Biotonne erlaubt sind, weil dadurch mehr Bioabfälle getrennt gesammelt werden.
Zertifizierungen für biologische Abbaubarkeit im Boden
Der biologische Abbau an sich und die Geschwindigkeit, in der er sich vollzieht, sind von der Umgebung abhängig (siehe oben). Daher macht es einen Unterschied, ob ein bioabbaubarer Kunststoff in einer industriellen Anlage, auf dem Heimkompost im Garten, auf dem Acker, im Wald, im Süßwasser-See, in der Tiefsee oder auf dem Straßenasphalt abbauen soll. Für viele Orte beziehungsweise Umweltumgebungen gibt es bereits Zertifizierungen, aber nicht für alle (eine gute Übersicht bietet das Projekt BioSinn des nova Instituts).
Für den Abbau im Boden, im Sinne eines Ackers oder Feldes, gibt es folgende Zertifizierungen:
- DIN CERTCO zertifiziert mit dem Label „DIN-geprüft Biodegradable in Soil” entsprechend der Norm DIN EN 17033. Das Label gibt es explizit nur für Mulchfolien, nicht für Verpackungen, Beutel oder andere Anwendungen. Die Norm DIN EN 17033 bezieht sich auf den biologischen Abbau von Mulchfolien im Boden (Anwendung Landwirtschaft und Gartenbau). Innerhalb von maximal 24 Monaten müssen bei einer konstanten Temperatur zwischen 20 und 28 Grad Celsius mindestens 90 Prozent des Materials der Mulchfolie in CO2 umgewandelt werden (Zehn Prozent werden Biomasse der Mikroorganismen).
- Über Mulchfolien hinaus geht der TÜV Austria mit der Zertifizierung „OK biodegradable SOIL“. Hier wird die Norm EN 13432 (siehe oben) als Basis genutzt und für die Abbauumgebung Boden angepasst: Hier müssen mindestens 90 Prozent des Kohlenstoffs im Kunststoff erst nach zwei Jahren statt nach sechs Monaten in CO2 umgesetzt sein. (TÜV Austria bietet für diverse Umweltumgebungen Standards und Zertifizierungen an, von der industriellen Kompostierung bis zu Meereswasser, wobei letzteres als teilweise als noch nicht ausgereift angesehen wird.)
Die Zertifizierungen für den Boden als Abbauumgebung können nicht auf versiegelte Flächen wie Asphalt angewendet werden und auch nicht auf den Waldboden. Für beides existieren (noch) keine Zertifizierungssysteme. Der Abbau vollzieht sich im Wald, laut nova-Institut, wegen der fehlenden Mikroorganismen und heterogener Waldbodenarten viel langsamer als auf landwirtschaftlich genutzten Böden.
Abbaubarkeit im Praxisversuch
Untersuchungen zur Abbaubarkeit von verschiedenen Polymeren zeigen, dass sich der Abbau im Boden wesentlich langsamer vollzieht als in einer industriellen Kompostierungsanlage. So lag die Zeit bis zum vollständigen Abbau für die Polymere PHA, PCL, TPS, PBST und PBAT bei sechs bis sieben Monaten, in der Kompostierungsanlage zeigte sich ein signifikanter Abbau bereits nach 30 bis max. 80 Tagen (siehe NABU-Studie Anhang IV). Bei PLA, der meistverkaufte bioabbaubare Kunststoff, gibt es besonders große Unterschiede zwischen der Abbaubarkeit in der Kompostierungsanlage und in natürlichen Umgebungen. Der Grund ist, dass bei PLA der erste Abbauschritt, die Hydrolyse (Spaltung einer chemischen Verbindung), erschwert ist, weil der Kunststoff hierfür im Gegensatz zu anderen bioabbaubaren Polymeren anscheinend sehr hohe Temperaturen benötigt, die in einer natürlichen Umgebung nicht vorzufinden sind.
Untersuchungen im Labor stellen die Abbaubbedingungen im Boden nur nach, es gibt aber auch Feldversuche in realen Böden: In Frankreich wurde nach 24 Monaten ein vollständiger Abbau der Proben von PHB, PCL, PCL/TBS und Zellophan bei Bodentemperaturen von circa 10 bis 14 Grad Celsius festgestellt. PLA hatte sich – wie bereits in den Laborversuchen – kaum zersetzt. Auch in Griechenland konnten nur geringe Zersetzungserscheinungen bei PLA-Film- und PLA-Faserproben festgestellt werden. In China wiederum bauten sich sowohl PBTA als auch PLA-Filmproben nach maximal vier Monaten ab, was gegebenenfalls auf die künstliche Bewässerung des Bodens oder die Zerkleinerung der Folien als Filmprobe zurückzuführen ist. Das zeigt, wie unter ähnlichen Umweltbedingungen dennoch die Geschwindigkeit des biologischen Abbaus für verschiedene Produkte oder Materialien variieren kann.
Die Labor- und Feldversuche zeigen, dass die Bewertung von abbaubaren Kunststoffen sehr komplex ist: in der Kompostierungsanlage, wo überall relativ konstante und ähnliche Bedingungen vorherrschen, bauen die verschiedenen Polymere unterschiedlich schnell ab. Langsamer bauen sie in natürlichen Umgebungen ab, sowohl simuliert im Labor als auch auf dem echten Acker. Auf dem echten Acker herrschen allerdings – anders als in der industriellen Anlage oder im Labor an unterschiedlichen Orten auch unterschiedliche Bodenbedingungen vor. So variieren hier die Abbauzeiten ein und desselben Polymers noch einmal.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich im Boden – bei guten Bedingungen – stärke-basierte Polymere, PHA, PCL, PBAT und PBSA nach etwa zwölf Monaten abgebaut haben. Bei PLA variieren die Ergebnisse in echtem Boden – wie im Labor – allerdings stark: vom Abbau innerhalb von vier Monaten bis zu gar keinem Abbau während der Untersuchungszeit. Zwar baut sich PLA auch irgendwann ab, als Anwendungsprodukte kämen dann aber nur sehr langlebige Produkte in Frage, bei denen es ein Vorteil wäre, dass sich PLA in der freien Natur nur sehr langsam über Jahre hinweg abbaut.
NABU-Einschätzung
Der NABU fordert nicht, die Kunststoffnutzung in Landwirtschaft und Gartenbau zu verbieten. Die Nutzung ist in vielen Fällen auch für den Naturschutz wichtig, wenn beispielsweise Kunststoffnetze über Obstbäumen Vögel vom Baum fernhalten und so weniger giftige Pestizide ausgebracht werden oder mit umhüllten Düngemitteln seltener und zielgenauer gedüngt wird. Der NABU fordert einen bedachten und sinnvollen Einsatz von Kunststoffen, einschließlich bioabbaubarer Kunststoffe.
Für Verpackungen stellen bioabbaubare Kunststoffe für den NABU keine Alternative zu recyclingfähigen Kunststoffverpackungen dar: Rohstoffe sollten so lange wie möglich im Kreislauf gehalten werden. In Landwirtschaft oder auch der Fischerei gibt es aber auch für den NABU Anwendungen, wo bioabbaubare Kunststoffe Teil der Lösung gegen die zunehmende Verunreinigung der Böden sein können. Dabei ist allerdings sehr wichtig, dass abbaubare Materialien und Produkte entwickelt werden, die unter den vorherrschenden Bodenbedingungen tatsächlich abbauen und dass die Abbaugeschwindigkeit genau an die Nutzungsphase der entsprechenden Anwendung angepasst ist.
Wenn Mikroplastik aus den Böden durch zum Beispiel Regen in angrenzende Gewässer ausgeschwemmt wird, muss außerdem die Abbauleistung auch auf den Abbau in Gewässern abgestimmt sein. Grundsätzlich zeigen bioabbaubare Kunststoffe – mit Ausnahme von PLA und den Polyestern PBS und PBAT – allerdings eine bessere Abbaubarkeit im wässrigen Milieu als im Boden. Dennoch sollte dieser Aspekt bei der Auswahl von Materialien berücksichtigt werden.
Im Folgenden werden einzelne Produkte und Anwendungen in Landwirtschaft und Gartenbau vorgestellt, bei denen der Einsatz von bioabbaubaren Kunststoffen aus Sicht des NABU sinnvoll sein kann:
Einsatzmöglichkeiten für bioabbaubare Kunststoffe in Landwirtschaft und Gartenbau
Mulchfolie
In Landwirtschaft und Gartenbau werden Kunststofffolien zum Mulchen eingesetzt, u.a. um die Humus- und Stickstoffbilanz zu verbessern und Erntegut und Boden zu schützen. Während dickere Mulchfolien wiederverwendet werden können, haben sich bei dünneren Mulchfolien bioabbaubare Kunststofffolien als Alternative zu konventionellen, nicht abbaubaren Kunststofffolien etabliert – allerdings sind sie 1,5 bis dreimal so teuer wie konventionelle Folien.
Gerade dünne Mulchfolien bleiben als Fragmente sehr oft auf und in den Böden zurück: Sie werden geschlitzt oder gelocht, um junge Setzlinge und Samen einzubringen, sie werden perforiert, damit Niederschlagswasser durch die Folien durchgelassen wird. Zur Fixierung werden Folien an den Rändern mit Erde überdeckt oder mit Erdnägeln fixiert, so können abgerissene Folienstücke leicht mit der Erde vermischt werden. Wenn die Pflanzen in der Wachstumsphase durch die Folie stoßen, kann die Folie später schwieriger von den Pflanzen getrennt werden. All das fördert das Reißen und Fragmentieren der Mulchfolien und erschwert es, sie nach der Nutzung wieder vollständig einzuholen. Da es sehr personalintensiv ist, die Folien zu bergen, spielen bei der Rückholung auch wirtschaftliche Aspekte eine wichtige Rolle.
Vertiefende empirische Untersuchungen zum Verbleib von Mulchfolien auf Feldern und den Emissionsmengen in die Böden gibt es kaum. Eine Studie aus China untersuchte 2013 landwirtschaftliche Flächen, auf denen sehr dünne Mulchfolien eingesetzt wurden. Im Ergebnis wiesen über 60 Prozent der Flächen nicht geborgene Kunststoffreste von über 75 Kilogramm pro Hektar auf. Die jährlichen Kunststoff-Emissionen wurden auf 8 bis 10 Kilogramm pro Hektar geschätzt, dies entspricht circa 10 Prozent der eingesetzten Folienmenge (Infos zu Mulchfolien und Untersuchungen in der NABU-Studie zu Kunststoffen in Böden in Kapitel 7.1 und im Anhang IV).
Das lässt dünne bioabbaubare Mulchfolien (bis circa 25 Mikrometer Foliendicke) zu einer interessanten Alternative werden. Diese können laut Anbieter auf der Anbaufläche verbleiben und untergepflügt werden. Im Idealfall sollten sie sich in kurzer Zeit vollständig abbauen. Einflussfaktoren bei der biologischen Abbaubarkeit sind u.a. die mikrobiellen Gegebenheiten (siehe oben). Für bioabbaubare Mulchfolien werden vor allem Compounds auf Basis von PLA und thermoplastischer Stärke eingesetzt, auch der Einsatz von Polybutyrat-Adipat-Terephtalat (PBAT) kommt infrage. Eine Mischung aus Naturfasern und biologisch abbaubaren Kunststoffen ist ebenfalls denkbar.
PLA wies in Laborexperimenten zum Abbau im Boden allerdings stark schwankende Abbauzeiten und Abbaugrade auf. So variiert das Abbauverhalten hier zwischen fast vollständigem Abbau in 180 Tagen und nahezu keinem Abbau innerhalb eines Jahres. Eine Studie der ETH Zürich (2018) zu PBAT-Mulchfolien wies nach, dass diese in landwirtschaftlichen Böden von Bodenmikroorganismen mineralisiert werden und Kohlenstoff aus dem Polymer in die Biomasse der Bodenmikroorganismen überführt wird. Insgesamt besteht aber noch großer Forschungsbedarf zum Abbauverhalten der aktuell verfügbaren bioabbaubaren Mulchfolien unter realen Bedingungen. Einige Projekte arbeiten derzeit daran, diese Wissenslücken zu schließen.
NABU-Forderungen zum Einsatz von Agrarfolien
- Verbot des Einsatzes von Folien, die den Boden komplett bedecken (z.B. beim Spargelanbau) in Natur- und Vogelschutzgebieten
- Einsatz langlebiger Folien verbunden mit gesetzlichen Rücknahmesystemen; keine Übernutzung der Folien
- Beim Einsatz von abbaubaren Folien (z. B. Mulchfolien): an die Umweltbedingungen am Einsatzort angepasste und nachgewiesene Abbaubarkeit
- Entwicklung alternativer und effizienter Mulchpraktiken
Klärschlammaufbereitung: Polymere Flockungshilfsmittel
Klärschlamm ist laut einer NABU-Studie die größte Quelle für Kunststoffeinträge in landwirtschaftlich genutzten Böden in Deutschland. Im Klärschlamm wird Mikroplastik aus dem Abwasser gebunden. Darüber hinaus werden dem Klärschlamm in der Kläranlage bewusst polymere Flockungshilfsmittel zur Entwässerung zugesetzt. Von den 8.385 Tonnen Kunststoffen, die jährlich über den Klärschlamm in die Böden eingetragen werden, haben Flockungshilfsmittel schätzungsweise einen Anteil von knapp 45 Prozent. Die Flockungshilfsmittel sind zumeist Polyacrylamide, wobei das enthaltende Monomer Acrylamid in der Kritik steht, toxisch für Mensch und Fauna zu sein. Daher sollte es nicht ins Trinkwasser oder die Natur gelangen.
Polysaccharide wie Chitosan (nicht essbare Krabbenschalen), Zellulose oder Stärke können als alternative Flockungshilfsmittel verwendet werden. Zellulose oder Stärke müssen jedoch erst modifiziert werden, wobei darauf zu achten ist, dass die biologische Abbaubarkeit dabei nicht verändert wird. Chitosan erfüllt die technischen Anforderungen auch ohne Modifizierung, es gibt hier allerdings noch keine Zertifizierung für die Bioabbaubarkeit im Boden.
In Deutschland gibt es über die Düngemittelverordnung (DüMV) die Vorgabe, dass sich polymere Flockungshilfsmittel innerhalb von zwei Jahren zu mindestens 20 Prozent abbauen müssen. Eigentlich war geplant, keinen Klärschlamm mit Polyacrylaten mehr als Düngemittel in Deutschland zuzulassen. Da der Gesetzgeber aber einen Entsorgungsnotstand für den Klärschlamm befürchtete, wurde dies doch nicht umgesetzt. Die Abbaurate von 20 Prozent in zwei Jahren ist wenig ambitioniert, vor allem angesichts der Ökotoxizität, die dem Acrylamid zugeschrieben wird. Auch wird bezweifelt, dass alle Polyacrylamid-basierten Flockungshilfsmittel diese Abbaubarkeit vorweisen. Fraglich ist, wer bei dem komplexen juristischen Konstrukt letztendlich die Verantwortung für die Einhaltung hat, wer die Einhaltung kontrolliert und ob es Sanktionen bei Verstößen gibt. Angaben zu notwendigen Zertifizierungen o.ä. zum Nachweis der Abbaubarkeit finden sich nicht.
NABU-Forderung
Der NABU fordert ein Verbot der Ausbringung von Klärschlamm – auch aufgrund der anderen im Klärschlamm gebundenen Schadstoffe wie Schwermetalle, Biozide oder Arzneimittelrückstände. Solange Klärschlamm noch in der Landwirtschaft genutzt wird, sollten die Anforderungen an die Abbaubarkeit der polymeren Flockungsmittel in Kläranlagen verschärft werden, der Einsatz von Acrylamiden sollte unterbunden werden.
Umhüllte Düngemittel, Pflanzenschutzmittel und Saatgut
Umhüllte Düngemittel sind eine bedeutende Quelle für Kunststoffeinträge in Böden. Eine Kunststoffbeschichtung ermöglicht eine kontrollierte Nährstoffabgabe. Dies kann ökologische Vorteile für den Boden bringen, da seltener und zielgenauer gedüngt werden kann. Bisher wird noch an bioabbaubaren Umhüllungen geforscht. Dies gilt auch für Pflanzenschutzmittel, wo in sogenannten Kapselsuspensionen (CSP) Polymere die Aufgabe haben, das Pflanzenschutzmittel über längere Zeit gezielt abzugeben. Daneben können Pflanzenschutzmittel auch Polymere in der Rezeptur beinhalten u.a. als Bindemittel, Trägerstoff oder Verdicker.
Auch durch gebeiztes und umhülltes Saatgut werden Kunststoffe in Böden eingetragen, am stärksten durch den Anbau von Mais, Raps, Hülsenfrüchten und Zuckerrüben. Das Saatgut wird beispielsweise mit Pflanzenschutzmitteln und Insektiziden (Pestizide) behandelt und eine Kunststoff- bzw. Polymerhülle bindet das Mittel an das Saatgut, sodass es nicht bereits bei der Ausbringung in die Umwelt abgegeben wird. Die Granulierung erleichtert außerdem die maschinelle Ausbringung des Saatguts. Die am häufigsten eingesetzten Bindemittel sind synthetische, nicht abbaubare Polymere, wie Polyvinylalkohol, Polyvinylacetat, Polystyrol und Polyacrylat. Natürliche und biologisch abbaubare Alternativen aus Chitosan, Zellulose und Stärke sind, laut nova Institut, bereits verfügbar, wie auch Mischungen von natürlichen und synthetischen Bestandteilen. Andere biologisch abbaubare Polyester wie PBAT oder PBSA oder PCL könnten die technischen Anforderungen ebenfalls erfüllen.
NABU-Forderung
Wenn der Mikroplastik-Beschränkungsvorschlag der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) umgesetzt wird, müssen die polymeren Verkapselungen und Hüllen bei Düngemitteln, Saatgut und Pflanzenschutzmitteln in der EU zukünftig biologisch abbaubar sein. Bezüglich der Pestizide setzt sich der NABU darüber hinaus für eine Bewirtschaftung nach dem Prinzip des integrierten Pflanzenschutzes ein: keine präventive Saatgut-Beizung mit Pestiziden und eine drastische Reduktion des Einsatzes von Pestiziden allgemein.
Quell- und Presstöpfe
Quell- und Presstöpfe aus Torf oder Kokosfaser sind häufig mit einem dünnen Netz umgeben, das die Quellung begrenzt und für den Zusammenhalt der Ballen sorgt. Presstöpfe mit Papierummantelung werden als vollständig biologisch abbaubar beworben. Erfahrungen zu den Töpfen legen nahe, dass die konventionellen Varianten mit Netz bis heute nicht abbaubar sind. Sofern die Grundmaterialien Torf oder Kokosfaser alleine keine ausreichende Festigkeit bieten, werden häufig Bindemittel eingesetzt, die technisch auch aus synthetischen Polymeren hergestellt werden können (vgl. NABU-Studie Kapitel 7.2).
NABU-Forderung
Bei Quell- und Presstöpfen sollten ausschließlich natürliche Polymere oder sehr gut abbaubare Polymere eingesetzt werden. Die Abbaubarkeit muss an die realen Umweltbedingungen am Einsatzort und die Nutzungsphase angepasst und nachgewiesen werden.
Binde- und Pressengarne
Garne (z.B. Binde- und Pressengarne) werden insbesondere für Stroh-, Heu- und Silage-Ballen genutzt, um diese in Form zu halten. Bei der Handhabung und maschinellen Bearbeitung kommt es immer zu Verlusten, so dass Garne und Fasern auf und in die Böden gelangen, wo sie sich weiter zu Mikroplastik zersetzen. Anstelle der heute üblichen Garne aus Polypropylen können und werden teilweise natürliche Sisalgarne eingesetzt, auch andere Naturfasern sind möglich. Allerdings laufen diese Garne nicht auf allen Maschinen bzw. Ballenpressen und bieten gegebenenfalls nicht immer die nötige Leitungsfähigkeit.
In diesem Fall wären abbaubare Kunststoff-Alternativen den aktuell eingesetzten Garnen vorzuziehen. Einsatzfähig wären, laut nova Institut, verschiedene Materialien wie Lyocell, PHB und PHB-Copolymeren. Auch PLA oder PLA-Blends mit PBAT oder PBS könnten die technischen Anforderungen für Bindegarne erfüllen, wobei PLA im Boden langsamer abbaut als zum Beispiel die Zertifizierung „OK Biodegradable SOIL“ vom TÜV Austria verlangt. Eine weitere Alternative sind Kombinationen aus Naturfasern mit bioabbaubaren Kunststoffen (siehe Studie „BioSinn“ des nova Instituts).
Pflanzhilfen und Wuchshüllen
Kleinteile zur Befestigung der Pflanzen an Pfählen, Spann- und Bindedrähte, Kabel- und Schnellbinder, Klammern, Erdnägel, Verbissschutzkappen, Schnüre für Gemüse, Netze, Hüllen und Säulen – in Landwirtschaft und Gartenbau werden viele Pflanzhilfen eingesetzt, die zunehmend aus Kunststoff hergestellt werden (siehe NABU-Studie).
Im Wein- und Obstbau sowie in Baumschulen dienen Wuchshüllen aus Kunststoff für junge Bäume und Reben zum Beispiel als Verbissschutz, Schutz vor Herbiziden oder Mähschutz. Zum Einsatz kommen meistens konventionelle Kunststoffe wie Polyporopylen (PP) und Polyethylen (PE), die mit Zusatzstoffen gegen UV-Strahlung stabilisiert werden. Erfahrungsberichte zeigen, dass Kälte, UV-Strahlung und eine zu lange Nutzung nicht selten zum Brechen und Reißen der Säulen führen. (Auch im Wald finden sich immer mehr Rückstände von Plastik-Wuchshüllen, da die Hüllen bzw. abgebrochene Hüllenteile nicht wieder eingesammelt werden.) Bei der Nutzung von Pflanzen-Clips zur Befestigung im Freien besteht ebenfalls die Gefahr, dass sie abbrechen oder abfallen. Je nach Aufwand und Maschinenausstattung können mehr oder weniger Kleinteile aufgesammelt werden, der Rest verbleibt dauerhaft in der Natur.
Angeboten werden bereits verschiedene Pflanzen-Clips aus biologisch abbaubaren Kunststoffen, teilweise auch aus Bioverbundmaterialien, in denen Polymeren und Naturmaterialien, wie Holzmehl, Pflanzenfasern oder Sonnenblumenkernschalen kombiniert werden. Häufig sollen jedoch Zertifikate und Informationen fehlen, in welcher Umweltumgebung sie abbaubar sind. Als im Boden abbaubare Materialien könnten, laut nova Institut biologisch abbaubare Polyester wie PBAT, PBSA und PHB genutzt werden. Naturmaterialien in Bioverbundmaterialien (siehe oben) können den Abbau fördern (siehe Studie BioSInn des nova Instituts).
Pflanzhilfen laufen oft Gefahr, auf landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Nutzflächen zu verbleiben. Je kleiner die Kunststoffteile, desto schwieriger ist es, sie wieder einzuholen. Wenn sie mit organischen Agrarreststoffen, zum Beispiel aus Treibhäusern, eingesammelt und entsorgt werden, können sie auch über die Kompostierungsanlagen als Verunreinigungen im Kompost auf den Böden landen.
NABU-Forderung
Pflanzhilfen aus Kunststoff sollten nur dann verwendet werden, wenn sie auch nach mehrjährigen Anwendungen zurückgeholt werden können. Wenn ein Verbleib in der Umwelt beabsichtigt oder unausweichlich ist, müssen die Produkte aus natürlichen, ortstypischen Werkstoffen bestehen oder im Boden schnell biologisch abbaubar sein. Die Abbaubarkeit muss dabei an die realen Umweltbedingungen am Einsatzort und die Nutzungsphase angepasst und nachgewiesen werden.
Zum Download
Tausende Tonnen Plastik landen in Deutschland jährlich auf und in landwirtschaftlich genutzten Böden. Erste Studien zeigen, dass dies eine Gefahr für Regenwürmer und andere Insekten ist und das Pflanzenwachstum beeinflusst. Der Eintrag von Plastik in Böden muss dringend reduziert werden. Mehr →
Mehr als 13.000 Tonnen Kunststoffe werden in Deutschland jährlich durch landwirtschaftliche Aktivitäten freigesetzt. Dies ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag des NABU. Der Großteil der Kunststoffe landet direkt im oder auf dem Boden. Mehr →
Die Folgen unserer hochintensiven Landwirtschaft sind ein dramatisches Insekten- und Vogelsterben, zu hohe Nitratwerte im Grundwasser und klimaschädliche Emmissionen. Der NABU setzt sich deshalb für eine naturverträgliche Landwirtschaft ein. Mehr →