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Mit Messer und Gabel
Unsere Ernährungsgewohnheiten heizen die Erde auf


Die Currywurst genießt man in Bonn seit kurzem klimaneutral. Als erste Pommesbude Deutschlands hat sich der Erivian-Imbiss in der Bonner Weststadt voll und ganz dem Klimaschutz verschrieben. Für jede Currywurst, die über den Tresen geht, werden 20 Quadratzentimeter Regenwald gepflanzt. Die Idee dabei: Während ihres Wachstums nehmen die Bäume die gleiche Menge an Treibhausgas auf, wie bei Herstellung und Zubereitung der Schnellgerichte anfallen – rein rechnerisch ein Nullsummen-Spiel.
Ob Döner, Burger und Fritten in klimaneutraler Ausführung besser schmecken, sei dahingestellt. Doch verspricht ihr Genuss angesichts der Gefahren des Klimawandels zumindest ein gutes Gewissen. Mehr noch: Der Marketing-Gag weist auf eine Tatsache hin, die gerne verdrängt wird: Unsere Ernährungsgewohnheiten beschleunigen den Klimawandel. Genauso wie Autofahren oder Fernsehschauen heizt auch unser täglich Brot die Erde auf. Denn das Herstellen, Transportieren, Lagern, Einkaufen und Zubereiten der Nahrungsmittel ist energieaufwendig und damit potenziell klimaschädlich.
Klimabombe Rind
Von den zehn Tonnen des Klimagases Kohlendioxid, die jeder Deutsche pro Jahr im Schnitt verursacht, stammt ein Fünftel aus der Ernährung. Dieser vergleichsweise hohe Wert ergibt sich, weil hierzulande überwiegend schwere Kost aufgetischt wird. Lebensmittel tierischen Ursprungs machen über ein Drittel des gesamten Verzehrs aus, hat das Öko-Institut ermittelt. Zwar stammen die Zahlen aus dem Jahr 2000, doch dürften sich die hiesigen Ernährungsgewohnheiten seitdem kaum grundlegend geändert haben: In deutschen Küchen dominieren Milch, Butter, Käse, Wurst und Fleisch – ein Ernährungsstil, der die persönliche Klimabilanz stark belastet.
Schuld daran ist primär die Rinderhaltung: „Das Rind ist eine Klimabombe“, warnt Thilo Bode von der Verbraucherorganisation Foodwatch. Wiederkäuer wie Rind, Schaf und Ziege rülpsen bei der Verdauung Methan aus, ein Gas, das 23mal stärker auf das Klima wirkt als Kohlendioxid.
Bioqualität im Vorteil
Deshalb verursache die Erzeugung von einem Kilo Rindfleisch etwa dreimal so viel Treibhausgase wie die Produktion von einem Kilo Schweinefleisch, heißt es in einer von Foodwatch beauftragten Studie. Wird das Rindfleisch ökologisch erzeugt, schneidet es unter Umständen sogar noch schlechter ab. Die Studie begründet dies mit dem höheren Flächenbedarf der Ökohöfe.
Unterm Strich wird den Bio-Bauern jedoch eine deutlich günstigere Klimabilanz attestiert als ihren konventionell wirtschaftenden Kollegen: Zwar schlägt sich Milch und Käse in Bioqualität nur geringfügig besser, doch Bio-Schweinefleisch belastet das Klima um ein Drittel weniger als konventionelles; Ökoweizen verursacht im Vergleich zu konventionell angebautem nur die Hälfte an Treibhausgasen. Fazit der Studie: Die ökologische Landwirtschaft emittiert rund ein Fünftel weniger Treibhausgase als die konventionelle. Ein beachtlicher Wert, wenn man bedenkt, dass Ackerbau und Viehzucht hierzulande für bis zu 15 Prozent des gesamten Treibhausgas-Ausstoßes verantwortlich sind – und damit das Klima fast genauso stark schädigen wie der Straßenverkehr.
Weniger Fleisch und Milch
Über zwei Drittel der landwirtschaftlichen Klimagase stammen laut Studie aus der Tierhaltung. Um die Landwirtschaft klimaverträglicher zu machen, müsste also die Erzeugung von Fleisch- und Milchprodukten reduziert werden, folgert Foodwatch. Eine Forderung, die sich ohne das Engagement der Verbraucher kaum durchsetzen lässt: „Was wir heute essen, entscheidet über das Klima von morgen“, appelliert deshalb Gerd Billen, Ex-NABU-Bundesgeschäftsführer und heute Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, an das Umweltgewissen der Konsumenten. „Unsere Ernährungsgewohnheiten gehören auf den Klimaprüfstand.“
Wie eine klimafreundliche Ernährungsweise aussehen könnte, hat im vergangenen Jahr Horst Seehofer, damals noch Bundeslandwirtschaftsminister, untersuchen lassen. Sein Rat: Weniger tierische, dafür mehr pflanzliche Lebensmittel auf den Speiseplan setzen. Frische Produkte mit nur geringem Verarbeitungsgrad kaufen, Tiefkühlkost meiden. Obst und Gemüse saisonal einkaufen, Freilandware bevorzugen. Regionale Erzeugnisse auswählen, per Flugzeug importierte Nahrungsmittel im Supermarktregal liegen lassen. Und vor allem: Die Einkäufe zu Fuß oder per Fahrrad erledigen.
Genau hinschauen
Doch selbst wer alle diese Ratschläge beherzigt, kann nicht sicher sein, automatisch das klimafreundlichste Lebensmittel im Einkaufskorb zu haben. Beispiel Biokost: Da die hiesigen Bio-Bauern die Nachfrage nicht annähernd decken können, drängt die ausländische Konkurrenz von Jahr zu Jahr stärker auf den Markt. Frühkartoffeln aus Ägypten, Pflaumen aus Chile und Sonnenblumenkerne aus der Volksrepublik China gehören auch in hiesigen Bioläden zum Sortiment – egal, wie verheerend die Klimabilanz transportbedingt ausfällt.
Beispiel Regionalität: Ein frisch gepflückter Apfel aus Chile, der per Containerschiff statt per Flugzeug nach Deutschland verfrachtet wird, schneidet unter Umständen ähnlich gut ab, wie ein Bodensee-Apfel, der über Monate im Kühlhaus lagert. Transporte schlagen in der Klimabilanz weniger stark zu Buche als oft vermutet. Das Gegenteil gilt beispielsweise für Spargel aus Argentinien, der per Luftfracht nach Deutschland geliefert wird: Transportbedingt belastet er das Klima etwa 280mal stärker als die regional erzeugte Variante.
Rückkehr zum Sonntagsbraten
Die Materie ist also unübersichtlich. Abgesehen davon, dass bislang noch keine allgemein verbindlichen Bewertungskriterien für die Klimaschädlichkeit eines Produkts existieren, ist es dem Verbraucher kaum zuzumuten, beim täglichen Einkauf die komplexen Zusammenhänge von Klimabilanzen nachzuvollziehen. Ein gemeinsames Forschungsprojekt von Öko-Institut, WWF und Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung soll das nun ändern. Ziel der Wissenschaftler ist es, die Bilanzierung der Klimagas-Emissionen international zu harmonisieren und eine Produkt-Kennzeichnung zu entwickeln, die über den Grad der Klimaschädlichkeit informiert.
Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels hat allerdings bereits abgewunken: Ein zusätzliches Klimalabel auf den Waren stifte nur Verwirrung, heißt es. Damit ist der Ball wieder beim Verbraucher und dessen Ernährungsstil. Wer sich vegetarisch ernähre und konsequent zu Bioprodukten greife, verbessere seine persönliche Klimabilanz um 60 Prozent, sagt der Münchner Ernährungswissenschaftler Karl von Koerber. So weit würde Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamtes, zwar nicht gehen, doch rät er zur Mäßigung beim Fleischkonsum: „Ich empfehle eine Rückkehr zum Sonntagsbraten und eine Orientierung an mediterranen Ernährungsgewohnheiten“, sagt Troge. Das sei gesund, nütze dem Klima und bedeute auch keinen Verlust an Lebensqualität.
Hartmut Netz
Essen für den Klimaschutz
- Bio statt konventionell: Der Ökolandbau emittiert rund ein Fünftel weniger Kohlendioxid und Methan als die konventionelle Landwirtschaft.
- Regional statt global: Flugware ist der schlimmste Klimakiller überhaupt. Der Kauf regionaler Produkte stützt dagegen die Kreislaufwirtschaft in der Heimatregion.
- Saisonal statt Unterglas: Saisonal geerntetes Obst und Gemüse belastet das Klima weit weniger als Pflanzenkost, die außerhalb der Saison im beheizten Treibhaus wächst.
- Frisch statt tiefgekühlt: Frischgemüse belastet das Klima produktionsbedingt dreimal weniger als Gemüse aus der Gefriertruhe.
- Rohkost statt Fertigpizza: Je höher ein Lebensmittel verarbeitet ist, desto klimaschädlicher seine Herstellung.
- Schweinsbraten statt Rumpsteak: Wer weniger Fleisch und Wurst isst, schont das Klima. Faustregel: Rindfleisch ist dreimal klimaschädlicher als Schwein oder Geflügel.
- Magerquark statt Camembert: Je fetter ein Milchprodukt, desto schlechter seine Klimabilanz.