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Die Spanische Wegschnecke: nicht Einwanderer, sondern Ureinwohner
Über die Spanische Wegschnecke stolpert praktisch jeder. Es gibt kaum Felder oder Gärten, die von dem gefräßigen Weichtier verschont bleiben. Ursprünglich stammt sie aus Südwesteuropa – dachte man jedenfalls bis vor kurzem. Studien des Biodiversität- und Klima-Forschungszentrums (BiK-F) sowie der Goethe-Universität Frankfurt am Main zeigen nämlich, dass das oft zitierte Paradebeispiel einer eingewanderten Art in Wirklichkeit aus Mitteleuropa stammt. Damit wären Bekämpfungsmaßnahmen, wie sie im Rahmen einer derzeit diskutierten EU-Verordnung zur besseren Kontrolle, Eindämmung und Bekämpfung invasiver Arten beschlossen werden sollen, gar nicht auf diese Tierart anzuwenden.
Naturschützer warnen seit geraumer Zeit davor, dass die sich explosionsartig vermehrende braune Nacktschnecke andere Wegschnecken verdränge. Sie richtet zudem erhebliche Fraßschäden in Gärten und in der Landwirtschaft an. Mittlerweile gilt Arion lusitanicus als die häufigste Schneckenart in Deutschland. Sie wird auf der Liste der 100 Tier- und Pflanzenarten geführt, die europaweit den größten negativen Einfluss auf biologische Vielfalt, Wirtschaft und Gesundheit haben.
Spanien ohne Spanische Schnecken – wie das?
Eingeschleppt wurde die Spanische Wegschnecke angeblich nach dem Zweiten Weltkrieg durch Obst- und Gemüseimporte. Bei einer Bestandsaufnahme konnten die Frankfurter Forscher nun aber nicht ein einziges Exemplar der Schnecke in ihrem vermeintlichen Herkunftsgebiet finden. An 60 Orten in Frankreich, Spanien, Großbritannien und den Beneluxländern wurden Wegschnecken gesammelt und bestimmt. „Statt der Spanischen Wegschnecke haben wir aber zahlreiche mit herkömmlichen Methoden nicht bestimmbare, sogenannte kryptische Arten gefunden. Deshalb haben wir die Tiere anschließend mittels DNA-Taxonomie klassifiziert. Dabei werden die Erbinformationen zur Bestimmung herangezogen“, so Prof. Markus Pfenninger, der am BiK-F und der Goethe-Universität forscht und lehrt.
Komplizierte Verwandschaftsverhältnisse
Viele der untersuchten Exemplare waren keiner bekannten genetisch charakterisierten Art zuzuordnen. Dazu Pfenninger: „Wir haben zum Teil stark voneinander abweichende Genvarianten gefunden, die auf eine hohe Zahl bisher nicht als eigene Spezies dokumentierter Arten hinweisen. Das wiederum heißt: Arion ist taxonomisch eine sehr unklare Gattung.“
Die genetischen Informationen verrieten aber noch mehr: Geteilte Mutationen in den Erbinformationen unterschiedlicher Individuen weisen auf Verwandtschaftsverhältnisse hin. „Wir haben einen genetischen Stammbaum erstellt und ihn in Beziehung zur geografischen Verbreitung gesetzt. Die Ergebnisse zeigten, warum wir Arion lusitanicus in Spanien nicht finden konnten: Diese Art ist definitiv nicht dort heimisch, sondern bei uns“, folgert Pfenninger.
Vorsicht mit dem Etikett „invasive Art“
In Europa gibt es Schätzungen zufolge über 12.000 eingewanderte Pflanzen-, Tier- und Pilzarten, und es werden immer mehr. Die Folgen sind die Verdrängung heimischer Arten sowie immense wirtschaftliche Schäden, beispielsweise durch Ernteverluste. Im April 2014 befürwortete das EU-Parlament daher Maßnahmen, die verhindern sollen, dass noch mehr invasive Arten in die EU gelangen, und die bereits eingewanderte Arten wirksamer bekämpfen sollen.
„Bei schlecht dokumentierten Einwanderungen wie bei der Spanischen Wegschnecke müssen wir mit dem Begriff ,invasiv‘ künftig vorsichtiger sein, denn diese Einstufung hat konkrete Auswirkungen auf die Umweltpolitik“, resümiert Pfenninger und fährt fort: „Vielleicht hat sich die Schneckenart in den vergangenen Jahrzehnten einfach aufgrund veränderter landwirtschaftlicher Anbaumethoden so stark vermehrt, dass es uns wie eine Invasion erscheint“. EU-Maßnahmen gegen Arion lusitanicus als invasive Art wären damit obsolet.
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