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Jetzt NABU-Mitglied werden!Entspannte „Goldesel“
Tierische Wanderungen rund um die Dreptefarm



Die deutsche Märchenwelt ist ebenso klassisch wie vielfältig. Da gibt es das moderne Märchen, wie jenes vom fischausrottenden Kormoran. Mit gleichem Wahrheitsgehalt kommt auch mancher Klassiker daher, denn nicht nur Wolfsfreunde wissen: Rotkäppchen lügt! Aber manchmal, da gibt es einen realen Kern. Dann werden Märchen ein Stück weit wahr...
Im NABU-Schullandheim Dreptefarm zwischen Bremen und Bremerhaven läuft seit sieben Jahren das Experiment, Gold aus Eseln herauszuholen. Und das funktioniert mittlerweile sogar recht passabel. Wer jetzt allerdings an „Bricklebrit“-Rufe aus „Tischlein, deck dich!“ denkt, sollte lieber aus Stroh Edelmetall erzeugen. Angesichts der Vermaisung der Landschaft und steigender Heu- und Strohpreise vielleicht kein schlechter Ansatz.
Grautiere als Pädagogen
Zurück zu den „Goldeseln“ der Dreptefarm. Vier Zwergesel mit einem knappen Meter Stockmaß hält das Schullandheim auf seinem Gelände. „Die Tiere sind keine unterbeschäftigten Rasenmäher, sondern Nutztiere für die kostenpflichtigen Wanderungen mit Schulklassen“, betont der Dreptefarm-Vorsitzende Sönke Hofmann. Auf mehreren Routen und zu verschiedenen Themen geht es hinaus in die Umgebung des Ferienortes Wulsbüttel. Manchmal ziehen sie eine achtsitzige Kutsche und es gibt ein Abendbrotbüfett unter freiem Himmel.

„Esel sind großartige Motivatoren, da fragt kein Kind nach hundert Metern, wann wir endlich da sind“, berichtet Hofmann. Auf dem Hinweg tragen die Langohren das Picknick und die Forscherausrüstung. Neben den ruhig zottelnden Eseln trotten dann nervöse Schüler durch den Wald, die oft zum ersten Mal solch gewichtige Verantwortung tragen dürfen. „Nach einigen Wechseln weiß man, bei wem man auf dem Rückweg Hilfestellung geben muss“, erklärt Hofmann die Kennlernphase des Konzepts.
Den Tieren vertrauen
Denn auf dem Rückweg wird geritten und das will sich kaum ein Schüler entgehen lassen. Auf den ersten Metern sitzen die Kinder noch verkrampft auf dem ungewohnten Grautier, aber schon nach wenigen Minuten baumeln die Beine entspannt an den Flanken herunter. Hier muss sich Vertrauen zwischen Reiter, Esel und Führer aufbauen und eine kurzzeitige Zusammenarbeit entstehen, denn nach einigen hundert Metern wird gewechselt.
Reithelme sieht man auf den Wanderungen keine. Zum einen ist die theoretische Fallhöhe niedriger als bei jedem Spielgerät, zum anderen haben Esel eine instinktive Handbremse. „Hausesel stammen ursprünglich aus den Gebirgen Afrikas, deshalb suchen sie ihr Heil nicht, wie das Steppentier Pferd, in wilder Flucht, sondern bleiben stehen, statt wegzulaufen und in der nächsten Felsspalte zu enden. Das hat ihnen auch den falschen Ruf der Sturheit eingebracht.“
Noch weitere Eigenschaften machen Esel für die Arbeit mit Kindern ideal. Sie sind äußerst gutmütig und selbst inmitten einer aufgeregt zwitschernden Schülerschar tiefenentspannt. Und sie sind nicht nachtragend, wenn eine besonders laute Klasse fröhlich in die langen Ohren lärmt. Alfi, Püppi, Klaas und Grisella scheinen zu wissen: Am nächsten Montag kommt die nächste Gruppe und alles fängt wieder bei null an.
Türöffner für Umweltbildung
„Am spannendsten sind für mich die Sonderschulklassen, da sehe ich selbst als Nicht-Pädagoge die enorme Wirkung der Tiere“, so der gelernte Förster und Bremer NABU-Geschäftsführer Hofmann. Auch betont coole Schüler mit denkbar ungeeignet tief sitzenden Hosen und glitzernden Käppis verlieren mit der Verantwortung für ein Tier oft ihre Gangster-Rolle, berichtet Hofmann. „Mit einigen kann man sich dann richtig gut unterhalten, sie öffnen sich ein bisschen für den Naturschutz und kommen aus der alles ablehnenden Pubertätsfalle heraus.“

Wenn die Arbeit mit den Eseln eine fröhliche Stimmung gezaubert hat, lassen sich die Pflanzen des Hochmoors und das Ökosystem Wald den viel gespitzteren Schülerohren ganz anders erklären. Neben diesen Klassikern der Umweltbildung geht es aber auch zum Hünengrab samt Beerdigungsritual in die Steinzeit oder einfach zum Schnitzen von Booten an die Drepte. „Die Esel erleichtern den Kontakt zur Computergeneration, deshalb setzen wir sie ein“, erläutert Sönke Hofmann.
Esel tragen sich selbst…
Die Esel bekommen diesen Sommer auch eine eigene Bundesfreiwilligendienst-Kraft, denn norddeutsches Schmuddelwetter macht Fell und Hufen der Karstbewohner zu schaffen. Ohne intensive Pflege würden die Hufe selbst auf dem „Karnickelflugsand“ Wulsbüttels schnell Opfer von Fäule und Bakterien werden. Und trotz magersten Heus von den NABU-Storchenwiesen im Teufelsmoor neigen die extrem guten Futterverwerter ohne ausreichende Bewegung zu Übergewicht.
Neben den Eseln züchtet die Dreptefarm alte, vom Aussterben bedrohte Haustierrassen. So füttern und tränken die Schüler bei den Fütterungsrunden Thüringer Waldziegen, Bunte Bentheimer Schweine, Rauhwollige Pommernschafe, Diepholzer Gänse, Totleger-Hühner und Meißner Widderkaninchen. Auf der „Froschfarm“ ist ein alter Fischteich zum Amphibienparadies mit regelmäßigem Eisvogel-Besuch geworden und im frisch angekauften Wald toben über den Kinderköpfen Schwarzspecht und Kolkrabe an künstlichem Totholz.
Und zu den Goldeseln: Aus den Erlösen der Eselwanderungen können immerhin Personal, Heu, Hufpfleger und Tierarzt bezahlt werden. Umweltbildung, die sich selbst trägt.
Heidrun Nolte
In Wulsbüttel, zwischen Bremen und Bremerhaven, bietet der NABU Bremen auf der Dreptefarm Ferienfreizeiten für Kinder und Naturerlebnisprogramme für Jugendliche und Erwachsene an. Mehr →