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In Deutschland drohen sich neue Wildtierkrankheiten auszubreiten
Wir sind umzingelt, es geht nicht mehr ums ob, sondern ums wann. Früher oder später wird die Afrikanische Schweinepest (ASP) auch in Deutschland ausbrechen.
2007 wurde das ASP-Virus nach Georgien eingeschleppt und hat sich seitdem in Osteuropa ausgebreitet. 2014 trat ASP in Litauen und damit erstmals in der Europäischen Union aus. 2017 wurde der Erreger in Tschechien nachgewiesen, im Sommer 2018 in Belgien, nur wenige Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Möglicherweise kam die Krankheit über den Import von Wildschweinen für Jagdzwecke aus Polen nach Belgien.
Die Afrikanische Schweinepest befällt Haus- und Wildschweine, der ursprüngliche Verbreitungsschwerpunkt liegt in Afrika südlich der Sahara. Busch- und Warzenschweine sind ein natürliches Reservoir für die Viren, sie selbst erkranken jedoch nicht.
Jäger blasen zum Halali
Das Virus verbreitet sich vor allem aufgrund menschlicher Tätigkeit, zum Beispiel über Tiertransporte. Wildschweine fungieren als Erregerreservoir, ihre Bestände per Jagd anhaltend zu reduzieren, wie es nun manche Politiker fordern und Jäger vollmundig versprechen, wird aber nicht funktionieren.
Spätestens an dieser Stelle wird die Krankheit zum Politikum. Der Deutsche Jagdverband fordert zur ASP unter anderem, die Jagdverbote in Naturschutzgebieten aufzuheben. Dabei bilden die Reservate das Rückgrat des Naturschutzes in einer immer naturfeindlicheren Umgebung. Wenn die organisierte Jägerschaft die Wildschweinpopulation wirklich reduzieren will, sollte sie mit den naheliegenden Dingen beginnen und in den eigenen Reihen einen grundsätzlichen Verzicht auf Wildfütterungen durchsetzen. Hauptgrund für die großen Wildschweinbestände ist ohnehin das große ganzjährige Nahrungsangebot – Mais, Raps, Getreide – durch die Intensivlandwirtschaft.
Wie gefährlich ist das?
Nicht schnell behandelte Tollwut ist für Menschen tödlich. Beim früheren Haupt-Tollwutträger Fuchs ist Deutschland dank der langjährigen Impfkampagnen seit 2008 tollwutfrei. Doch auch Fledermäuse können Tollwut übertragen. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering, dennoch sollten Fledermäuse nie mit bloßen Händen angefasst werden.
Hantaviren kommen in Nagetieren wie Brandmaus und Rötelmaus vor. Die infizierten Tiere bleiben gesund und dienen dem Virus als Wirt. Die Nager scheiden die Erreger über Speichel, Urin und Kot aus. Der Mensch kann sich anstecken, wenn er die Viren einatmet, schwerwiegende Nierenerkrankungen können die Folge sein. In guten Mäusejahren kommt es vor allem im Süden Deutschlands zu Erkrankungen. 2012 hat der NABU daher in Baden-Württemberg sogar seine bei Kindern beliebte Nussjagd-Aktion pausieren lassen.
Zeckenstiche können zu Borreliose und zu Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) führen. Die Ansteckungsgefahr hat in den letzten Jahren zugenommen, da immer mehr Zecken die Erreger in sich tragen und das in immer mehr Regionen. Längst ist nicht nur mehr Süddeutschland betroffen. Die FSME kann im Gegensatz zur Borreliose nicht mit Antibiotika behandelt werden, allein die vorbeugende Impfung bietet einen wirksamen Schutz.
Der Fuchsbandwurm ist ein Parasit, der nicht nur den Fuchs befällt. Oft sind Hauskatzen, seltener Hund und Mensch betroffen. Der Entwicklungszyklus spielt sich hauptsächlich in einem Kreislauf unter Wildtieren ab. Der Fuchs trägt den geschlechtsreifen Wurm in sich und scheidet Bandwurmeier aus. Warnhinweise, Waldbeeren aus Bodennähe nicht ungewaschen zu verzehren, sind berechtigt. Das Ansteckungsrisiko ist aber äußerst gering.
Die Räude oder Scapies wird von Hautmilben verursacht. Sie ist besonders bei Hundeartigen wie Fuchs und Wolf verbreitet und führt bei vollem Krankheitsausbruch zum Tod. Der Mensch ist nicht betroffen, weil sich die Milben in seiner Haut nicht weiterentwickeln können.
ASP wird durch direkten Kontakt mit infizierten Tieren über Sekrete, Blut oder Sperma übertragen. Menschen können sich weder durch den Kontakt mit Tieren noch durch den Konsum von tierischen Produkten infizieren. Der Erreger ist für Menschen ungefährlich. Auch andere Tierarten können nicht erkranken oder Träger des Virus sein.
Für Schweine ist ASP eine schwerwiegende, meist tödliche Erkrankung. Die Verbreitung der Viren erfolgt mutmaßlich über Tiertransporte und die Verbreitung kontaminierter Gegenstände, Kleidung, Geräte und Fahrzeuge. ASP kann sich auch über eingeführte Lebensmittel wie Fleisch und Wurst verbreiten.
Die Rolle der Wildschweine
Beutegreifer wie der Wolf oder Aasfresser wie Rabenvögel spielen keine besondere Rolle bei der Ausbreitung des Erregers. Die Gefahr einer direkten und großflächigen Ausbreitung durch Wildschweine wird als eher gering eingestuft. Wildschweine sind standorttreu, ihr Aktionsradius beträgt in der Regel nur wenige Kilometer. Insbesondere erkrankte Tiere sind kaum noch mobil und versterben schnell. Der für die Übertragung von Tier zu Tier notwendige Kontakt ist somit kaum gegeben.
Gleichwohl bilden Wildschweinbestände, wenn der Virus einmal eingeschleppt wurde, ein dauerhaftes Erregerreservoir. Bei der Afrikanischen Schweinepest muss man sich auf ein langfristiges Problem einstellen. Sie ist eine sogenannte Habitatseuche, die nach Einschleppung in ein Gebiet nicht mehr kontrollierbar ist – auch weil es bisher keine Impfstoffe gibt. Der Fokus muss daher auf präventiven Maßnahmen liegen. Trotz steigender Abschusszahlen in den letzten Jahren und bereits bestehender Möglichkeiten ganzjähriger Bejagung ist nicht erkennbar, dass Jagd allein zur anhaltenden Bestandsreduzierung in der Fläche führen kann. Sie ist lediglich lokal und mit kurzfristiger Wirkung einsetzbar.
Erstmals West-Nil-Fieber
Während ASP noch vor den Grenzen steht, ist ein anderes Virus im Hitzesommer 2018 erstmals in Deutschland nachgewiesen worden. Es handelt sich um das von Mücken übertragene und ebenfalls ursprünglich aus Afrika stammende West-Nil-Virus (WNV).
WNV wird von blutsaugenden Stechmücken übertragen und zirkuliert in der Natur in einem Vogel-Stechmücken-Vogel-Kreislauf. Bei den meisten Vögeln bleibt die Infektion symptomlos. Eine Reihe von Arten ist jedoch sehr empfänglich für WNV, so dass es zu massiven Epidemien mit Todesfällen kommen kann. Vor allem Eulen und Greife sowie Rabenvögel sind häufige WNV-Opfer.
Genauso kam es nun bei uns. Der Erstnachweis im August betraf einen Bartkauz aus dem Zoo Halle/Saale, es folgten ein weiterer Bartkauz im Wildpark Poing (Kreis Ebersberg, Oberbayern), ein frei lebender Habicht aus Weißandt-Gölzau (Kreis Bitterfeld) und ein Volieren-Habicht in Bad Düben (Kreis Nordsachsen). Am Ende des Sommers lagen Nachweise aus praktisch allen östlichen Bundesländern vor.
Pferde und Menschen als Fehlwirte
Für Aufsehen sorgte schließlich eine tödliche West-Nil-Infektion bei einem Pferd in Brandenburg. Pferde können wie Menschen und Vögel durch virustragende Stechmücken infiziert werden. Das Pferd gilt dabei wie der Mensch aber als sogenannter Fehlwirt. Das Virus vermehrt sich also nicht in dem Maße, dass es zu einer Rückinfektion von Stechmücken ausreicht. Von infizierten Pferden geht daher keine Ansteckungsgefahr aus.
Ähnlich wie bei Menschen entwickelt die Mehrzahl der infizierten Pferde keine Symptome. Manche Tiere reagieren jedoch mit deutlichen Ausfallserscheinungen des zentralen Nervensystems. Das West-Nil-Virus verursacht dabei eine Meningitis oder Enzephalitis. Dabei sterben 22 bis 44 Prozent der klinisch erkrankten Pferde.
181 Tote in Südeuropa
Der Erreger ist in weiten Teilen Afrikas, Asiens und inzwischen auch Europas heimisch. In den 1990ern gelangte das West-Nil-Virus zudem in die USA, wo es sich rasch ausbreitete. Beim Menschen verläuft eine Infektion in den meisten Fällen ohne Symptome oder mit leichten Grippesymptomen. Ein schwerer Krankheitsverlauf bis hin zum Tod ist der Ausnahmefall. Kommt es jedoch wie im vergangenen Sommer in Südeuropa zu einer großen Zahl von Infektionen, häufen sich auch die Todesfälle. Laut European Centre for Disease Prevention and Control sind 2018 europaweit 181 vor allem ältere Menschen am West-Nil-Virus gestorben. Therapien oder Impfungen gibt es nicht.
Ob sich das Virus bei uns etabliert, lässt sich noch nicht sagen. Möglicherweise haben durch Warenverkehr eingeschleppte südeuropäische Stechmücken die Vögel infiziert. Es bleibt abzuwarten, ob das Virus hier dauerhaft Wirte und Überträgermücken findet und überlebt.
Amseln leiden unter Usutu
Diese Frage stellt sich beim Usutu-Virus nicht mehr. Es hat sich in den letzten Jahren etabliert und sich 2018 massiv weiter ausgebreitet. Das Usutu-Virus wurde das erste Mal 1959 aus Stechmücken isoliert, die im Ndumo-Nationalpark in Südafrika gefangen wurden. Wildvögel sind der natürliche Wirt für das Virus und Zugvögel können eine Schlüsselrolle bezüglich der Ausbreitung des Virus über große Distanzen hinweg spielen.
Außerhalb von Afrika trat Usutu erstmals 2001 in und um Wien auf. Im Sommer 2009 kam es in Italien erstmals zu Krankheitsfällen beim Menschen: Zwei immungeschwächte Patienten erkrankten an einer Hirnhautentzündung, die auf eine USUV-Infektion zurückzuführen war. Wie beim West-Nil-Virus sind Menschen und Pferde Fehlwirte dieser Erkrankung, wobei humane Infektionen äußerst selten auftreten.
Dachse im Visier
Andere Länder, andere Krankheiten: In Großbritannien ist das große Streitthema zwischen Naturschützern und Landwirten der Umgang mit dem Dachs. Dachse gehören nämlich zu den Überträgern von Rinder-Tuberkulose. Während Deutschland seit 20 Jahren tuberkulosefrei ist, kommt es auf der Insel immer noch zu tausenden TBC-Fällen mit entsprechend großen Schäden für die Landwirtschaft. In manchen Regionen Großbritanniens trägt jeder dritte Dachs das TBC-Virus, daher werden die Dachse gezielt dezimiert. Heftig gestritten wird um den Umfang und die Art des „Badger Culling“. 2018 wurden allein in England zusätzlich 32.000 Dachse getötet. Viele Mediziner bezweifeln, dass TBC so eingedämmt werden kann.
2010 identifizierte die Gruppe um Dr. Jonas Schmidt-Chanasit vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin das Virus auch in Stechmücken aus Weinheim im Oberrheintal. Im folgenden Frühsommer mehrten sich Meldungen über Funde toter Vögel und nahezu „amselfreie“ Gebiete in der nördlichen Oberrheinebene. Untersuchungen toter Vögel ergaben 86 Usutu-Nachweise, darunter 72 bei Amseln.
Bis Ende 2012 hatte sich die Epidemie in den wärmebegünstigten Regionen Deutschlands entlang des gesamten Rheintals sowie am Untermain und am unteren Neckar ausgebreitet. Durch das Virus verursachte Todesfälle unter Vögeln treten jeweils während der Mückensaison von Mai bis November auf.
2016 begann eine zweite große Usutu-Welle, bei der sich das Verbreitungsgebiet ausdehnte. Auch in den 2011/12 betroffenen Gebieten gab es tote Amseln, aber viel weniger als zuvor. 2017 folgte eine weitere Ausbreitung in Richtung Niederrhein, 2018 schließlich massiv nach Norden bis in den Raum Hamburg und nach Mecklenburg-Vorpommern. Wie üblich erkranken besonders viele Vögel in den Regionen, in denen das Virus erstmals auftritt.
Der NABU ruft jedes Jahr zur Meldung von Usutu-Verdachtsfällen auf. 2018 wurden 13.420 Verdachtsfälle mit 27.565 toten oder kranken Vögeln gemeldet. Das zeigt, wie massiv der Ausbruch war, obwohl es aufgrund der Trockenheit nur wenige Stechmücken gab. Entscheidender Faktor ist wohl die das Virus begünstigende Hitze. Zahlreiche Vögel wurden positiv getestet, neben Amseln in geringem Umfang auch Singdrosseln, Meisen oder Finken.
Aus den Abweichungen bei der Stunde der Wintervögel und der Stunde der Gartenvögel in den Befallsgebieten ergaben sich 2011/12 rund 300.000 tote Amseln. Der Ausbruch 2018 dürfte wesentlich mehr Opfer gekostet haben. Dennoch ist nach den bisherigen Erfahrungen eine allgemeine Gefährdung der Amsel nicht zu befürchten. Nach den Ausbrüchen steigt die Zahl langsam wieder an, stabilisiert sich möglicherweise auf einem etwas niedrigeren Niveau. Lokal kann es sein, dass Amseln aufgrund des Virus vorübergehend fast komplett verschwinden.
Keine Behandlungsmöglichkeit
Leider kann man Usutu-Infektionen weder verhindern noch behandeln. Wir können lediglich die einmalige Chance nutzen, die Auswirkungen einer für Deutschland neuen Vogelkrankheit auf wildlebende Vogelarten zu dokumentieren und deren Folgen abzuschätzen.
Mittlerweile kann das Virus auch bei strengen Wintern in Stechmücken überleben. Es ist zu erwarten, dass es in den betroffenen Gebieten zu zyklisch wiederholten Usutu-Ausbrüchen kommen wird, sobald eine Generation von Amseln mit erworbener Resistenz von der nächsten Amselgeneration abgelöst wird.
Globalisierung und Klimawandel
Die Beispiele ASP, West-Nil und Usutu zeigen, dass die Globalisierung auch vor Krankheiten nicht haltmacht. Weltweite Handelsbeziehungen mit immer schnellerem Warenaustausch spielen dabei ebenso eine Rolle wie der Klimawandel. Dabei sind die „neuen“ Krankheiten nur die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs. Selbst nach Abzug der ausschließlich im Tierreich grassierenden Krankheiten bleiben stolze 200 Krankheiten übrig, die sich von Tieren auf den Menschen und andersherum übertragen.
Aufgrund des Neuigkeitswertes bekommen Usutu und Co. besonders viel Aufmerksamkeit und als Naturfreunde und Naturschützer sollten wir uns mit ihnen beschäftigen. Wie bei Tollwut, Zeckenbissen, Räude oder Papageienkrankheit sollten wir Ursachen und Folgen kennen, wissen wie wir uns schützen können und was diese Krankheiten für unsere „Schützlinge“ bedeuten.
Tipp: Die NABU-Broschüre „Trotz Zecken, Wespen, Fuchsbandwurm – unbeschwert Natur genießen“ informiert unter anderem über Hantaviren, giftige Pflanzen und Schlangen. Kinderärztin Dr. Christiane Ott beantwortet zudem Eltern wichtige Fragen wie: Worauf muss ich bei meinen Kindern achten, wenn diese in der Natur spielen? Bezug für drei Euro plus Versandkosten unter www.NABU-BW-Shop.de.
„One Health“ ist ein neuer Ansatz zur Seuchenbekämpfung. Die menschliche Gesundheit wird nicht mehr isoliert betrachtet, sondern als Produkt der Wechselwirkungen zwischen Mensch, Tier und Umwelt. Mehr →
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Einzelne Krankheiten
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