Ebenfalls gefährdet: Junge Erdkröte im Gras - Foto: Helge May
Mähroboter im Garten
Tödliche Gefahr für Igel und Co.
Seitdem Gärten ihre Besitzer*innen nicht mehr ernähren müssen, hat der Rasen das Gemüsebeet als zentrales Element abgelöst. Rasen nimmt die größte Fläche ein, wird gehegt und gepflegt, gedüngt, gejätet und gemäht – Wildblumenwiesen sind in deutschen Gärten eher die Ausnahme. Während das Düngen und Jäten noch von Hand erledigt wird, hält man das Gras inzwischen oftmals mithilfe von Mährobotern kurz. Sie rumpeln selbstständig und vollautomatisch über den Rasen und schneiden alles kurz und klein – nicht nur die Grashalme, sondern häufig auch Wildtiere, die dort nach Futter suchen und nicht schnell genug flüchten können.
Mähroboter sind fahrende Computer mit angeschlossenem Mähwerk, die autonom und kontinuierlich eine vorgegebene Fläche mähen. Diese wird durch einen Draht eingegrenzt, an dem sich die Geräte orientieren. Ihre Wege innerhalb der Fläche suchen sie sich selbst, Hindernisse erkennen sie mithilfe eingebauter Sensoren. Auch ihre Akkus laden Mähroboter ohne menschliches Zutun, sodass, sind die gewünschten Mähzeiten erst einmal programmiert, die Besitzer*innen nicht weiter eingreifen müssen. Zumindest werben die Hersteller mit diesem Argument.
Schnittwunden und amputierte Gliedmaßen
Doch ganz so leicht ist es nicht, wie die Stiftung Warentest feststellen musste. „Einfach in den Garten setzen und loslegen lassen – das funktioniert nicht“, heißt es in der April-Ausgabe 2022 der Zeitschrift „Test“. Die Warentester*innen haben im vergangenen Jahr acht Mähroboter unter die Lupe genommen. Nicht nur, dass viele Modelle Steigungen und feuchten Rasen mehr schlecht als recht meisterten. Auch fielen fast alle durch die Sicherheitsprüfung. Nur ein Einziger erkannte den im Gras liegenden Kinder-Prüfarm als Hindernis und drehte ab. Alle anderen verletzten den Arm.
Die rotierenden Klingen der Mähroboter können auch Wildtiere wie Igel, Kröten, Eidechsen und Schleichen, Grashüpfer oder Spinnen, die im Garten nach Fressbarem suchen, verletzen oder gar töten. Insbesondere für Igel, die bei Gefahr nicht flüchten, sondern sich im Vertrauen auf ihre Stacheln zusammenrollen, geht eine Begegnung oftmals tödlich aus. Das zeigt auch eine Studie der Universität Aalborg in Dänemark, die 18 Mähroboter anhand von Kadavern kurz zuvor gestorbener Igel getestet hat. Keines der Geräte erkannte die im Gras liegenden Igel vor dem Aufprall als Hindernis; manche fuhren sogar über sie hinweg und fügten ihnen Verletzungen unterschiedlicher Schwere zu – darunter Schnittwunden, amputierte Gliedmaßen und aufgeschlitzte Bäuche. Wie sich herausstellte, verletzen Mäher mit feststehenden großen Messern die Tiere weit schwerer als solche mit kleinen Fliehkraftmessern, die beweglich auf einem rotierenden Messerteller montiert sind.
Verwilderte Ecken als Igel-Unterschlupf
Im Interview mit der Stiftung Warentest empfiehlt Sophie Lund Rasmussen, Leitautorin der Studie, Mähroboter so zu programmieren, dass sie nur tagsüber laufen. Igel seien Nachttiere, die fast ausnahmslos erst mit einsetzender Dämmerung auf Futtersuche gingen, erläutert sie. Die Stiftung rät zudem, Mähroboter aus einem Teil des Gartens auszusperren und dort das Gras hochwachsen zu lassen. In solchen verwilderten Ecken, idealerweise angereichert mit Totholz und Reisighaufen, fänden Igel und andere nachtaktive Wildtiere tagsüber Unterschlupf.
Das würde auch dem Erhalt der Artenvielfalt dienen, die auch hierzulande in besorgniserregendem Tempo schwindet. Die Biomasse der Insekten in Deutschland sei innerhalb von 30 Jahren um drei Viertel geschrumpft, berichtet Matthias Glaubrecht, Professor für Biodiversität der Tiere an der Universität Hamburg. Zugleich seien die Brutvogelbestände um bis zu 50 Prozent eingebrochen: „Für viele Vögel sind Insekten die Nahrungsgrundlage“, erläutert er. „Sie finden einfach nicht mehr genug zu fressen.“
Baustein zum Erhalt der Artenvielfalt
Mähroboter und andere Mähgeräte sind Teil dieses Problems. Werden sie regelmäßig eingesetzt, wird dazu noch gedüngt oder gemulcht, verdrängen dominante Gräser nach und nach die Blühpflanzen, und es entsteht eine grüne Monokultur, in der es für Insekten keinerlei Nahrung mehr gibt. Gärten mit solchen Rasenflächen imitieren im Kleinen, was die industrielle Landwirtschaft mit ihren Monokulturen im Großen vorgibt. „Auf einem sterilen Rasen werden Vögel und Igel nicht satt“, stellt Glaubrecht klar. Für den Evolutionsbiologen repräsentieren Mähroboter den allgemeinen Trend zur Vereinheitlichung von Gärten. „Sie sind heutzutage oftmals nicht mehr als von Drahtzäunen oder Gabionen umgebene Rasenflächen mit Randbewuchs aus Standardpflanzen wie Buchsbaum und Rhododendron“, führt er aus.
Andererseits sind Gärten ein wichtiger Baustein zum Erhalt der Artenvielfalt: „Für wildlebende Tiere im Siedlungsraum stellen sie einen der wenigen Rückzugsorte dar“, erläutert der Wissenschaftler. Er rät, der Natur im Garten mehr Freiraum zu verschaffen. Also nicht die Blühmischung aus dem Baumarkt auszusähen, sondern wachsen zu lassen, was da wächst. „Nach ein paar Jahren kommen die Pflanzen durch, die dort hingehören“, sagt Glaubrecht. Unterwuchs und Dickicht unter Hecken und Sträuchern solle man als Schutzraum für Wildtiere belassen. Wer dazu noch Klee, Löwenzahn und Gänseblümchen im Rasen als Lockmittel für Bienen, Hummeln und Schmetterlinge toleriere, könne auf einen Mähroboter getrost verzichten.
Hartmut Netz (Naturschutz heute, 1/23)
Mähroboter schaden der Artenvielfalt, fördern einen hohen Wasserverbrauch und entziehen den Wildtieren ihre Nahrungsgrundlage. Der Einsatz von Mährobotern im privaten Garten und auf öffentlichen Grünflächen sollte daher immer kritisch hinterfragt werden Mehr →
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