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Jetzt NABU-Mitglied werden!NABU-Bewertung des Koalitionsvertrags
Was SPD und CDU/CSU für Natur, Klima und Umwelt schreiben





Foto: NABU/CEWE/Kevin Hanselka
Die neue Bundesregierung aus SPD und CDU/CSU hat Anfang April 2025 ihren Koalitionsvertrag vorgestellt. Auf rund 140 Seiten skizziert die neue Koalition ihre Ideen, Vorschläge, Aufgaben und Arbeitsschwerpunkte. Doch was steckt konkret drin für Natur, Umwelt und Klima? Der NABU hat sich eingehend mit den vielen Kapiteln befasst.
„Wir erwarten von der neuen Bundesregierung, dass sie auf Dialog, Beteiligung und Kooperation setzt – im Sinne von Natur, Gesellschaft und einer zukunftsfähigen Wirtschaft“, bilanziert NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Zur Wahl des neuen Bundeskanzler Friedrich Merz ergänzt er außerdem eine Forderung in Richtung neuer Bundesregierung: „Die von Bundeskanzler Merz geführte Bundesregierung muss dem Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen den notwendigen Stellenwert einräumen. Dafür muss sie wirksame Rahmenbedingungen für Wirtschaft und Gesellschaft entwickeln und eine zielorientierte Finanzierung sicherstellen.“
Schon in einem ersten 100-Tage-Programm erwartet der NABU deswegen wichtige Signale für den Natur- und Klimaschutz.
Die wichtigsten Punkte im Koalitionsvertrag
Natur- und Artenschutz
Wie will die neue Bundesregierung Natur schützen und wiederherstellen? Dabei kommt es konkret auf die finanzielle Absicherung von Projekten und Programmen an, aber auch auf verbindliche Aussagen und Schutzziele.
Positiv
Für die Finanzierung von Naturschutz und natürlichem Klimaschutz wird weiterhin Geld eingeplant. Unter anderem soll das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) fortgeführt werden. Zudem ist ein Sonderrahmenplan Naturschutz und Klimaanpassung vorgesehen. Dieses wichtige Instrument muss aber schnell etabliert und mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet werden.
Neutral
Unklar bleibt die Umsetzung der Nationalen Biodiversitätsstrategie sowie der EU-Wiederherstellungsverordnung.
Kritisch
Der Koalitionsvertrag hat keine Antwort für das Thema Flächenkonkurrenz. Natur- und Artenschutz drohen unter die Räder zu geraten, wenn Schutzziele unverbindlich bleiben. Bei Eingriffen in die Natur sollen Ausgleichspflichten reduziert werden. Der Schutz für den Wolf soll abgeschwächt werden, während zusätzliche Mittel, beispielsweise für den besseren Schutz von Weidetieren fehlen.
Planungsbeschleunigung
Planungsrecht vereinfachen und Planungen beschleunigen: Darunter kann viel verstanden werden, von einer besseren Umsetzung von Naturschutz und Beteiligungsverfahren bis hin zu gefährlichem Abbau von Vorgaben zur Berücksichtigung von Natur-, Umwelt- und Artenschutz.
Positiv
Der Ausbau von öffentlichen Planungskapazitäten, Digitalisierung und eine landesweite Vereinheitlichung von Planungsunterlagen sind sinnvolle Beschleunigungsmaßnahmen.
Neutral
Verschiedene Anpassungen im Planungsrecht – zum Beispiel die Verankerung des Vorrangs öffentlicher Belange – sollen die Planung bestimmter Infrastrukturvorhaben beschleunigen. Es besteht die Gefahr, dass der Vorrang von Infrastrukturvorhaben auf Kosten von Natur und Umwelt erfolgt.
Kritisch
Das Verbandsklagerecht soll eingeschränkt, sowie Beteiligungsverfahren und Prüfungen reduziert werden. Das bedeutet: Weniger Mitsprache von Bürger*innen und Verbänden und damit zusätzliche Gefahren für Natur und Umwelt.
Landnutzung
Ökolandbau, Viehhaltung, Forstwirtschaft, Wasserhaushalt, Bodenschutz: Ein Großteil von Natur- und Umweltschutz spielt sich auf land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen ab. Deswegen ist es entscheidend, welche Haltung die Bundesregierung bei der Landnutzungspolitik einnimmt.
Positiv
Die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft soll gestärkt werden durch Ökolandbau, Weidetierhaltung und den Rückhalt von Wasser in der Landschaft. Zudem sollen Agraranträge vereinfacht und digitalisiert werden, um Verfahren effizienter zu gestalten.
Neutral
Die Erhöhung der Mittel zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes kann positiv sein, wenn das Geld auch dem Naturschutz und der natürlichen Klimaanpassung zu Gute kommt.
Kritisch
Der Abbau von Umweltvorgaben im Düngerecht und Pflanzenschutz gefährdet EU-Konformität und Umweltstandards. Das EU-Bodenschutzgesetz wird abgelehnt, während eine nationale Lösung weiter fehlt. In der Waldpolitik fehlt ein klarer rechtlicher Rahmen für den Schutz von Wäldern vor den Folgen der Klimakrise.
Meeresschutz
Biodiversität erhalten, gleichzeitig Schiffsverkehr, Energieerzeugung ermöglichen, Müll vermeiden - darauf kommt es bei dem Schutz von Nord- und Ostsee an.
Positiv
Die Bundesregierung setzt im Meeresschutz auf Biodiversität, Müllvermeidung und Altlastenbeseitigung. Finanzmittel aus dem Wind-auf-See-Gesetz sollen gesichert werden. Der Tiefseebergbau wird pausiert. Die Fischerei soll nachhaltiger werden – gemäß EU-Zielen.
Neutral
Mit den Nordsee-Anrainern ist beim Ausbau von Windenergie auf dem Meer eine verbesserte Abstimmung geplant.
Kritisch
Es braucht eine Fortschreibung der marinen Raumordnung mit Ökosystemansatz unter Anwendung der Landschaftsplanung für die Meere, was im Koalitionsvertrag fehlt.
Klima und Energie
Die Klimaziele müssen eingehalten werden, dazu hat sich Deutschland verpflichtet. Ob das gelingt, hängt auch von der Energiewende ab. Doch bei der konkreten Umsetzung offenbaren CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag Lücken.
Positiv
Die Stromsteuersenkung fördert die Akzeptanz der Energiewende. Erneuerbare Energien sollen flächenschonend ausgebaut werden. Die Belange von Natur- und Artenschutz sollen beim Ausbau der Windenergie frühzeitig einbezogen werden.
Neutral
Die Koalition bekennt sich zu Klimaneutralität bis 2045 und unterstützt das EU-Ziel 2040, öffnet jedoch die Tür für fragwürdige Auslandskompensation. Die Ausbauziele für die Windenergie an Land bis 2032 werden hinterfragt, was zu Unsicherheiten in den Planungsbehörden führen kann.
Kritisch
Der Ausbau erneuerbarer Energien wird zwar unterstützt, doch fehlt es an verbindlichen Maßnahmen wie der Solardachpflicht. Die Weiterentwicklung ökologischer Mindestkriterien für eine naturverträgliche Ausgestaltung ist nicht vorgesehen.
Verkehr
Wie geht's weiter mit Bus, Bahn oder Auto? In welches Verkehrsmittel und welche Antriebsart wird die Bundesregierung wieviel Geld stecken? Davon hängt die Verkehrswende ab – und damit auch ein großer Teil der CO2-Emissionen in Deutschland.
Positiv
Die Stärkung des Umweltverbunds, etwa durch Investitionen in Bahninfrastruktur, beschleunigte Elektrifizierung oder Anschlusslösung für das Deutschlandticket. Anreize zum Umstieg auf Elektroantriebe werden geschaffen, zum Beispiel durch den Ausbau der Ladeinfrastruktur.
Neutral
Rad- und Fußverkehr werden zwar explizit erwähnt, ebenso wie die Vision Zero, aber es werden keine konkreten Maßnahmen benannt.
Kritisch
Kein klares Bekenntnis zum Verbrenner-Aus sowie eine drohende Aufweichung der CO2-Reduktionsziele für schwere Nutzfahrzeuge & Trailer, was höchstwahrscheinlich zur frühzeitigen Aufweichung der Lkw-Flottengrenzwerte führt. Durch Technologieoffenheit fördert die Koalition hier auch klimaschädliche Antriebe. Auch der Bundesverkehrswegeplan wird nicht an die Mobilität der Zukunft angepasst.
Bauen und Wohnen
Die künftige Bundesregierung will neuen Wohnraum schaffen, den Wohnungsbau beschleunigen. Doch was verstehen die Regierungsparteien beispielsweise unter einem "Bauturbo"?
Positiv
Die Stärkung des kommunalen Vorkaufsrechts ist begrüßenswert, da sie Spekulation einzudämmen und kommunalen Wohnungsbau fördern kann.
Neutral
Die Möglichkeit der Eindämmung steigender Mieten für Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt soll für weitere fünf Jahre verlängert werden. Da die Ausweisung dieser Gebiete mit zu niedrigen Hürden verbunden ist und so auch Gebiete ohne angespannten Wohnungsmarkt davon profitieren könnten, könnte das allerdings den Druck auf die Fläche erhöhen.
Negativ
Die Einführung des Bauturbo führt zum pauschalen Vorrang von Neubau statt Abwägung zwischen verschiedenen Nutzungsinteressen. Dadurch wird der Flächenverbrauch gesteigert, Klimaanpassung untergraben, Stadtgrün vermindert – mit negativen Folgen für Natur und Umwelt. Die Gründe des schleppenden Wohnungsbaus (Spekulation, Fachkräftemangel, gestiegene Rohstoffpreise, Bürokratie vor allem beim Bauen im Bestand) werden nicht adressiert.
Wirtschaft und Industrie
Der Wirtschaft steht eine große Transformation vor, in Richtung einer Kreislaufwirtschaft, angetrieben von Erneuerbaren Energien. Was hat die Bundesregierung sich in Sachen Industrie und Klimaschutz vorgenommen?
Positiv
Die neue Koalition setzt Ziele zur Reduktion des Primärrohstoffverbrauchs und will die Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) umsetzen. Zudem soll es eine Förderung für Rezyklate, Abfallvermeidung und Shared Economy geben, ebenso wie eine Weiterführung der Klimaschutzverträge und aktive Unterstützung der Transformation der Wirtschaft.
Kritisch
Kritisch zu bewerten ist die Technologieoffenheit bei Kraftwerken, Fahrzeugen und Wasserstoffnutzung, die den Klimaschutz schwächen und die Transformation insgesamt verlangsamen können. Außerdem gibt es eine einseitige Betonung des chemischen Kunststoffrecyclings, ohne Unterstützung des ökologisch vorteilhafteren mechanischen Recyclings. Rohstoffförderung & -fonds fokussieren zu stark auf Gewinnung von Primärrohstoffen statt auf den Aufbau einer Recyclinginfrastruktur.
Demokratie und Ehrenamt
Demokratie lebt von Engagement und Beteiligung. Das gilt es zu schützen und zu stärken. Denn die vielen Millionen Arbeitsstunden, die auch beim NABU ehrenamtlich geleistet werden, sind von unschätzbarem Wert. Auch zum Ehrenamt nimmt die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag Stellung.
Positiv
Der Kinder- und Jugendplan soll ausgebaut und die Finanzierung gesichert werden, ebenso wie der Ausbau und die Finanzierung der Freiwilligendienste. Zudem sind massive Investitionen in Bildung und Beteiligungsformate geplant.
Neutral
Zur Rechtssicherheit für das Ehrenamt werden Verbesserungen des Datenschutz-, Gemeinnützigkeits-, Vereins- und Zuwendungsrechts und des Haftungsprivilegs in Aussicht gestellt, jedoch ohne konkrete Ausführungen.
Kritisch
Kritisch zu bewerten ist die geplante Abschwächung des Verbandsklagerechts. Zudem werden Beteiligungsformate für junge Menschen und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) nur sehr schwach berücksichtigt.
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