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Der mühsame Weg zum Atommüll-Endlager
Wenn Ende 2022 das letzte Atomkraftwerk vom Netz geht, heißt das noch längst nicht, dass damit der Atomausstieg geschafft ist. Der Berg hochradioaktiven Mülls wird bis dahin auf fast 30.000 Kubikmeter angewachsen sein. Und mit dem Abriss ausgedienter Atommeiler weiter wachsen. Wohin dann damit? Die Frage, wo das strahlende Erbe der Atomkraft endgelagert werden soll, ist knapp 60 Jahre nach Inbetriebnahme des ersten Atommeilers in Deutschland noch immer ungelöst. Die Standortsuche hat gerade erst begonnen – und damit auch der schwierigste Abschnitt das Atomausstiegs.
Im Jahre 2013 wurde die Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Müll wieder ganz auf Anfang gestellt. Das damals verabschiedete Standortauswahlgesetz, das ein transparentes und wissenschaftsbasiertes Auswahlverfahren vorschreibt, ist die Lehre aus 30 Jahren Kampf um das Endlager Gorleben. Die Entscheidung für den Salzstock im östlichsten Zipfel der damaligen Bundesrepublik war 1977 gefallen, in den darauffolgenden Jahrzehnten jedoch am anhaltenden Widerstand der Bevölkerung zerbröselt. Das sollte nicht noch einmal passieren. Mit dem neuen Gesetz gilt nun das „Prinzip der weißen Landkarte“ – keine Region Deutschlands wird als möglicher Endlagerstandort ausgenommen.
Endlagerung in Salz, Ton oder Granit
Das Entsorgungskonzept der Bundesregierung sieht vor, Atommüll jeglicher Art in tiefen geologischen Formationen endzulagern. Als Wirtsgestein kommen nur Salz-, Ton- und Granitformationen in Mindesttiefen von 300 Metern infrage, die eine Mächtigkeit von 100 Metern oder mehr aufweisen. Jede Gesteinsformation hat ihre Vor- und Nachteile: Für Salzgestein spricht, dass es gasdicht ist und Wärme, die beim radioaktiven Zerfall des Mülls frei wird, schnell ableitet. Allerdings ist es auch wasserlöslich, eindringendes Wasser könnte also die Abschirmung außer Gefecht setzen. Im Gegensatz zu Salz ist Ton wasserfest, darf jedoch, da es ein schlechter Wärmeleiter ist, nicht heißer als 100 Grad werden. Granit wiederum ist hitzebeständig und äußerst fest, die in Deutschland vorkommenden Formationen dieses Gesteins sind jedoch zumeist stark zerklüftet.
Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe hat im Jahre 2008 mögliche Standortregionen benannt: Für Salz liegen sie vor allem in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, für Ton insbesondere in Brandenburg, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern und für Granit hauptsächlich in Bayern und Sachsen. Bis 2031 soll ein Standort gefunden sein. Bis das Endlager gebaut ist, das den Atommüll für eine Million Jahre sicher umschließen soll, werden weitere 20 Jahre ins Land gehen, schätzt Ben Wealer, Wirtschaftswissenschaftler an der Technischen Universität Berlin und Mitautor des „World Nuclear Waste Reports – Focus Europe“. Das 150-Seiten-Werk gibt einen Überblick über die technischen, logistischen und finanziellen Risiken, die mit den Hinterlassenschaften der Kernkraft verbunden sind. „Mit der Einlagerung hochradioaktiver Abfälle kann frühestens in den 2050er-Jahren begonnen werden“, sagt Wealer.
19.000 Fässer hochradioaktiver Müll
Bis dahin wird Deutschlands Atommüll in Zwischenlagern gebunkert. Bundesweit gibt es 16 Zwischenlager, zwölf davon an den Standorten stillgelegter oder noch aktiver Atommeiler. 90 Prozent der dort gelagerten Abfälle gelten als nur schwach- bis mittelradioaktiv verstrahlt. Sie warten auf den Abtransport in die niedersächsische Stadt Salzgitter, wo sie im ehemaligen Eisenerzbergwerk Schacht Konrad endgelagert werden sollen. Der Umbau des Bergwerks zum Endlager für schwach- bis mittelradioaktive Abfälle ist bereits in vollem Gange, die Inbetriebnahme für 2027 angepeilt.
Bleiben 19.000 Fässer mit hochradioaktivem Müll, die dann immer noch ihrer Endlagerung harren. Bis dahin kann es allerdings dauern: Dem Bericht der Endlagerkommission zufolge, einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die ihre Ergebnisse im April 2015 veröffentlichte, wird sich die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle bis weit ins 22. Jahrhundert ziehen. Das Problem dabei: Die Genehmigungen der Zwischenlager sind auf 40 Jahre befristet; die ersten drei für Gorleben, Ahaus und Lubmin laufen bereits in den 2030er-Jahren ab.
Heiße Liste mit Standort-Favoriten
Dann gebe es zwei Optionen, erläutert Ben Wealer. „Entweder man verlängert die Genehmigungen oder man baut ein neues, zentrales Zwischenlager für den gesamten hochradioaktiven Müll.“ Das sei jedoch mit hohen Zusatzkosten verbunden, die bislang in den Kostenschätzungen für die Endlagerung nicht berücksichtigt seien. Diese Kosten beziffert der Bericht der Endlagerkommission auf 50 bis 70 Milliarden Euro. Zur Deckung haben die Energiekonzerne dem Staat im Jahre 2017 insgesamt 23 Milliarden Euro überwiesen – und sind damit die Verantwortung für die Endlagerung offiziell los. Das Geld werde hinten und vorne nicht reichen, kritisiert Wealer: „Die gesamte Zwischenlagerproblematik ist noch nicht eingepreist.“
Doch bis eine künftige Regierung sich diesem Problem stellen muss, werden noch viele Jahre vergehen. Als nächstes steht jetzt der Bericht der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) an, die mit der Standortsuche beauftragt ist. Im Herbst will die BGE bekannt geben, welche Regionen auf der Favoritenliste möglicher Standorte stehen und weiter untersucht werden. Es könnte ein heißer Herbst werden.
Hartmut Netz (Naturschutz heute 2020)
Zum Download
Eigentlich sollten bis Ende 2022 alle Atomkraftwerke in Deutschland stillgelegt werden, doch erst im April 2023 gehen die letzten Kraftwerke wirklich vom Netz. Was der Streckbetrieb bedeutet, welche Risiken bleiben und wie der NABU dazu steht: das FAQ zum Thema. Mehr →