Am Unteren Niederrhein ist ein wichtiges Brutgebiet für den stark gefährdeten Kiebitz – doch auch hier lauern viele Gefahren. Bitte helfen Sie dabei, die Kinderstuben des kleinen Vogels zu schützen!
Jetzt spenden!Rote Liste der Vogelarten in Europa
Akuter Handlungsbedarf im Naturschutz
Im Oktober 2021 hat die Naturschutzorganisation BirdLife International, der Dachverband des NABU, die aktuelle Europäische Rote Liste der Vögel veröffentlicht. Demnach weisen 30 Prozent der 544 ausgewerteten Vogelarten einen negativen Bestandstrend auf. 2015 waren es noch 27,6 Prozent. Obwohl viele Arten mehrheitlich in eine niedrigere Gefährdungsklasse herabgestuft werden, steigt die Gesamtzahl bedrohter Vogelarten insgesamt an: Mit 110 Arten hat sich ihre Zahl auf über 20 Prozent erhöht. Die meisten Rückgänge sind bei weit verbreiteten Singvögeln wie Lerchen, Würgern und Ammern zu beobachten. Sie verlieren ihre offenen Lebensräume, da immer mehr kleinteilige Landschaften verschwinden. Hinzu kommt der verstärkte Einsatz von Agrarchemikalien.
Von den gut 300 Arten, die in Deutschland leben, haben die Feuchtwiesenvögel Bekassine und Rotschenkel die Vorwarnliste übersprungen und gelten nun europaweit als gefährdet. Auch Saatkrähe, Mauersegler und Wachtel ziehen erstmalig auf europäischer Ebene in die Rote Liste. Der Waldrapp gilt nun als eine von fünf in Europa ausgestorbenen Vogelarten. Und es gibt weitere Sorgengruppen:
Wasser- und Watvögel:
Mit insgesamt 40 Prozent gefährdeter Arten ist diese Gruppe die am stärksten betroffene in der Europäischen Roten Liste. Während bei vielen Wiesenvögeln wie Uferschnepfe, Kiebitz und Brachvogel die aktuelle Landwirtschaftspraxis eine Verbesserung der Bestandssituation verhindert, werden viele Entenarten Ost- und Nordeuropas, wie Spießente oder Tafelente, durch unkontrollierte Jagd und Zerstörung von Feuchtgebieten gefährdet. Besonders arktischen Watvögeln bereitet ihre nordische Verbreitung Probleme. Ihre Aussichten, sich bis 2050 dem Klima anpassen zu können, sehen schlecht aus – die Klimakrise könnte also zu schrumpfenden Lebensräumen führen.
Langstreckenzieher:
Von den 121 Zugvögeln, deren Flugroute bis südlich der Sahara führt, zeigen 33 Prozent eine rückläufige Tendenz. Bei nichtziehenden Vögeln sind nur etwa 20 Prozent von einem Rückgang betroffen. Bei den etwa 70 Arten, die überwiegend oder ausschließlich als Rastvögel aus dem Norden und Osten zu uns kommen, gibt es ebenfalls Hinweise auf mögliche klimatische Effekte: Die Anzahl der abnehmenden Arten ist doppelt so hoch, wie die der zunehmenden.
Seevögel:
Auch 30 Prozent der Seevogelarten wurden in der Roten Liste aufgenommen. In der Meeresumwelt leiden Vögel wie Eiderente und Samtente unter Beifang aufgrund von Fischerei und Jagd sowie invasiven gebietsfremden Arten, Störungen und Wasserverschmutzung von Land und von See. Fischfressende Meeresvögel wie Sturmtaucher, Dreizehenmöwe und Papageitaucher geraten zunehmend weiter in Bedrängnis, weil die Beutefischbestände schrumpfen oder abwandern.
Positiv hingegen: Eisvogel, Rotmilan oder Tordalk stehen nicht mehr auf der Roten Liste. Durch Wiederansiedlungsprojekte wurde auch der Bartgeier auf die Vorwarnstufe herabgestuft. Zwar haben auch andere Greifvogelarten von gezielten Naturschutzaktivitäten profitiert, jedoch ist der Bestand der auf Beutetiere im Offenland angewiesenen Arten weiterhin rückläufig.
Die Rote Liste macht deutlich: Noch immer ist die Vielfalt der europäischen Vogelwelt bedroht durch intensivierte Landwirtschaft, zunehmende Flächenversiegelung, Übernutzung der Meere, nicht nachhaltige Praktiken in der Forstwirtschaft, Umweltverschmutzung, Raubbau und das illegale Töten bestimmter Arten. Die internationalen Konventionen und die EU-Naturschutzrichtlinien bieten eine starke Gesetzgebung. Häufig fehlen jedoch notwendige Naturschutzmaßnahmen oder sie erfolgen nicht im erforderlichen Maßstab, um die wichtigsten Bedrohungen für Vogelarten zu bekämpfen.
Bei allen aktuellen Problemen erweist sich der Klimawandel jedoch als eine der Hauptbedrohungen für die Zukunft unserer Vogelwelt: Der Bericht zur Roten Liste legt nahe, dass der Klimawandel das Verbreitungsgebiet für bestimmte Arten bereits maßgeblich verlagert oder verlagern wird. Für manche Arten könnte die Klimakrise auch das Aussterberisiko erheblich erhöhen. Der NABU fordert daher, dieser Entwicklung auf nationaler, europäischer und globaler Ebene entschieden entgegenzuwirken.
Hintergrund: Europäische Rote Liste der Vögel
Nach der letzten Veröffentlichung im Jahr 2015 wird die Europäische Rote Liste der Vögel nun zum vierten Mal veröffentlicht. Dafür wurden Daten aus 54 Ländern und Regionen von Tausenden Expertinnen und Experten sowie Freiwilligen ausgewertet. Für die Beurteilung des Aussterberisikos aller europäischen Vogelarten nach den weltweit anerkannten Richtlinien der IUCN standen die jüngsten Berichte aller EU-Mitgliedsstaaten zur Umsetzung der EU-Vogelschutzrichtlinie und vergleichbare Daten aus den anderen europäischen Ländern zur Verfügung. Der Bericht wurde im Auftrag der EU-Kommission erstellt. Download: „European Red List of Birds“ (PDF)
Rückgang und Erläuterungen zu einigen Beispielarten
Rotschenkel
Diese einst häufige Art der Salz- und Feuchtwiesen unterliegt einem Gesamtrückgang von 30 Prozent, vor allem durch abnehmende Bestandszahlen in den drei Hauptvorkommensländern Island, Russland und Belarus. Wie bei der ebenfalls hochgestuften Bekassine ist die Abhängigkeit des Rotschenkels von nassem Grasland sein Verhängnis. Der Verlust und die Zerstörung dieses Lebensraums, inzwischen auch in Osteuropa, treibt den rückläufigen Trend wahrscheinlich weiter an.
Saatkrähe
Etwa die Hälfte des europäischen Bestands ist rückläufig. Dies betrifft Länder wie Polen, Frankreich und die Niederlande. Einige Länder haben ausdrücklich von der Verkleinerung der Kolonien berichtetet, einschließlich des europäischen Teils Russlands, in dem fast ein Drittel aller Saatkrähen lebt. Gründe sind wahrscheinlich die Verfolgung und Zerstörung von Nistplätzen, denn die Vogelschutzrichtlinie gilt nur in EU-Staaten, und auch hier werden Jagdausnahmen erteilt.
Schwarzhalstaucher
Über die Hauptgründe für den Rückgang des Schwarzhalstauchers ist wenig bekannt, mehrere Faktoren sind plausibel: die Wasserverschmutzung durch landwirtschaftliche Aktivitäten und aus Städten, Niederschlagsrückgang aufgrund des Klimawandels, der Bau von Hochwasserschutzinfrastruktur und Störungen durch Freizeitaktivitäten. Insgesamt wurde ein Rückgang um 35 Prozent ermittelt, vor allem in Osteuropa.
Wachtel
Der Bestand der Wachtel ist um mindestens 25 Prozent gesunken, vor allem in zwei wichtigen Ländern, Spanien und Russland. Als Hauptgründe für den Rückgang werden der Verlust von Magerrasen und Brachland durch landwirtschaftliche Intensivierung genannt. Dadurch hat sich die Verfügbarkeit von Wildpflanzen-, Samen- und Insektennahrung verringert. Auch die Jagd im Mittelmeerraum spielt eine bedeutende Rolle.
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