Schmetterling, Käfer und Wildbiene haben eine unersetzliche Rolle in unserer Natur. Doch ihre Zahl geht immer mehr zurück. Helfen Sie mit einer Patenschaft, gegen das Insektensterben!
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Jeder Haushalt ist auch Lebensraum für zahlreiche Gliederfüßer
Niemand lebt allein. In Mauerritzen, hinter Fußleisten und sogar in Matratzen beherbergt jeder Haushalt ein heimliches Ökosystem, das aus bis zu 100 verschiedenen Arten von Gliederfüßern bestehen kann. Zu ihnen zählen Krebstiere wie Kellerasseln, Spinnenartige wie Spinnen und Milben sowie Insekten wie Motten, Speckkäfer oder Stubenfliegen.
Insekten, die arten- und zahlenmäßig größte Gruppe im Tierreich überhaupt, dominieren auch das Ökosystem Haushalt. Manche von ihnen wohnen dauerhaft zur Untermiete. Das sind meist Arten, die zum Überleben auf konstante Temperaturen angewiesen sind, wie beispielsweise das Silberfischchen. Andere, wie der Marienkäfer, kommen nur zum Überwintern in die Wohnung. Zudem gibt es Insekten, die auf der Suche nach Nahrung oder zur Eiablage gezielt menschliche Behausungen aufsuchen. Am auffälligsten verhalten sich jedoch Zufallsgäste, die sich verirrt haben und nicht mehr nach draußen finden. Sie sollten zügig ins Freie zurückgesetzt werden.
Ur-Insekten in Bad und Küche
Silberfischchen, die sich tagsüber versteckt halten, bemerkt man meist nur, wenn man nachts im Bad das Licht anmacht. Dann verschwinden die silbrig glänzenden, etwa zehn Millimeter langen Tierchen blitzschnell in ihren Verstecken. „Silberfischchen halten sich bevorzugt in Nassräumen auf“, erläutert Reiner Pospischil, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Entomologie und Acarologie. „Sie brauchen ein feuchtwarmes Lebensumfeld.“ Die Nahrung dieser Ur-Insekten, die vermutlich schon seit 300 Millionen Jahren existieren, besteht aus Zucker und Schimmel, aus menschlichen Haaren und Hautschuppen sowie aus stärkehaltigen Stoffen, etwa Tapetenkleister.
Vereinzelt in Bad, Küche oder Waschkeller vorkommende Silberfischchen seien harmlos, führt Pospischil aus. Eine Massenvermehrung sei dagegen häufig Warnsignal für zu hohe Luftfeuchtigkeit mit Schimmelbefall. „Zudem fressen Silberfischchen Hausstaubmilben“, sagt der Biologe. Das nützt dem Menschen, denn Milbenkot kann Allergien auslösen. Und unterscheidet die Tierchen von ihren Verwandten, den Papierfischchen, die sich von Papier und Karton ernähren. Sie sind in Deutschland auf dem Vormarsch.
Wo sich Silberfischchen wohlfühlen, finden auch Bücherläuse ideale Lebensbedingungen vor. Auch sie benötigen eine feuchtwarme Umgebung und weisen bei vermehrtem Vorkommen auf Schimmel in der Wohnung hin. Die flügellosen Insekten, die zu den Staubläusen zählen, werden maximal zwei Millimeter groß, sind mit bloßem Auge also kaum wahrnehmbar. Sie besiedeln Bad, Küche und Keller und ernähren sich unter anderem von Mehl, Getreideprodukten und Schimmelpilzen. Sie sind in Haushalten weit verbreitet, gelten jedoch als harmlos.
Nutz- oder Schadmotte?
Harmlos sind auch die meisten Motten. Die wissenschaftlich korrekt „Nachtfalter“ genannten Insekten zählen zu den Schmetterlingen. In Wohnungen geraten sie meist nur aus Versehen, anders als Kleider- und Lebensmittelmotten. Auf der Suche nach einem Ort für die Eiablage fliegen diese gezielt menschliche Behausungen an. Kleidermotten legen ihre Eier auf Fellen, Pelzen und Wolltextilien ab, denn ihre Larven ernähren sich vom Keratin in den Tierhaaren. Lebensmittelmotten bevorzugen dagegen ein breites Spektrum an Nahrungsmitteln. Die geschlüpften Raupen fressen, verspinnen und verschmutzen unter anderem Kaffee, Nüsse, Nudeln, Dörrobst, Hülsenfrüchte und Getreideprodukte.
Nur die wenigsten Mottenarten seien Schädlinge, versichert Laura Breitkreuz, Entomologin beim NABU. Von den Nützlingen seien sie leicht zu unterscheiden: „Sitzende Schadmotten legen ihre Flügel dachartig auf dem Rücken zusammen. Motten, die ihre Flügel abspreizen, sind dagegen wichtige Pflanzenbestäuber und gehören wieder nach draußen.“
Fressen und gefressen werden
Nützliches leisten auch Speckkäfer, denn in freier Wildbahn fressen die bis zu einem Zentimeter großen Insekten Kadaverreste. In der Wohnung machen sich ihre Larven jedoch über Wolltextilien, tierische Lebensmittel wie Käse oder Speck sowie Haare und Hautschuppen her. Erwachsene Käfer, die über weite Strecken fliegen können, orientieren sich am Licht und gelangen oft auf diese Weise in menschliche Behausungen. Die Larven wiederum scheuen das Licht; sie verstecken sich im Dunkeln unter Teppichen, in Schränken oder hinter Fußleisten.
Taufliegen, auch Fruchtfliegen genannt, werden dagegen von faulendem Obst angezogen, in das sie ihre Eier ablegen. Ähnlich Stubenfliegen: „Sie werden von sich zersetzenden organischen Stoffen im Müll in die Wohnung gelockt“, erläutert Breitkreuz. „Dorthinein legen sie ihre Eier.“ Hygienischer Umgang mit Obst und Müll halte beide Fliegenarten zuverlässig fern.
Von einer großangelegten Bekämpfung sechsbeiniger Untermieter sollte man dagegen absehen, rät Insektenkundler Pospischil: „Die Tiere bilden ein Ökosystem, in dem fressen und gefressen werden an der Tagesordnung ist.“ Insbesondere Spinnen gingen auf Insektenjagd: „Springspinnen fressen die Larven der Lebensmittelmotte; Winkelspinnen fangen alles, sogar Silberfischchen.“ Das Ökosystem Haushalt reguliert sich demnach im Normalfall selbst.
Hartmut Netz, aus „Naturschutz heute“ 2/24
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