Blütenreiches Straßenbankett in Berlin-Wannsee, ideal für Hummeln und andere Insekten. - Foto: Helge May
Wo kommen all die toten Hummeln her?
Alle Infos über das sommerliches Sterben
Wissenschaftler*innen, Naturschützer*innen und die besorgte Öffentlichkeit standen lange vor einem Rätsel. Manche Autor*innen bezweifelten gar, dass es überhaupt ein spezielles Hummelsterben unter Linden gebe, dieses sei vielmehr eine Art optische Täuschung. Die Tiere würden genauso häufig in Wiesen oder Äckern sterben, fielen dort aber nicht ins Auge. Nachsuchungen und Zählungen widerlegten diese Annahme schnell.
Natürliches Sterben der Hummelvölker?
Die nächste Hypothese besagte, dass die Blütezeit der Silberlinde mit der natürlichen Absterbephase von Hummelvölkern zusammenfalle. Die Hummeln stürben also sozusagen an Altersschwäche oder würden bereits stark geschwächt zur leichten Beute von Fressfeinden. Tatsächlich nutzen Kohlmeisen und Fliegenschnäpper, aber auch bestimmte Falten- und Grabwespen die Ansammlungen sterbender und toter Hummeln als bequeme Beute. Bei mehrjährigen Untersuchungen der Universität Münster in den 1990er Jahren wiesen drei Viertel der knapp 11.000 analysierten Hummeln Fraßspuren auf. Gleichzeitig stellten die Forscher unter Leitung von Professor Bernhard Surholt jedoch fest, dass die gestorbenen Tiere keineswegs überaltert, sondern meist im besten Hummelalter waren.
Krim- und Silberlinde kommen beide in Mitteleuropa nicht natürlich vor. Die Krimlinde ist ein Bastard, wohl aus der weitverbreiteten Winterlinde und der im Kaukasus vorkommenden Linde Tilia dasystyla entstanden. Die Silberlinde hat ihre Heimat in den Laubmischwäldern Vorderasiens und Südosteuropas bis hin nach Ungarn; während der letzten Wärmezeit, bis vor gut 4000 Jahren, wuchs sie auch bei uns. Seit etwa 1770 wird sie in Mitteleuropa angepflanzt, heute besonders gerne in Städten. Die Silberlinde ist ausgesprochen hitzeverträglich – ebenso die Krimlinde – und hat auch keine Probleme mit Sommertrockenheit.
Giftiger Zucker im Nektar?
1977 gab es erstmals Hinweise, der Nektar der spätblühenden Linden könnte Mannose enthalten, ein einfach strukturierter Zucker, dessen Giftwirkung auf Hummeln und Honigbienen bekannt ist. Schnell sprachen die Medien von „Todesbäumen“. Stadtparlamente und Gartenämter überlegten ernsthaft, zur Bekämpfung des Hummelsterbens die „fremdländischen“ Bäume zu fällen.
Doch auch in punkto Mannose gibt es längst Entwarnung. Trotz langwieriger Analysen konnte im Lindennektar nämlich keine Mannose und auch kein anderer bienengiftiger Zucker gefunden werden, ebenso wenig in den sterbenden Hummeln. Um den Nektar gänzlich freisprechen zu können, wurden außerdem Hummeln fünf Tage lang ausschließlich mit dem Nektar jener Silberlinden gefüttert, unter denen große Mengen toter Tiere aufgefunden worden waren. Die gefütterten Tiere zeigten keinerlei Schädigungen.
Keine Energiereserven mehr
Die weitere Untersuchung sterbender Hummeln brachte endlich die Todesursache: Massensterben durch verhungern. Die Münsteraner Wissenschaftler*innen maßen die Zuckerreserven in den Hummelkörpern und mussten feststellen, dass die Energiereserven weitgehend aufgebraucht waren. Mit Ausnahme überwinternder Königinnen speichern Hummeln nicht wie andere Insekten Stärke oder Fette, ihr Energiestoffwechsel greift ausschließlich auf bestimmte Zucker zurück.
Doch warum verhungern die Hummeln ausgerechnet unter Silber- und Krimlinden versammelt? Schließlich kann es sich ja kaum um im übertragenen Sinne „Elefantenfriedhöfe“ handeln. Nun blühen Silberlinden ungefähr zwei bis vier Wochen nach den Winter- und Sommerlinden. Zum Blühzeitpunkt der Silberlinde ist das sonstige Nektarangebot sehr gering. Man kann also annehmen, dass viele Hummeln während dieses Nektarlochs bereits so stark geschwächt sind, dass sie bei Entdeckung der Linden bereits für die Nahrungsaufnahme zu schwach sind.
Die vorläufig letzten Erkenntnisse ergab ein Versuch, bei dem der Nahrungseintrag eines Hummelvolkes wie auch Blühverlauf und Nektarproduktion der besuchten Silberlinde exakt gemessen und verglichen wurden; die Hummeln wurden jeweils in einem zum Nest führenden Gang mittels einer von Lichtschranken aktivierten Computerwaage erfasst. Während die Hummeln in den ersten drei Tagen reichlich Nektar einflogen und das Nest bestens versorgen konnten, nahm der Eintrag danach rapide ab, obwohl die Linde ihre Nektarproduktion erst weitere drei Tage später drosselte.
Aufgrund des sonstigen Nektarmangels bei anderen Pflanzenarten versuchten immer mehr Hummelvölker die Linde zu nutzen. Die Konkurrenz am Baum wurde so stark, dass die Tiere des markierten Volkes schließlich nach neun Tagen mit einem geringerem als dem Ausflugsgewicht ins Nest zurückkehrten. Die Nahrungsaufnahme verbrauchte mehr Energie, als sie brachte. Nach elf Tagen waren 32 von 38 Arbeiterinnen des Hummelvolkes gestorben, nach zwölf Tagen waren alle im Nest verbliebenen Tiere einschließlich der Königin ebenfalls verhungert.
Nektarmangel in Gärten und Grünanlagen
Hauptgrund für das Hummelsterben ist also der Nektarmangel im Hochsommer, ausgelöst durch immer steriler werdende Gärten und Grünanlagen und die weitere Ausräumung der freien Landschaft. Linden stellen die letzten großen Nektarquellen in der Vegetationsperiode dar. Dies gilt vor allem für die Stadt, wo diese Bäume durch ihre Widerstandsfähigkeit gegen Versiegelung und Luftverschmutzung eine wichtige Rolle spielen. Während das Nahrungsangebot im Juni noch äußerst üppig ist und die Insektenvölker stark wachsen, wird Ende Juli die Nahrung knapp. Obwohl die Sommerlinde sehr viel Zucker anbietet, kann sie alleine den Hunger der Insekten nicht mehr stillen.
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Insektenfreundliche Pflege im Potsdamer Park Babelsberg. Wildpflanzen wie Königskerze und Labkraut dürfen durchblühen. - Foto: Helge May
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Firmenparkplatz mit insektenfreundlicher Bepflanzung - Foto: Helge May
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Ligusterhecken eignen sich gut als Gartenbegrenzung, so früh und akkurat geschnitten sind sie für Insekten allerdings wertlos. - Foto: Helge May
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Ungeschnitten bietet die Ligusterhecke im Juni Blütenpracht und Nektar für Insekten im Überfluss - Foto: Helge May
Der Nahrungsmangel betrifft freilich alle Blütenbesucher. Dass vor allem Hummeln vom Massensterben betroffen sind, liegt an deren Sammelstrategie: Hummeln legen anders als Honigbienen kaum Vorräte an. Außerdem gewöhnen sie sich nur sehr langsam an neue Pflanzen. Die Untersuchungen zum Hummelsterben führen so zu einer sehr allgemeinen Forderung zurück: Zum Überleben unserer Tierwelt brauchen wir möglichst viele ungenutzte oder schonend bewirtschaftete Flächen, auf denen sich einen vielfältige Pflanzenwelt ansiedeln kann - nicht nur der Hummeln wegen.
Nur eine Verbesserung des Nahrungsangebotes bringt hier langfristig eine Lösung: Blühende Wildpflanzen, die meist als Unkraut abgetan werden, könnten die Versorgungslücken stopfen. Die Nahrungsknappheit werde durch das notorische Abmähen von Wiesen und Gärten zusätzlich verstärkt, das Wildkräuter am Samenwurf hindern soll. Statt farbenprächtige, aber nektararme Hybriden zu pflanzen, sollten nektarreiche, wilde Blütenpflanzen wieder in unseren Gärten und Parks Einzug erhalten.
Helge May
Externer Link
- Zusammenfassender wissenschaftlicher Artikel: Do linden trees kill bees? Reviewing the causes of bee deaths on silver linden. Biology Letters 13 (9), 2017.
Nektar- und pollenreiche Gartenpflanzen
Vor allem spät blühende Stauden könnten das Massensterben von Hummeln im Juli und August eindämmen. Hier eine kleine Liste von geeigneten Spät- und Dauerblühern für den hummelfreundlichen Garten:
- Die Artischocke (Cynaria scolymus) kennen die meisten Mitmenschen nur vom Gemüsestand. Ihre großen, attraktiv blau-violetten Blüten sind eine reiche Nahrungsquelle für Hummeln und Bienen aller Art. Die Art ist zweijährig, im ersten Jahr erscheint also nur eine Blattrosette und im zweiten Jahr wächst sie dann auf rund zwei Meter Höhe an.
- Die blau blühende, bis einen Meter hohe Bartblume (Caryopteris spec.) lässt sich gut als Kübelpflanze verwenden. Nach der Überwinterung an einem schattigen Ort bis fünf bis zehn Grad plus wird sie im Frühjahr um ein Drittel zurückgeschnitten.
- Büschelschön (Phacelia tanacetifolia) gibt es mancherorts gleich ackerweise. Die auch Phacelie genannte Pflanze wird nämlich zur Gründüngung angebaut. Im Garten ist sie anspruchslos und kann wie in der Landwirtschaft auch als Gründüngung auf Nutzpflanzenbeeten verwendet werden.
- Efeu (Hedera helix) bietet zu einem besonders späten Zeitpunkt Ende September/Anfang Oktober reichlich Nektar für Insekten aller Art - also bitte nicht schon im Sommer beschneiden! Vor allem Falter und Schwebfliegen stellen sich in großer Zahl ein. Die heimische Kletterpflanze gedeiht gut an schattigen Mauern, hat aber auch gegen ein sonnigen Standort nur wenig einzuwenden. Die kugeligen Blütenstände erscheinen erst ab einem Alter von acht bis zehn Jahren.
- Heidekraut (Calluna vulgaris) benötigt mageren und vor allem sauren Boden. Die niedrigen Halbsträucher blühen bis in den September hinein. Sie sollten einmal im Jahr geschnitten werden, das fördert die Blühfähigkeit.
- Sämtliche Klee-Arten (Trifolium spec.) sind gute Trachtpflanzen. Sie können in die Gartenwiese eingesät werden und benötigen keinen Stickstoffdünger, da sie diesen zusammen mit Knöllchenbakterien aus der Bodenluft selbst gewinnen.
- Die attraktive Kugeldistel (Echinops spec.) ist eine je nach Art bis anderthalb Meter hohe, zweijährige Pflanze (siehe Artischocke) aus südlichen und östlichen Gefilden. Sie wird ständig von Hummeln, Wespen und Bienen belagert, weshalb Imker sie gerne um ihre Bienenstöcke herum anpflanzen.
- Lavendel (Lavandula spec.) ist eine Duftpflanze, die jeden Garten bereichert. Lavendel hat es gerne warm und trocken. Bestäuberinsekten zieht er an, Ameisen und Läuse dagegen vertreibt er, weshalb er sich gut eignet, um zusammen mit Rosen im Beet zu stehen.
- Malven (Malva spec.) und Stockrosen (Alcaea spec.) werden auch mit gefüllten Blüten angeboten, aber das hilft den Hummeln natürlich nicht. Also beim Kauf unbedingt auf ungefüllte Sorten achten. Die Farbpracht bleibt ungeschmälert.
- Der Natternkopf (Echium vulgare) ist eine heimische Wildstaude und gedeiht auf trocken-warmen Böden. Neben Hummeln und Schmetterlingen lockt der Langblüher (etwa von Mai bis August) auch unzählige Wildbienenarten an.
- Die diversen Sonnenhut-Arten (Rudbeckia und Echinacaea) bilden dichte Stauden, aus denen je nach Sorte Blütenstängel von einem halben bis zwei Metern Höhe sprießen. Sonnenhüte sind klassische Bauerngartenpflanzen.
- Die heimische Taubnessel (Lamium spec.) gibt es in weiß oder in purpur. Im Halbschatten unter Büschen und Bäumen sollte sie auch im naturnahen Garten einen Platz finden. Teils blühen die Pflanzen bis in den Winter hinein.
- Der rosa blühende Wasserdost (Eupatorium cannabinum) ist eine heimische Wildpflanze, die fast mannshoch werden kann. Der Wasserdost blüht unermüdlich von Juli bis in den Spätsommer hinein. Im Garten verträgt er auch Halbschatten-Standorte und frische bis feuchte Böden. Wasserdost wird vor allem von Faltern und Schwebfliegen, aberr auch von Bienen und Hummeln beflogen.
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