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Jetzt Informieren!Gemütliche Höhlen und viele Ameisen
Vogelschutzexperte Lars Lachmann im Interview zum "Vogel des Jahres 2014"
Der Grünspecht zählt nicht zu den akut bedrohten Vogelarten. Warum fiel die Wahl für den "Vogel des Jahres 2014" ausgerechnet auf ihn?
Der Vogel des Jahres muss nicht immer eine hochbedrohte Vogelart sein. Bei der Wahl des Vogels ist es wichtig, dass man anhand der Art ein bestimmtes Naturschutzthema kommunizieren kann. Dafür eignet sich eine auffällige und deutschlandweit verbreitete Art oft besser als eine unbekannte Rarität, auch wenn beide Arten womöglich die gleichen Probleme haben.
Auch in der Vergangenheit wurden Vogelarten zum Vogel des Jahres gekürt, die nicht gerade selten waren und auch nicht im Bestand abnehmen, zum Beispiel 1992 das Rotkehlchen oder 1997 der Buntspecht.
Der Grünspecht steht für den Lebensraumtyp halboffener Waldlandschaften. Konkret sind dies Streuobstwiesen, Waldränder und Auwälder, aber auch Gärten und Parks oder städtische Brachflächen. Gemeinsam ist diesen Biotopen das Vorkommen von dicken alten Bäumen, in denen der Grünspecht seine Höhlen anlegen kann, in Verbindung mit extensiv bewirtschafteten Grünlandflächen, auf denen er seine Lieblingsnahrung findet, nämlich Ameisen.
Diese Lebensräume sind gefährdet. In der freien Landschaft verschwindet immer mehr Grünland unter dem Pflug, um Platz zu schaffen für vermehrten Ackerbau, insbesondere für Maisfelder. Hier gibt es keine Ameisen mehr. Alte Höhlenbäume werden in Wäldern meist vorzeitig geerntet, in städtischen Parks fallen sie oft übertriebenen Vorsichtsmaßnahmen gegen Astbruch zum Opfer.
In den letzten 20 Jahren hat sich der Bestand des Grünspechts in Deutschland mehr als verdoppelt. Wie passt dies zur Gefährdung seines Lebensraums?
Kurz- und mittelfristig sind die Grünspechtbestände stark von der Härte der Winter abhängig. Bei viel Schnee und langen Frostperioden sterben viele Grünspechte, weil sie nicht mehr an die Ameisen herankommen. Jahre mit milderen Wintern kann der Grünspecht nutzen, um seine Populationen wieder aufzubauen. In den letzten 20 Jahren hatten wir sehr viele milde Winter, weshalb der Grünspechtbestand zunehmen konnte. Dass sich dieser Trend auch schnell wieder umkehren kann, zeigen die neuerlichen Bestandsabnahmen nach den vergangenen drei Wintern, die wieder härter waren.
Für den langfristigen Bestandstrend ist jedoch entscheidend, ob Grünspechte, die den Winter überstehen, ausreichend geeignete Lebensräume vorfinden. Leider beobachten wir derzeit das zunehmende Verschwinden von Streuobstwiesen und einen starken Rückgang von extensiv genutztem Grünland durch Düngung oder Umbruch in Ackerflächen. Wir müssen also dafür sorgen, dass der Grünspecht weiterhin ausreichend Lebensraum hat, um in Phasen mit wärmeren Wintern Bestandseinbrüche aus kalten Wintern ausgleichen zu können.
Der Grünspecht besiedelt in zunehmendem Maße den städtischen Raum. Ist dies auch ein Grund für die Bestandszunahme?
Ja. Neben einer Reihe milder Winter ist sicherlich auch das vermehrte Vorkommen im Siedlungsraum eine Erklärung für die steigenden Grünspechtvorkommen. Die Daten des sogenannten Brutvogelmonitorings zeigen, dass die Bestände in Waldgebieten nur wenig, in den Siedlungen jedoch sehr deutlich angestiegen sind.
Diese Tendenz der Verstädterung gibt es derzeit bei einer Reihe von Vogelarten. Grund dafür sind sowohl die Verarmung der Lebensräume unserer Kulturlandschaften als auch das Entstehen geeigneter Bedingungen im Siedlungsraum. Der Grünspecht hat zum Beispiel innerstädtische Industriebrachen als Brutgebiete entdeckt, so dass er zum Beispiel im Ruhrgebiet inzwischen besonders hohe Vorkommensdichten erreicht. Hier findet er ameisenreiche Rohbodenstandorte. Geeignete Brutbäume findet er dann in benachbarten Gärten und Parks.
Daher ist es wichtig, Städte und Dörfer auch als Biotope für Vögel zu sehen. Jeder von uns kann helfen, indem wir kein Gift in Gärten verwenden, um Ameisen und andere Insekten nicht zu vernichten, alte Bäume erhalten und Gleiches auch von unseren zuständigen Grünflächenämtern einfordern.
Einen besonders geeigneten Lebensraum findet der Grünspecht in Streuobstwiesen. Was macht diesen Lebensraum aus und warum setzt sich der NABU für den Erhalt dieser Wiesen ein?
Streuobstwiesen sind ein idealer Grünspechtlebensraum mit alten hochstämmigen Obstbäumen zum Brüten und ameisenreichen Wiesen für die Ernährung. In vielen Teilen Deutschlands waren Dörfer von einem breiten Gürtel aus Streuobstwiesen umgeben. Außer dem Grünspecht finden dort sehr viele andere, zum Teil stark bedrohte Vogelarten geeignete Bedingungen.
Leider fallen Obstwiesen immer häufiger der Anlage von Neubaugebieten zum Opfer. Pflege und Neupflanzung lohnen sich meist kaum. Der NABU kümmert sich deutschlandweit um den Erhalt der Wiesen. Unsere Gruppen pflegen die Flächen und schaffen wirtschaftliche Anreize für die Vermarktung von Obst aus Streuobstwiesen. Die neue Streuobst-Bionade ist das beste aktuelle Beispiel. Dennoch benötigen Streuobstwiesen in allen deutschen Bundesländern einen generellen gesetzlichen Schutz, den der NABU im Jahr des Grünspechtes dringend einfordert.