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Die Wanderlibelle ist „Libelle des Jahres 2021“
30. November 2020 - Auch wenn die Wanderlibelle weltweit vorkommt, im europäischen Raum konnte sie erst in den letzten Jahren nachgewiesen werden. Dies hängt möglicherweise mit steigenden Temperaturen und veränderten Klimabedingungen zusammen, die nun ganz neue Wettersysteme mit sich bringen.
Die Wanderlibelle trägt ihren Namen zurecht, sie kann mehrere Stunden ununterbrochen in der Luft bleiben und so große Strecken zurücklegen. „Die hochmobilen Libellen sind gute Indikatoren für die enormen Veränderungen durch die Klimaerhitzung“, erklärt Klaus-Jürgen Conze. von der Gesellschaft der deutschsprachigen Odonatologen (GdO). „Auch in Deutschland können wir nun schon seit einigen Jahren deutliche Veränderungen in der Libellenfauna erkennen. Kritisch zu sehen ist dabei die hohe Geschwindigkeit des Wandels und die große Unsicherheit, ob die Mehrzahl der Arten unter diesen neuen Bedingungen bei uns dauerhaft weiterexistieren können. Das gilt es aufmerksam zu verfolgen.“ Während Kleine Königslibelle, Feuerlibelle oder Östlicher Blaupfeil von der Erwärmung profitieren, werden zum Beispiel Moosjungfern und andere Moorbewohner verdrängt.
Mit den Monsumwinden zwischen Afrika und Asien
Auf Englisch ist die Wanderlibelle (Pantala flavescens) auch als Global Wanderer bekannt und damit treffend charakterisiert. In riesigen Schwärmen wandert sie zwischen Afrika und Asien hin und her, um die Monsunregen zu nutzen und immer gerade dort anzukommen, wo die Wetterfronten die passenden Fortpflanzungsgewässer bereitet haben. Das macht deutlich, welches Leistungsvermögen in kleinen Organismen wie diesen Insekten steckt.
„Wandernde Libellen zeigen auch: Wer reist, braucht auch einen Ort zum Ankommen“, betont Conze. „Es braucht daher mehr Biotopverbund durch konsequente nationale Umsetzung der neuen EU-Renaturierungsziele und der Wasserrahmenrichtlinie. Mehr Wasser muss in der Landschaft verbleiben, um gute Lebensräume für Libellen und viele weitere Arten zu gewährleisten.“
In einem Monat vom Ei bis zur fertigen Libelle
Die Wanderlibelle kommt in tropischen und subtropischen Regionen weltweit vor. Selbst einsame Inseln werden dank der ausgezeichneten Flugfähigkeit besiedelt. Mit Reisen über mehrere tausend Kilometer und Flügen in bis zu 5000 Metern Höhe ist die Wanderlibelle rekordverdächtig. Um auf sich jahreszeitlich verändernde Bedingungen flexibel reagieren zu können, hat sie es bei der Fortpflanzung sehr eilig. Nur 35 bis 38 Tage dauert es von der Eiablage über die Larve bis zum fertigen Insekt.
Weniger spektakulär ist das Aussehen der Art, die leicht mit den bei uns vorkommenden Heidelibellen verwechselt werden kann. Die Wanderlibelle ist eine mittelgroße, meist orangebraun gefärbte Segellibelle, die sehr ausdauernd fliegt. Im Vergleich zu den Heidelibellen ist sie etwas größer und kräftiger und besitzt keine auffällige Körperzeichnung. Die Flügel sind im Verhältnis zum Körper sehr lang und bilden mit ihren großen Tragflächen eine auffällige Proportion zum Rest des Körpers.
Import per Kriegsschiff und Bananenkiste
Im Mittelmeeraum werden Wanderlibellen immer wieder einmal beobachtet, meist aber nur einzelne Tiere. Auf dem europäischen Festland tauchten lange Zeit ausschließlich verschleppte Wanderlibellen auf, mal in einem aus Singapur kommenden briischen Kriegsschiff, mal in Sachsen in einer Bananenkiste aus Ecuador.
Unsicher war zunächst die Herkunft einer Wanderlibelle, die 2014 an der heute zu Russland gehörenden Kurischen Nehrung gefunden wurde. 2019 wurden zudem von zwei Orten in Polen Wanderlibellen gemeldet. Im gleichen Jahr kam es dann in Deutschland und in der Schweiz erstmals zu mitteleuropäischen Nachweisen von erfolgreicher Fortpflanzung „in freier Wildbahn“. Diese Tiere waren sicher aus keiner Bananenkiste entkommen.
2019 kam es in Deutschland und in der Schweiz erstmals zu mitteleuropäischen Nachweisen von erfolgreicher Fortpflanzung „in freier Wildbahn“. In beiden Fällen wurden von Menschenhand vor kurzem angelegte Naturschutzgewässer besiedelt. Es wurden erwachsene Libellen gefunden und sogenannte Exuvien, also die beim Schlüpfen der Tiere abgestreiften Larvenhäute.
Erster Freiland-Nachwuchs in Lausitzer Tagebauloch
Der deutsche Erstnachweis gelang Dr. André Günther, wissenschaftlicher Mitarbeiter am NABU-Naturschutzinstitut Freiberg und Dozent an der TU Bergakademie Freiberg. In einem Projekt zur Artendynamik in Bergbaufolgelandschaften untersuchte Günther 2019 ehemalige Braunkohleflächen bei Neupetershain im südbrandenburgischen Kreis Oberspreewald-Lausitz. Dort konnte er zunächst im Juli ein einzelnes Wanderlibellen-Männchen beobachten und fotografieren. Bei einer weiteren Nachsuche im August fanden sich dann sowohl eine Larvenhaut wie auch eine ausgewachsene Wanderlibelle.
Ebenso wie der Teich im Naturschutzgebiet Schümel bei Holderbank (Kanton Aargau), an dem der Schweizer Nachweis gelang, war die Wasserfläche in der Lausitz sonnenbeschienen und flachgründig. Die wärmeliebende Wanderlibelle fand im Hitzesommer 2019 also gute Bedingungen vor. Ob solche Besuche in Mitteleuropa künftig zur Regel werden, muss man trotz Klimawandel noch abwarten.
Einflug aus Südost?
Den Winter können Wanderlibellen nicht bei uns überstehen, sie müssten also jedes Jahr neu einfliegen. Angesichts ihrer großen Mobilität ist der Abflugort der bei uns beobachteten Wanderlibellen nicht sicher. Nachweise in Polen und im Raum Königsberg lassen aber vermuten, dass die Libellen aus Mittel- oder Kleinasien kamen und von dort nach Norden zogen. Dafür sprechen auch ungewöhnlich starke 2019er Einflüge aus Südosten von Frühen Heidelibellen (Sympetrum fonscolombii) und Schabracken-Königslibellen (Anax ephipigger).
- Erster Freilandnachweis von Pantala flavescens in Deutschland (PDF aus „Libellula“)
- Pantala flavescens neu für die Schweiz, inklusive Entwicklungsnachweis (PDF aus „Libellula“)
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