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Jetzt NABU-Mitglied werden!„Von der Feldlerche zur EU-Agrarpolitik“
NABUTalk am 7. Mai 2019 in Berlin
Die Folgen der EU-Agrarpolitik für Natur und Umwelt sind dramatisch: Die Artenvielfalt nimmt immer weiter ab, unser Wasser wird mit Nitrat und unsere Luft mit klimaschädlichem Ammoniak belastet, Insekten und Vögel sterben. Beispielhaft für den Verlust der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft steht die Feldlerche. In den vergangenen knapp 30 Jahren sind die Bestände dieses typischen Feldvogels um 40 Prozent zurückgegangen.
Der Schlüssel zu einer zukunftsfähigen Lösung all dieser gravierenden Probleme liegt in der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik, welche derzeit in Brüssel und den Mitgliedsstaaten neu verhandelt wird. Mitten in diesen wichtigen Zeitraum fällt die Wahl des neuen Europaparlaments am 26. Mai.
Wie soll es also weitergehen mit der EU-Agrarpolitik? Das haben wir die Kandidatinnen und Kandidaten des Europaparlaments sowie Expertinnen und Experten beim NABU-Europatalk am 7. Mai 2019 in Berlin gefragt.
Werden sich die Abgeordneten für eine naturverträgliche EU-Agrarpolitik einsetzen?
Diese spannende Frage wurde von Peter Jahr (CDU), Susanne Melior (SPD), Jan-Christoph Oetjen (FDP), Anna Cavazzini (Bündnis 90/Die Grünen), Malte Fiedler (Die Linke) und Manuela Ripa (ÖDP) nach einem Einführungsvortrag von Konstantin Kreiser (NABU) diskutiert. Ergänzende Statements lieferten Phillip Brändle (AbL), Stephanie Awater-Esper (topagrar) und Konstantin Kreiser (NABU) aus dem Publikum.
Am deutlichsten formulierte es Manuela Ripa: Die aktuelle GAP zerstört unsere eigene Lebensgrundlage. Deshalb möchte sie den Schwung aus dem Volksbegehren Artenvielfalt in Bayern mit nach Brüssel und in die Europawahl nehmen. Gemeinsam mit Anna Cavazzini und Malte Fiedler plädierte sie für den klaren Grundsatz „öffentliches Geld nur für öffentliche Leistungen“. Susanne Melior möchte dieses Prinzip auf den größten Teil der Subventionen angewendet sehen, insbesondere auf die Mittel der Ersten Säule (etwa 45 Milliarden Euro). Peter Jahr und Jan-Christoph Oetjen wollen die Umweltleistungen hingegen lieber in der Zweiten Säule belassen. Die Zweite Säule ist jedoch mit etwa 14 Milliarden Euro bisher deutlich schwächer ausgestattet.
Alle Politikerinnen und Politiker sehen den aktuellen Reformbedarf in der europäischen Agrarpolitik. Die grundsätzliche Reformbereitschaft der Landwirtschaftsbetriebe wird durchweg als sehr groß wahrgenommen. Besonders wichtig ist den Diskutierenden in diesem Prozess der Dialog und Austausch mit den Landwirtinnen und Landwirten. Auch die Statements aus dem Publikum machten deutlich, dass die Politik zwar endlich reagieren muss, die Betriebe aber nicht alleine lassen darf. Notwendig ist eine klare und ehrliche Kommunikation, dass sich etwas verändern wird und das Ende der Direktzahlungen absehbar ist.
Wie soll die Reform konkret aussehen?
Uneinigkeit herrschte darüber, wie die Reform konkret aussehen soll. Bei zwei wesentlichen Punkten gingen die Forderungen sehr weit auseinander: beim notwendigen Anteil der nicht-produktiven Flächen und der finanziellen Ausstattung der sogenannten Eco-Schemes - das sind besondere Maßnahmen zur naturverträglichen Bewirtschaftung von Lebensräumen. Der NABU fordert hier nach den Ergebnissen unserer GAP-Studie zehn Prozent brachliegende Flächen und die Finanzierung der Eco-Schemes mit 50 Prozent der Mittel der Ersten Säule.
Die Forderungen der Parteien schwanken hier von ebenfalls zehn Prozent (ÖDP, Grüne) über sieben Prozent (SPD, Linke) bis zu null Prozent (CDU), falls in den Mitgliedstaaten keine einheitliche Regelung gefunden wird. Auch bei der Finanzierung der Eco-Schemes sind die Unterschiede zwischen den Parteien deutlich: ÖDP und Grüne wollen ebenso wie der NABU 50 Prozent der Ersten Säule für die Finanzierung der Eco-Schemes verwenden, die SPD fordert hier mindestens 30 Prozent und die CDU will lediglich 20 Prozent der Ersten Säule für diese Maßnahme zur Verfügung stellen.
Wie geht es weiter nach der Europawahl?
Zurückhaltend waren die Politikerinnen und Politiker mit Prognosen, wie genau es im GAP-Prozess in Brüssel nach der Europawahl weitergehen wird. Klar ist, dass der neue Agrarausschuss die bisher erreichten Kompromissvorschläge noch einmal neu verhandeln könnte, um potenziell mehr für den Naturschutz zu erreichen. Dies entspricht auch der Forderung des NABU und wird von Seiten der Grünen, Linken und auch der ÖDP unterstützt.
Bei den gegenwärtigen Reformvorschlägen sehen alle Parteien die Gefahr einer Renationalisierung der Agrarpolitik. Das wiederum würde zu unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen und Umweltstandards in Europa führen.
Übereinstimmung herrschte auch beim offensichtlichen Bedarf eines größeren Budgets für die Umwelt-, Naturschutz- und Klimaschutzleistungen der Landwirtschaft. Die bessere Einbindung anderer Ressorts in die Agrarpolitik und die Mittelverteilung wurde ebenfalls von allen Politikerinnen und Politikern eingefordert.
„Ich will die Lobby nicht verteufeln, aber die Bäuerinnen und Bauern sind schon viel weiter als die Organisationen, die für sie sprechen.“
Susanne Melior (SPD)
„Völkerrechtliche Verpflichtungen, zum Beispiel bei den Nachhaltigkeitszielen, müssen von allen mitgetragen werden.“
Anna Cavazzini (Bündnis 90/Die Grünen)
„So weitreichende Entscheidungen wie die EU-Agrarreform dürfen nicht länger allein vom Agrarausschuss getroffen werden. Diese Entscheidungen gehören ins EU-Parlament.“
Jan-Christoph Oetjen (FDP)
„Bauern sollen für Umweltleistungen und die Umstellung auf Ökolandbau honoriert werden.“
Manuela Ripa (ÖDP)
„Es besteht Reformbedarf.“
Peter Jahr (CDU)
Was sagen die Experten?
Am Nachmittag vertieften Expertinnen und Experten die neuesten Entwicklungen und Lösungsvorschläge, wie die Vogel- und Insektenvielfalt in der Agrarlandschaft gerettet werden kann.
Lars Lachmann, NABU-Vogelschutzreferent, berichtete in einem Vortrag über die Feldlerche, dem Vogel des Jahres 2019. Ihr dramatischer Bestandsrückgang von fast 40 Prozent seit 1990 liegt überwiegend an der hochintensiven Landwirtschaft. Besonders der Anbau von Mais und Wintergetreide, das häufige Walzen und Mahd in einer zunehmend intensiven Grünlandbewirtschaftung sowie Überdüngung und Pestizideinsatz hat ihren Lebensraum als auch ihr Nahrungsangebot immer weiter eingeschränkt.
Martin Flade von der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft stellte die neuesten Erkenntnisse und Anforderungen an Naturschutzmaßnahmen in der Agrarlandschaft vor. Aus ornithologischer Sicht darf der Mindestanteil von Brachflächen in der Agrarlandschaft nicht unter zehn Prozent liegen. Zusätzliche 25 Prozent der Flächen sollten nur extensiv genutzt werden.
Prof. Dr. Gerlind Lehmann vom NABU erläuterte die Hintergründe zum vieldiskutierten Thema Insektensterben und zeigte politische Wege auf, um die Krise zu bewältigen. Pestizide und Nährstoffeinträge müssen reduziert und mehr Anreize für Strukturen und Vielfalt in der Landschaft geschaffen werden. Auch sollten Schutzgebiete besser vernetzt werden.
Dr. Christiane Paulus vom Bundesumweltministerium beleuchtete die derzeitige politische Situation des Naturschutzes in den GAP-Verhandlungen und kritisierte die zurückhaltende Positionierung der Bundesregierung.
„Die Fakten liegen auf dem Tisch, unsere Ziele im Umweltbereich werden aber bei weitem nicht erreicht. Die Instrumente müssen deshalb geschärft werden - und das neue Europaparlament wird dabei eine entscheidende Rolle spielen.“
Dr. Christiane Paulus, Bundesumweltministerium
Download der Vorträge - eine Auswahl
#natürlichEuropa: 400 Millionen EU-Bürgerinnen und EU-Bürger haben entschieden
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