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Jetzt NABU-Mitglied werden!Genmais bald auf Europas Feldern?
NABU-Interview zur Zulassungsabstimmung von Genmais in der EU
11. Februar 2014 - In Brüssel haben die Europaminister darüber abgestimmt, ob auf europäischen Feldern in Zukunft gentechnisch veränderter Mais mit dem Namen 1507 angebaut werden darf. Da nur eine einfache Mehrheit der Mitgliedsstaaten gegen einen zukünftigen Anbau zustande kam, blieb ein eindeutiges Votum durch die EU-Minister aus. Damit liegt die Entscheidung nun bei der EU-Kommission, die aller Voraussicht nach grünes Licht für den Genmais 1507 geben wird. Im Interview mit Dr. Steffi Ober, NABU-Referentin für Nachhaltige Wissenschaftspolitik, klären wir die wichtigsten Fragen zum Genmais 1507 und der auf EU-Ebene getroffenen Abstimmung.
Frau Ober, zunächst ganz grundsätzlich: Was ist Genmais und warum wird er in der Landwirtschaft, beispielsweise in den USA, angebaut?
Pflanzen besitzen - genauso wie Menschen - Gene, die bestimmen, welche Eigenschaften die Pflanze ausmachen. Mittels Gentechnik ist es möglich, diese spezifischen Gene im Erbgut der Pflanze zu verändern. Dadurch soll die jeweilige Pflanze einerseits widerstandsfähiger gegen Fraßschädlinge gemacht werden. Andererseits zielt die Veränderung der Gene auch darauf ab, den Anbau für die Landwirte zu vereinfachen. Genmais ist also eine Optimierungsstrategie für die industrielle Landwirtschaft.
Was genau ist das spezifische Merkmal des Mais 1507, über den jüngst abgestimmt wurde?
Der Mais 1507 der Firma Pioneer Dupont wurde gentechnisch dahingehend verändert, dass er gegen das Unkrautbekämpfungsmittel Glufosinat resistent ist, sodass die Anwendung dieses Breitbandherbizids dem Mais keinen Schaden zufügt. Außerdem wurde der Mais gentechnisch so umgewandelt, dass er in allen Pflanzenteilen von der Wurzel bis zum Pollen Toxine absondert, die gegen den Fraßschädling, die Raupen des Maiszünslers, giftig wirken.
Welche Gefahren können von dieser Maissorte für unsere Natur ausgehen?
Insbesondere die biologische Vielfalt wird von dieser Maissorte bedroht. Zwar sah das Gremium der Europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) für gentechnisch veränderte Organismen in mehrmaligen Bewertungen keine negativen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier oder auf die Umwelt. Jedoch greift diese Bewertung der EFSA viel zu kurz. Wie empfindlich die geschützten Schmetterlinge in Europa gegenüber den Bt-Toxinen des Mais 1507 wirklich sind, ist nicht bekannt. Ebenso wenig wurden die Effekte auf den Boden oder andere wildlebende Bestäuber abgeschätzt.
Die größte Gefahr des Maises besteht in seiner Resistenz gegenüber dem Herbizid Glufosinat. Dieses Pestizid wird in Deutschland aus gutem Grund nur noch in Sonderanwendungen eingesetzt, die generelle Zulassung ist zurückgenommen. Es darf also momentan nicht mehr eingesetzt werden. Dieses Mittel wirkt fortpflanzungsschädigend und zählt zu den besonders gefährlichen Pestiziden. Studien haben gezeigt, dass der Wirkstoff die Entwicklung des Gehirns vermindert und Verhaltensstörungen hervorruft. Glufosinat steht im begründeten Verdacht, für Säugetiere und Nichtzielorganismen schädlich zu sein. Die EU-Pestizidgesetzgebung hat daher vorgeschrieben, es bis zum September 2017 aus dem Verkehr zu ziehen.
Wie bewerten Sie das Ergebnis der heutigen Abstimmung der EU-Staaten?
Die Abstimmung der Europaminister in Brüssel hat weder eine qualifizierte Mehrheit für noch gegen den Genmais 1507 erreicht. Dies bedeutet, dass jetzt die EU-Kommission über die Zulassung des Genmais 1507 entscheidet. Weil der zuständige Gesundheitskommissar Tonio Borg für die Zulassung ist, wird der Anbau in der EU aller Wahrscheinlichkeit nach erlaubt werden. Diese Entscheidung verurteilt der NABU scharf, denn der Anbau gefährdet die Artenvielfalt der Natur. Zudem sind weitere mögliche Risiken für die Umwelt nicht ausreichend erforscht und bekannt.
Was kritisiert und fordert der NABU, auf Bundes- und EU-Ebene?
Der NABU kritisiert vor allem die Enthaltung Deutschlands bezüglich der Zulassung des Genmais 1507. Die neue Bundesregierung zeigt sich tief gespalten in ihrer Meinung zur Gentechnik. Die SPD-Ministerien positionieren sich dagegen, durch die CDU/CSU geht offensichtlich ein Riss. Nur die Ministerien für Gesundheit (CDU) und Wissenschaft (CDU) haben für den Genmais gestimmt. Da hat dann die Kanzlerin das letzte Wort.
Die EU-Kommission sollte bei ihrer Entscheidung bedenken, dass die überwiegende Mehrheit der europäischen Bürgerinnen und Bürger und eine Mehrheit der Mitgliedsstaaten gegen den Anbau von Genmais sind. Angesichts der Europaverdrossenheit in vielen Mitgliedsstaaten ist es höchste Zeit, ein Europa der Bürger und nicht länger ein Europa der Unternehmen zu gestalten. Diese Entscheidung für den Anbau von Mais 1507 zeigt einmal mehr, wie viel Einfluss die Industrie auf die Politik nimmt. Dass dadurch die biologische Vielfalt bedroht wird, darf nicht billigend in Kauf genommen werden.
Abschließend als Ausblick: Was bedeutet die Zulassung dieser Genmaissorte für die zukünftige Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen?
Wenn auf EU-Ebene einmal der Anbau einer gentechnisch veränderten Pflanze zugestimmt wurde, dann ist diese Entscheidung der Türöffner für weitere genmanipulierte Pflanzen in der Agrarwirtschaft der EU. Wir importieren schon heute mit Mais und Soja als Futtermittel große Mengen an gentechnisch veränderten Pflanzen in ganz Europa. In den Herkunftsländern gehen durch den gekoppelten Einsatz von Pestiziden (Glyphosat und Glufosinat) große Schäden für die Menschen und die biologische Vielfalt einher. Pestizidresistente, gentechnisch veränderte Pflanzen sind also der falsche Weg – hier wie überall. Wir brauchen stattdessen eine Landwirtschaft, die die Fruchtbarkeit des Bodens erhält, die biologische Vielfalt steigert und vor allem keine klimarelevanten Gase emittiert. Eine großflächige High-Input- und High-Output-Landwirtschaft, wie sie mit gentechnisch veränderten Organismen möglich ist, kommt uns letztendlich teuer zu stehen: Wenige weltweit aufgestellte Großkonzerne profitieren, die Verbraucher und die biologische Vielfalt, die es für die Zukunft zu erhalten gilt, verlieren.