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Blick auf den Großen Teich
Zu Besuch im NABU-Biberhof Torgau

Ein Wintertag in der sächsischen Stadt Torgau geht zuende. Vor dem abendlichen Himmel zeichnen sich deutlich unendlich viele schwarze Punkte ab. Sie bilden lange Linien am Himmel, die begleitet von lautstarkem Schnattern wellenartig heranbranden. Es sind tausende Gänse, die in der Region überwintern und jetzt in der Abenddämmerung zu ihrem Schlafplatz fliegen. "Bis zu 30.000 Wildgänse sind es jedes Jahr, die hier am "Großen Teich" überwintern", berichtet Pia Leisner. Die blonde Frau ist die Leiterin der NABU-Naturschutzstation "Biberhof Torgau". Umringt von einer Gruppe von Vogelfreunden aus ganz Deutschland steht sie am Ufer des Großen Teichs und beobachtet die Gänse.
Die Natur immer im Blick
Der Biberhof der NABU-Regionalgruppe Torgau liegt ebenfalls am Ufer des Teichs, der mit seiner Wasserfläche von 175 Hektar als größter Teich Sachsens gilt. Am nächsten Morgen kann man dort einige der Vogelfreunde wiedertreffen; sie haben im Biberhof übernachtet. In der zweiten Etage, unterm Dach des Gebäudes, gibt es dafür einen Schlafraum mit mehreren Liegen. Vor einem Dachfenster hat Pia Leisner ein Fernrohr aufgebaut und sagt: "So haben wir warm und trocken immer den Großen Teich im Blick." Die laut schnatternden Gänse sind jetzt allerdings verschwunden - verteilt auf Futtersuche in der ganzen Region.
Nicht weniger lautstark jedoch kommt gerade eine Schülergruppe an. Die Kinder aus einer Leipziger Schule stürmen in den großen Versammlungsraum im Erdgeschoss. "Die Arbeit mit Kindergruppen ist unsere Hauptaufgabe", erklärt Pia Leisner. Umweltbildung wird groß geschrieben im Biberhof Torgau und das schon seit der Gründung vor zehn Jahren.
Biber zum Anfassen
"Kann man denn hier Biber anfassen?", will eine der Schülerinnen wissen. "Das kann man", antwortet Pia Leisner, "aber nur nebenan in unserer Ausstellung." Im Nebenraum bestaunen die Kinder bald darauf die mehr als hundert ausgestopften Tier-Präparate: einen Graureiher, Singvögel, eine Saatgans, eine Schleiereule, einen Dachs und eben auch einen Biber.
Lebende Biber gibt es auf dem Biberhof allerdings nicht. "Die kann man nur draußen in der Natur beobachten", erklärt Pia Leisner den Kindern, "aber tagsüber verstecken sie sich." Biberspuren jedoch kann man immer finden, und Pia Leisner zieht mit den Kindern los, um welche zu suchen.
Viele Schulen nutzen den Biberhof für Umwelt-Projekttage. Seit der Lehrplan in Sachsen dafür mehr Raum bietet, hat sich der Biberhof voll darauf eingestellt. Das ganze Jahr über gibt es Angebote für Schulklassen, die nicht nur aus Torgau und Umgebung kommen, sondern inzwischen auch aus Eilenburg, Leipzig und sogar vom anderen Elbufer - aus Brandenburg. Auch Kindergärten nutzen immer häufiger die Möglichkeiten der NABU-Naturschutzstation. Die Natur erleben, dabei Spaß haben und etwas lernen - dieses Konzept kommt bei Kindern und Lehrern an.
Pia Leisner und ihre vier Kolleginnen haben damit alle Hände voll zu tun. Möglich ist das nur, weil die fünf Stellen vom Arbeitsamt unterstützt werden. "Ohne die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wäre die Umweltbildung nicht machbar", sagt Pia Leisner, die ein Diplom als Biologie- und Sport-Lehrerin hat. Die Arbeit auf dem Biberhof ist ihr Traumjob. Schon öfter hat die 41-Jährige, die in Torgau geboren wurde, auch unentgeltlich weitergemacht, bis neues Geld vom Arbeitsamt kam.
Türme und Teiche
Neben der Umweltbildung ist der praktische Naturschutz das zweite wichtige Arbeitsgebiet des Biberhofs. Die NABU-Regionalgruppe ist dabei, Flächen im Gebiet der "Trossiner Teiche" zu kaufen, das etwa zehn Kilometer nordwestlich von Torgau liegt. Hier gibt es Erlenbrüche, Teiche und Feuchtgebiete, die Lebensraum für Bachneunauge, Biber, Fischotter und Schwarzstorch sind. "Für den Flächenkauf haben wir eine deutschlandweite Spendenaktion gestartet und es gibt Geld von der Deutschen Umwelthilfe", berichtet Pia Leisner. Sie ist der Meinung, dass der Naturschutz auf NABU-eigenen Flächen am sichersten ist. "50 Hektar haben wir schon gekauft", freut sich die Naturschützerin.
Ein weiteres Erfolgsprojekt der Torgauer NABU-Gruppe sind die alten Trafo-Türme der Region. Der Energieversorger envia braucht sie nicht mehr und müsste sie abreißen. Doch damit würden wertvolle Unterschlupfmöglichkeiten für Vögel, Insekten und Fledermäuse verloren gehen. Darum übernehmen die Naturschützer die Türme für einen symbolischen Preis und sanieren Dach und Gemäuer. Dann wird der Turm begrünt und ausstaffiert mit Nischen, Ritzen, Öffnungen und Nisthilfen.
Naturschutz für Biber und Menschen
Besonders am Herzen liegt den NABU-Aktivisten natürlich der Elbe-Biber, der ihrer Naturschutzstation vor zehn Jahren den Namen gab. Etwa 100 bis 120 dieser Tiere gibt es in der Region Torgau; damit sind nahezu alle möglichen Reviere besetzt. Sie leben jedoch kaum noch im Elbe-Strom selbst, vielmehr haben sich die Biber vor allem im Hinterland angesiedelt. Sie bewohnen Entwässerungsgräben und Altarme der Elbe. Wenn die Tiere dort ihre Wohn-Burgen und Stau-Dämme errichten, bleiben Konflikte mit den Flächennutzern - wie Land- und Forstwirten - nicht aus. Jedes Biber-Revier hat darum einen NABU-Betreuer, der mit den Betroffenen die Lage klärt, wenn es Probleme gibt. Zum Beispiel werden wertvolle Bäume durch ein Drahtgeflecht vor Biberfraß geschützt. Pia Leisner sagt: "Mensch und Biber müssen hier gut leben können - in einer intakten Natur. Das ist unser Motto."
Und ganz nach diesem Motto bringen die NABU-Aktivisten Besuchern des Biberhofs den Naturschutz nahe. In dem kleinen Freiareal an der Naturschutzstation zeigen sie, wie verschiedene Nisthilfen und ein naturnaher Garten aussehen. Beim Frühlingsspaziergang im Mai, beim Tag der Umwelt im Juni und beim Abfischen des Großen Teichs im Herbst ist der Andrang auf dem Biberhof gewaltig. Das Highlight bei solchen Gelegenheiten ist der Lehmofen, in dem dann leckeres Brot gebacken wird. Pia Leisner berichtet stolz: "Die Leute sind dankbar, gut gelaunt und offen für unsere Anliegen. Letztendlich nutzt all das unserer Naturschutzarbeit."
Darum sind nicht nur glückliche Biber ein Gradmesser für erfolgreiche Naturschutzarbeit in Torgau, sondern auch fröhliche Schulklassen und zufriedene Menschen.
Biberhof Torgau, Dahlener Straße 19, 04860 Torgau, Tel. 0 34 21-90 27 03, biberhof.torgau@NABU-Sachsen.de
von René Sievert