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NABU will Ausverkauf der Natur verhindern


Unsere Meere im Ausverkauf: Erklärungsvideo zur Marinen Raumordnung
Dichter Schiffsverkehr, Kies- und Sandabbau, flächendeckende Fischerei, Militärübungen, Pipelines, Seekabel und Offshore-Windparks. Die deutsche Nord- und Ostsee ist nicht nur für viele ein beliebtes Urlaubsziel, die beiden Meere werden auch stark wirtschaftlich genutzt. Geregelt wird dies über sogenannte „Raumordnungspläne“. Darin ist auch festgelegt, ob und in welchem Ausmaß wirtschaftliche Nutzung in Schutzgebieten auf See stattfinden darf.

Sterntaucher - Foto: Frank Derer
Deutschland soll noch vor der Bundestagswahl eine neue marine Raumordnung für die Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) der Nord- und Ostsee erhalten. Die wichtigste Phase der Verhandlungen dafür laufen seit Mitte 2020 und hinter den Kulissen kämpfen die einzelnen Interessensvertreter*innen um jedes Stückchen Meer.
Die aktuelle Chance einer neuen Marinen Raumordnung muss genutzt werden, um eine starke Nachhaltigkeit in Nord- und Ostsee zu etablieren. Der NABU setzt sich in Deutschland und auf EU-Ebene für eine „echte“ marine Raumordnung ein, die sicherstellt, dass unsere Nord- und Ostsee nicht länger ausgebeutet, sondern nachhaltig genutzt werden mit Rückzugs- und Nahrungsräumen für viele seltene und bedrohte Meeresbewohner.
Verhandlung ohne Einbindung des Bundestags
Obwohl die Nutzung einer Fläche größer als Belgien verhandelt wird, ist eine parlamentarische Beteiligung in der Fortschreibung der marinen Raumordnung nicht durch das Raumordnungsgesetz vorgesehen. Dieses Versäumnis ist jetzt deutlich spürbar, da die massiven Konflikte im aktuellen Entwurf nicht übergeordnet gelöst werden. Vielmehr skizziert der Entwurf einzelne Sektorinteressen, die nicht transparent abgewogen werden, um langfristig auf eine Erholung unserer Meere einzuzahlen.
Wie wichtig eine Raumordnung ist, der ein Ausgleich zwischen Schutz und Nutzung der Meere gelingt, zeigt das große Interesse von Mitgliedern des Deutschen Bundestages in den aktuellen Verhandlungen. Zukünftig sollte deshalb eine umfassende parlamentarische Beteiligung beim Raumordnungsprozess auf dem Meer ermöglicht werden, um diese umwelt- und energiepolitische Weichenstellung adäquat zu begleiten.

Erster Entwurf der neuen marinen Raumordnung - Grafik: Kubikfoto
Nord- und Ostsee geht es schlecht, ein Drittel der Arten befinden sich auf der Roten Liste und die Belastungsgrenzen sind längst erreicht. Deshalb plädiert die Meeresoffensive 2020 für den Ausschluss jeglicher menschlicher Nutzung in mindestens 50 Prozent aller Meeresschutzgebiete. Allerdings sieht der aktuelle Entwurf der marinen Raumordnung eine massive Übernutzung innerhalb der Schutzgebiete vor – inklusive Sand- und Kiesabbau, militärischer Übungen und ungehinderter Schifffahrt und Fischerei. Dies ist nicht mit geltendem Naturschutzrecht vereinbar.
Wirtschaftlicher Druck auf das Meer wächst
Insbesondere außerhalb der Meeresschutzgebiete wächst der wirtschaftliche Druck auf das Meer gewaltig: bis 2040 ist der Ausbau der Windenergie auf See auf bis zu 40 Gigawatt Windstrom vorgesehen. Momentan werden etwa 7,5 Gigawatt in Nord- und Ostsee produziert, und bereits heute sehen wir gravierende negative Folgen auf das Ökosystem Meer, insbesondere bei Seevögeln. Die Auswirkungen der Windräder sind bekannt – durch Kollision und Unterdruck sind sie eine tödliche Gefahr für Vögel und Fledermäuse. Und nachgewiesen ist ebenfalls, dass viele Vogelarten Windparks großräumig meiden – bei Seetauchern bis zu 16 Kilometer Entfernung. Weniger bekannt sind die negativen Folgen des täglichen Wartungsverkehrs der Windparks mit bis zu 80 Kilometern pro Stunde schnellen Servicebooten. Diese Boote produzieren zum einen starken Unterwasserlärm, zum anderen besteht eine hohe Kollisionsgefahr für Schweinswale. Dennoch sieht der aktuelle Entwurf der marinen Raumordnung bisher nicht vor, dass dieser Schnellbootverkehr überhaupt reguliert werden soll.
Die ökologischen Auswirkungen eines 40 Gigawatt-Windstrom-Ausbaus sind gewaltig – 16 Prozent der Fläche in der Nordsee würde komplett an die Windkraft verloren gehen. Für gefährdete Vögel, wie zum Beispiel Seetaucher, die Windparks stark meiden, würde das bedeuten, dass mehr als 50 Prozent der Nordsee für diese Art als Lebensraum unbrauchbar werden. Die marine Raumordnung ist hier in der Pflicht zu berechnen, wie viel Druck in einzelnen Flächen entsteht und was naturverträglich ist – dieser wichtigen Pflicht ist das koordinierende Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie bisher nicht nachgekommen.
NABU-Kernforderungen zur marinen Raumordnung
- Den Umweltzustand der deutschen Nord- und Ostsee verbessern
- „Echte“ Naturschutzgebiete schaffen: 50 Prozent der Natura-2000-Gebiete von Rohstoffabbau, Fischerei und anderen anthropogenen Nutzungen freihalten
- Wanderkorridore für Zugvögel, Fledermäuse und Schweinswale müssen erhalten bleiben und dürfen nicht durch menschliche Nutzung eingeschränkt werden
- Windenergie: Standorte so auswählen, dass ökologische Konflikte (z.B. mit Seetauchern und Schweinswalen) vermieden werden können
- Mindestens zehn Kilometer Korridore zwischen Windparks und Meeresschutzgebieten, um negative Auswirkungen innerhalb der Schutzgebiete zu vermeiden
- Wartungsverkehr mit Schnellbooten für Windparks: Geschwindigkeitsbegrenzung auf zwölf Knoten und keine Durchfahrt durch Naturschutzgebiete
Welche wirtschaftlichen Interessensgruppen kämpfen in der marinen Raumordnung um die Flächen der Nord- und Ostsee?
Schifffahrt
Mehr als 300.000 Schiffe fahren Jahr für Jahr durch die deutsche Nordsee, große Tanker oder Containerschiffe, Kreuzfahrer und Behördenschiffe. Die Ostsee gehört zu den Gewässern der Welt mit der höchsten Verkehrsdichte, ganz besonders im Fehmarnbelt mit mehr als 50.000 Schiffspassagen pro Jahr. Neben dem enormen Ausstoß von klima- und gesundheitsschädlichen Abgasen und der Gefahr durch Schiffsunfälle, stellt auch der Lärm ein erhebliches Problem für die Unterwasserwelt dar.
Fischerei
Die Fischerei ist die mit Abstand stärkste aktuelle Bedrohung für die Meeresumwelt in Nord- und Ostsee. Nicht nur durch massive Überfischung, auch durch Beifang von Schweinswalen und durch die Zerstörung des Meeresbodens durch den Einsatz von grundberührendem Fischereigerät wird die Natur stark in Mitleidenschaft gezogen. Heute gibt es kaum eine Fläche in Nord- und Ostsee, die nicht befischt wird – lediglich 22 Quadratkilometer im Bereich der Amrumbank sollen demnächst in der Nordsee komplett für die Fischerei geschlossen werden. Das entspricht weniger als 0,1 Prozent der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone der Nordsee. Mit solch geringen Flächen, die auch noch viel zu zögerlich eingerichtet werden, werden wir das Meer nicht retten können, größere Flächen mit einer absoluten Nullnutzung sind dringend nötig.
Rohstoffabbau
Auch Rohstoffe am Meeresboden werden in Nord- und Ostsee stark abgebaut – vor allem Kies und Sand für die Baubranche, aber auch für den Küstenschutz. Allein für den Schutz der beliebten Nordseeinsel Sylt werden Jahr für Jahr bis zu einer Million Kubikmeter Sand aus der Nordsee vor die Küste gespült. Auch innerhalb der Natura-2000-Gebiete der Nord- und Ostsee wird aktuell Sand und Kies abgebaut, obwohl gerade hier dieser Meeresboden mit all seinen Bewohnern erhalten werden soll.
Windenergie
Heute drehen sich mehr als 1500 Windräder in der deutschen Nordsee. Etwa 7,5 Gigawatt Windstrom auf See wird hier aktuell produziert. Die Energieproduktion durch Windkraft auf See soll bis 2040 mehr als vervierfacht werden. Schon heute sind die negativen ökologischen Auswirkungen gewaltig, wie nicht zuletzt das Beispiel des Windparks Butendiek zeigt. Wir schätzen, dass bei einem Ausbau von 40 Gigawatt mehr als 50 Prozent der Nordsee stark ökologisch geschädigt würde. Geschützte Vögel werden vertrieben, drohen an den Rotoren zu zerschellen, Schweinswale verlieren die Orientierung und ganze Artengemeinschaften geraten durcheinander.
Exkurs: Wie funktioniert marine Raumordnung?
Wenn die marine Raumordnung richtig angewendet wird, kann durch dieses Instrument sichergestellt werden, dass das Meer nicht übernutzt, sondern nachhaltig genutzt wird. Man kann sich den Prozess, um eine Raumordnung zu erarbeiten, stark vereinfacht in etwa so vorstellen: Es werden erst einmal alle verfügbaren Daten zum Ökosystem zusammengetragen oder durch entsprechende Projekte gewonnen. Damit soll gezeigt werden, welche Arten auf welchen Flächen vorkommen und wie sensibel einzelne Arten auf die unterschiedlichen Stressoren wie Fischerei oder Windenergie reagieren.
Dann setzen sich alle Interessensvertreter*innen an einen Tisch und diskutieren, wer wann welche Fläche wie nutzen möchte. Hierbei kommt es oft zu Konflikten, wenn zum Beispiel in der gleichen Fläche gefischt, aber auch ein Windpark entstehen soll. Diese zwei Nutzungen sind in Deutschland nicht kompatibel. Dagegen ist Fischerei in einer Seeschifffahrtsstraße unter gewissen Einschränkungen möglich.
Die wichtigste Rolle im gesamten Prozess hat die Moderation. Diese muss fair und unabhängig abwägen, wie jede Fläche genutzt wird. Letztendlich muss ein Kompromiss erarbeitet und dabei sichergestellt werden, dass der Ökosystemansatz angewandt wird. Das heißt, die Nutzung muss nachhaltig sein und die gesamte marine Raumordnung muss dazu beitragen, dass das Meer einen guten Umweltzustand erreicht. So sieht es die EU-Richtlinie zur Marinen Raumordnung, die EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie und das deutsche Raumordnungsgesetz vor.
Der NABU koordiniert ein Verbändeförderprojekt zur marinen Raumordnung, finanziert durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit.
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