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Was von jährlich 140.000 Tonnen Pestiziden übrigbleibt



Pestizideinsatz in Landwirtschaft - Foto: Shutterstock/Leonid Eremeychuk
Das Thema Glyphosat ist in aller Munde. Uwe Baumert, Vorstandsmitglied des NABU Niedersachsen, wollte wissen, wo Glyphosat möglicherweise noch ist – und ließ von einem Labor seinen Urin untersuchen.
Das Ergebnis zweier Tests im Abstand von einem Jahr: zunächst 0,68 Nanogramm Glyphosat pro Milliliter, dann 1,28 Nanogramm. Das klingt winzig viel, denn Nano heißt Milliardstel. Doch zum Vergleich: Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat den Grenzwert für Ackergifte im Trinkwasser auf 0,1 Nanogramm festgelegt. Naja, Trinkwasser und Urin sind zweierlei und überhaupt, werden fröhliche Naturen sagen, ist das Glyphosat im Urin gut aufgehoben, es wird ja so aus dem Körper wieder ausgeschieden.
Wie kommt das Glyphosat in den Körper?
Glyphosat in ein sogenanntes Breitbandherbizid. Es vernichtet zuverlässig jegliches Pflanzenleben, auf dass der Bauer dann um so einfacher loswirtschaften kann. Rund 8000 Tonnen werden davon in Deutschland ausgebracht, auf jedem zweiten Acker. Der Wirkstoff Glyphosat steht unter dem Verdacht krebserregend zu sein, so etwas möchte man nicht im Körper haben, auch nicht im Urin.
Fragt sich, wie das Glyphosat in den Körper kommt. Das Bundesinstitut für Risikobewertung gibt zwar auf seiner Website an, derzeit Lebensmittelmonitoringdaten auszuwerten. Dies sei aber noch nicht abgeschlossen und es seien nur knapp 1400 Proben auf Glyphosat untersucht wurden. „Für eine belastbare Aussage zur Exposition der deutschen Bevölkerung ist diese Probenzahl als zu gering einzuschätzen.“ Jedenfalls wurde in Bier ebenso schon Glyphosat nachgewiesen wie in Honig. Und was den Urin betrifft, ist Uwe Baumert nicht allein. Laut Umweltbundesamt war 2001 nur in jeder zehnten Probe Glyphosat zu finden, 2015 waren es schon 40 Prozent.
Keine akuten Gefahren
Ist Glyphosat nun ein Gesundheitsproblem, sind Pestizidrückstände in Lebensmitteln generell bedenklich? Immerhin 140.000 Tonnen Pestizide werden in Deutschland pro Jahr ausgebracht. Die gute Nachricht: Belastungen oberhalb der gesetzlichen Grenzwerte werden bei Lebensmittelkontrollen nur selten gefunden. Akute Gefahren – ich beiße in einen Apfel und kippe um – sind auszuschließen. Dabei enthalten leicht verderbliche Lebensmittel wie Aprikosen, Birnen, Tomaten oder Paprika häufiger Pestizidrückstände als etwa Möhren, Kartoffeln oder Kohl.
Schwierig einzuschätzen sind die Langzeitfolgen, wenn sich also zum Beispiel Stoffe im Körper anreichern. Und noch schwerer ist die Frage zu beantworten, wie die verschiedenen Giftstoffe zusammenwirken. Grenzwerte gibt es nämlich meist nur für jeden Stoff einzeln und die Behörden sind vorsichtig. So gibt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit keine fachliche Beurteilung von Mehrfachrückständen ab.
Doch Mehrfachrückstände sind der Normalfall, etwa bei Mandarinen, Grapefruit, Tafeltrauben oder Rosinen. Aber auch bei zwei Dritteln der untersuchten Äpfel und Birnen findet sich ein Giftcocktail. Oft sind es Dutzende Mittel gleichzeitig. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich deren Giftigkeit gegenseitig aufhebt, dürfte gering sein.
Helge May
Wirkungen erforschen, Lösungen finden
Der Eintrag von Chemikalien in unsere Ökosysteme hält an. Viele Pflanzen- und Tierarten und die durch sie getragenen ökosystemaren Prozesse sind in ihrer Existenz und Funktion betroffen. Die Chemikalien finden sich in einer Vielzahl an Produkten wieder, etwa Schwermetalle wie Quecksilber in Braunkohle, Pestizide in Roundup, Antibiotika in Arzneimitteln oder Mikroplastik in Körperpflegeprodukten.
Ziel der Ökotoxikologie ist es, Chemikalien mit ihren Risiken für die Umwelt zu bewerten. Dabei wird der Frage nachgegangen, wie schädlich ein Stoff oder Stoffgemische für Moleküle, Zellen sowie Organismen und Populationen in unterschiedlichen Ökosystemtypen sind. Es werden die akuten wie auch die chronischen Wirkungen auf die belebte Natur sowie indirekte Wirkungen auf Nahrungsketten und -netze betrachtet.
Der NABU-Bundesfachausschuss Umweltchemie und Ökotoxikologie hat sich zum Ziel gesetzt, die Auswirkungen von Chemikalien zu analysieren, eine breite Dokumentation dieser Wirkungen anzulegen und dieses Wissen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Außerdem gilt es auf die Akteure in Politik und Wirtschaft eingehen, welche die Gesetzgebung sowie Zulassungs- und Anwendungsverfahren beeinflussen. Darüber hinaus sollen Lösungsansätze gefunden werden, zum Beispiel bei den Konflikten zwischen Imkern und Landwirten.
Wer Interesse an der Arbeit im BFA Umweltchemie und Ökotoxikologie hat, kann sich gerne einbringen. Es ist kein Vorwissen notwendig, da der BFA interne Weiterbildung anbietet.
Kontakt: PD Dr. Werner Kratz, Kratz@NABU-Brandenburg.de, und Sabine Holmgeirsson, Sabine.Holmgeirsson@NABU-BW.de.
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